HP Klötzli: Erfolgreich die Nase im Wind

| Di, 09. Aug. 2011

BURGDORF: Messer Klötzli feiert das 165-Jahre-Jubiläum. In fünfter Generation führt HP Klötzli das international erfolgreiche Fachgeschäft für Messer, Scheren und vieles, was schneidet. red

HP Klötzli («alle nennen mich so!») führt in fünfter Generation das unter seiner Leitung international bekannt und erfolgreich gewordene Fachgeschäft für Messer, Scheren und vieles, was schneidet, bohrt, teilt und sonstwie für den Alltag von Nutzen ist. Sein Ur-Ur-Grossvater Johann-Ulrich Klötzli-Tüscher (1820-1882) hat als Gründer des Traditionsunternehmens im Kornhausquartier den Grundstein dieser Erfolgsgeschichte gelegt.

Rasanter Aufschwung
HP Klötzli hat 1972 von Vater Ernst Ulrich Klötzli-Hummel (1911–1975) das vier Generationen lang an der Mühlegasse 6 im Kornhausquartier gelegene Familiengeschäft mit damals zwei Mitarbeitern gekauft. In HPs Geburtsjahr 1946 werden Vater Ernst Ulrich Klötzli die Platzverhältnisse vor Ort zu eng, er kauft in dem damals aufstrebenden Geschäftszentrum Oberstadt die Liegenschaft Hohengasse 3 und führt seinen Laden künftig hier. Die Familie wohnt weiter an der Mühlegasse, wo sich auch die Werkstatt befindet und wo HPs verwitwete Mutter Helene bis zur ihrem Tod vor einigen Jahren gelebt hat.
In 39 Jahren zielstrebiger Aufbauarbeit gelingt es HP Klötzli, ein international erfolgreiches Spezialgeschäft mit 17 Mitarbeitenden aufzubauen. Verkaufsladen, Büros, ein Teil des Lagers sowie die Wohnung der fünften Generation Klötzli befinden sich an der Hohengasse, wo der Firmeninhaber mit Ehefrau Bea wohnt; die erwachsenen Kinder Samuel und Nina gehen hier ein und aus. Fabrikation und Hauptlager hat HP Klötzli 1984 an die Kornhausgasse 9 und später in die ehemalige Druckerei Baumgartner ausgelagert. Ebenfalls 1984 lässt er an der Hohengasse 3 das alte Holzhaus abbrechen und erstellt auf der Rückseite seiner Liegenschaft einen Büroneubau. Seit über 30 Jahren führt er an der Rathausgasse 84 in Bern die Filiale Messer Klötzli Bern AG, wo internationale Besucher ihren Bedarf an Spezialmessern decken können.

Die Zukunft klar vor Augen
Die ersten 16 Lebens- und Schuljahre verbringt HP Klötzli in Burgdorf. Dann geht er ein Jahr ins Welsche, bevor er eine Ausbildung als Messerschmied bei Victorinox in Ibach SZ absolviert. «Es gab Metzger, Sattler, Schuhmacher, Schreiner, Spengler usw. im Kornhausquartier und die Messerschmiede meines Vaters. Prägend war die Vielseitigkeit dieser Berufe, wir hingen als Knaben in den Werkstätten herum, gaben uns mit Leder, Holz, Metallstücken ab, schauten in der Produktion zu, rutschten im Kornhaus mit den Kornsäcken die Rutschen hinunter. So bin ich aufgewachsen, zwischen Maschinen und Drehbänken. Mein erstes Messer habe ich mit zehn Jahren gemacht.»
Im September 1969 geht HP Klötzli mit einem Freund «auf Wanderschaft», aber nicht wie seine Vorfahren als Handwerksgesellen, sondern mit der Absicht, die Welt kennenzulernen. Die Reise endet vorerst in einem türkischen Gefängnis, da er im Besitz eines automatischen Klötzli-Klappmessers ist. Für die saftige Busse geht praktisch die gesamte Reisekasse drauf, weshalb er in Israel verschiedene Jobs annimmt. Er reist weiter nach Italien und über Tunesien und Algerien nach Marokko. Immer wieder arbeitet HP in teils abenteuerlichen Funktionen, kommt über die Kanarischen Inseln nach Senegal, Mali und die Elfenbeinküste. Schliesslich heuert er auf einem Frachtschiff nach Genua an und erreicht im Juni 1970 per Autostopp Burgdorf. Spätere Geschäftsreisen führen ihn in alle Welt, wo er heute meist langjährige Geschäftsbeziehungen für seine Käsebohrer und vor allem für handgefertigte Klappmesser aus wertvollen Materialien wie Titan, Kohlefaser, Meteorit, Mammut-Elfenbein usw. unterhält.

Ausstellung im Schloss
In den vergangenen Jahrzehnten hat der umtriebige Messerspezialist zahlreiche Events organisiert und neue Trends zur Marktreife gebracht. Bis Ende April 2012 dauert die Ausstellung «Dr Hegu» im Schloss Burgdorf. «Die Idee zur dieser Ausstellung geht auf Horst Brunner zurück, einen der grössten Taschenmessersammler weltweit und in der Schweiz. Er hat eine Sammlung von mehreren 1000 Exemplaren zusammengetragen, die mehrfach unter dem Motto ‹Sackmesser wird Kult› in verschiedenen Landesteilen ausgestellt und schliesslich nach seinem Tod von Victorinox gekauft worden ist. Brunner war ein Kunde und Freund von mir. Es war vor Jahren meine Idee, die Messersammlungen von Brunner und mir gemeinsam auszustellen, was jetzt in den Museumsräumen Wirklichkeit geworden ist.»
Die fünf Generationen Klötzli haben in 165 Jahren Geschäftstätigkeit Unmengen Wanderbücher, Briefe, Geschäftspapiere, Rechnungen, Messermodelle, defekte Messer, Spezialmesser und vieles mehr zusammengetragen, was jetzt in den Museumsvitrinen zu begutachten ist. «So wird anschaulich dokumentiert, wie meine Vorfahren gearbeitet und sich jeweils dem Zeitgeschehen angepasst haben, wo sie Marktanteile generieren konnten und welche nicht mehr lohnenswerten Produkte sie aufgeben mussten.»

Nischenprodukte
Nach der Geschäftsübernahme 1972 erfolgt ein erster Auftritt an der Waffenbörse Neuenburg, gefolgt von regelmässigen Ausstellungen an Schweizer Börsen und Ausstellungen für Jagd, Sport und Freizeit. 1973 stösst HP Klötzli auf Scientology. «Das Studium und die Lebensverbesserungskurse dieser Philosophie haben mir geholfen, mein Potenzial zu erkennen und besser auszuschöpfen.» Er besucht seither regelmässig deren Kurse in der Schweiz und den USA.
1981 nimmt HP Klötzli die Herstellung handgemachter Jagdmesser (Unikate) auf, startet eine rege Reisetätigkeit in die USA und andere Kontinente und baut gezielt weltweite Geschäftsbeziehungen zum gehobenen Kundensegment auf. Seit 1982 bis heute ist Messer Klötzli bekannt für die Herstellung von teilweise handgemachten Messern wie Klappmesser, Überlebensmesser mit Hohlgriff, Kompass und Zubehör, Jagd- und Stiefelmesser und Schweizer Dolche. Seit Ende der 90er-Jahre besucht er regelmässig Messerfabriken im Orient und hat 1991 die Generalvertretung für hochwertige Messer aus den USA und Pakistan für die internationale Kundschaft auf allen Kontinenten übernommen.
Von 1981 bis 1986 gibt er zusammen mit Wolf Borger die Zeitschrift «European Blade», später «Das Messer» heraus. 1991 wird die Zeitschrift reaktiviert und erscheint als «Klötzli-Hauszeitung» zweimal pro Jahr.

Trends voraussagen
Die Reisetätigkeit inkl. Werkstatt- und Fabrikbesuchen in aller Welt dauern unvermindert an, der Messerschmied spürt Trends nach, bereitet sich auf neue Herausforderungen vor und hält die Nase in den Wind. «Man muss aus Burgdorf und der Schweiz hinaus, wenn man die Trends rechtzeitig erfassen will. Und diese nehmen mehrheitlich in den USA ihren Anfang. Hobby-Messer, Sammler-Messer, all das fing in Amerika an. Hollywood ist nach wie vor einer der grössten Trendsetter weltweit. Das Rambo-Messer hat den Freizeitmesser-Boom ausgelöst.» Klötzli kennt den Hersteller der sechs im Film verwendeten Rambo-Messer persönlich und kann später das letzte Original-Exemplar einem interessierten Käufer vermitteln.
Das seit Jahrtausenden verwendete Alltags- oder Jagdmesser geht bei Messer Klötzli in unzähligen Abwandlungen über den Ladentisch, sei es als Hobby-, Sport-, Sammler-, Zeremonie- oder Kultmesser usw. «Ich habe den Vorteil, dass Messer für den unterschiedlichsten Bedarf in meiner Schmiede hergestellt und nicht nur gehandelt werden. Das macht meine Position einzigartig.» Dank der seit Jahren anhaltenden Hobbykoch-Welle führt er seit einigen Jahren eine breite Palette an Küchenmessern der mittleren und obers­ten Preisklasse. Zudem bietet Klötzli weit über 300 verschiedene Scheren für jede mögliche Verwendung an. «Daneben garantieren wir den Service für alle Messer, die bei uns gekauft werden.»
Trotz erfolgter Pensionierung denkt HP Klötzli nicht ans Aufhören. «Nächs­tes Jahr wird unser Sohn Samuel zu 60 Prozent im Geschäft mitarbeiten. Wie es weitergeht, wird die Zukunft zeigen.»Gerti Binz

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