Geschichten «einatmen»

  26.03.2014 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

Am 27. März 2014 werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung im Künstlerhaus in München die Gewinner des 9. CNN Journalist Award sowie der «CNN Journalist of the Year 2014» bekannt gegeben. Eine Fachjury aus renommierten Journalisten hatte zuvor über die besten Einreichungen des journalistischen Nachwuchses aus Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmt. Ausgewählt wurden vierzehn Beiträge aus den Kategorien TV, Radio, Print, Online und Foto.

Unter den Nominierten ist auch ein Burgdorfer vertreten: Christof Gertsch wurde mit seiner Reportage «Im Kanal. Chips und Bier waren sein Leben: Bruno schwimmt im Ärmelkanal» über den Schwimmer Bruno Baumgartner in der Kategorie Print nominiert.

«D’REGION»: Wie sind Sie auf das Thema Ihrer Reportage gestossen? Wie finden Sie Ihre Geschichten?
Es handelt sich dabei tatsächlich um ein Finden, ein Daraufstossen. Normalerweise arbeite ich in der Tages-/Wochenpublikation, dabei stosse ich auf interessante Geschichten. Es ist also kein aktives Suchen, sondern ein zufälliges Auffinden von Themen, mit denen ich mich ohnehin beschäftige. Bei mir liegt der Fokus im Sport, da ist es naheliegend, auf ein solches Thema zu treffen.

In diesem Fall bin ich schon vor einem Jahr auf die Geschichte gestossen. Ich habe bereits für die «NZZ» einen Artikel über Bruno Baumgartner geschrieben, kannte ihn dadurch also schon. Da ich selber Schwimmer bin, haben wir uns gut verstanden und ich habe gemerkt, dass ich dieses Vorhaben gerne selber miterleben würde. Beim seinem zweiten Versuch habe ich ihn dann begleitet, um eine Reportage über seine Durchquerung des Ärmelkanals zu schreiben.

«D’REGION»: Wie haben Sie diese Reise und das Begleiten des Vorhabens erlebt?
Die gesamte Reise war sehr stark von Warten geprägt. Zunächst geht man nach Dover, dort wartet man dann auf günstige Bedingungen. Das Wetter muss stimmen, aber auch die Strömung und etliche andere Faktoren. Insgesamt haben wir etwa dreizehn Tage auf eine Möglichkeit, das Vorhaben zu realisieren, gewartet. Das hat die Reportage stark geprägt.

«D’REGION»: Sie schreiben nicht nur Reportagen, sondern auch tagesaktuelle Berichte für die «NZZ».
Für Reportagen ist es unerlässlich, dass man dabei ist. Je intensiver man sich mit dem Thema beschäftigt, desto besser. Das ist einerseits für den Autor selber sehr interessant, es ist aber auch für die Geschichte gut.

Dadurch, dass ich sowohl Reportagen als auch Tagesgeschehen verfolge, habe ich eine gute Mischung. Durch meine Arbeit am aktuellen Geschehen treffe ich auf Geschichten, die ich weiterverfolgen kann. Durch diese zwei Arbeitsweisen habe ich viel Abwechslung. Erst die Reportagen geben die Möglichkeit, etwas über längere Zeit zu beobachten und die Entwicklung zu verfolgen. Es gibt mir die Möglichkeit, eine Geschichte «einzuatmen». Wenn ich dann nach Hause komme, überlege ich mir, was an der Geschichte am präg-nantesten war. In diesem Fall war es das Warten. So etwas kriegt man erst mit, wenn man lange dabei ist.

Für die «NZZ» habe ich auch aus Sotschi berichtet. Hier schreibe ich einerseits über Dinge, mit denen ich mich schon länger beschäftige, andererseits muss auch sehr schnell geschrieben werden, weil die Ergebnisse sofort veröffentlicht werden müssen. Das ist eine ganz andere Arbeitsweise.

«D’REGION»: Wie kamen Sie zum Journalismus?
1997, als ich fünfzehn Jahre alt war, habe ich begonnen, für das «Burgdorfer Tagblatt» zu schreiben. Ich war damals im Schwimmclub Burgdorf und die Verantwortlichen haben nach jemandem gesucht, der ab und zu Berichte über den Club und Wettkämpfe verfassen könnte. Danach habe ich auch für die «Berner Zeitung» einige Artikel zur Schwimmwelt verfasst. Erst später kam ich dann zur «NZZ», aber ebenfalls übers Schwimmen.

«D’REGION»: Durch den Schwimmsport zum Journalismus, nun für einen Artikel über einen Schwimmer für einen Preis nominiert! Schwimmen scheint ein roter Faden in Ihrem Leben zu sein...
(Lacht) Ja, das stimmt wohl!

«D’REGION»: Was bedeutet die Nomination für Sie?
Ich habe den Artikel selber eingereicht, hätte aber nie mit einer Nomination gerechnet. Normalerweise werden bei Journalisten-Awards eher Artikel oder Berichterstattungen nominiert, die sich mit relevanten politischen Themen befassen. Also beispielsweise in Kriegsgebieten spielen, wo es schon nur bemerkenswert ist, dass der Journalist die Geschichte überhaupt erzählen konnte. In meiner Kategorie Print gibt es noch zwei weitere Nominierte: Einer hat sich mit einem Drohnenpiloten in Amerika befasst, der Bomben per Joystick über Afghanistan abwarf. Der zweite Nominierte hat sich mit Alzheimerpatienten in amerikanischen Gefängnissen befasst und damit, wie mit diesen Personen umgegangen wird. Um die Problematik zu lösen, wurden Insassen zu Pflegern ausgebildet. Auch hier ist bemerkenswert, dass der Journalist überhaupt ins Gefängnis gelassen wurde, um die Reportage zu verfassen. Mein Thema ist etwas gewöhnlicher, die Nomination hat mich umso mehr überrascht. Aber natürlich freue ich mich sehr darüber.

Interview: Jasmin Welte

 


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