Tiefer Griff in die burgerliche Geldschatulle

  16.05.2015 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

In der Bevölkerung, bei Institutionen, Vereinen und Künstlern in Burgdorf und Umgebung ist man sich einig: Das Casino Theater gehört zu Burgdorf, zum Kirchbühl in der Oberstadt. Trotzdem blickt die weitherum bekannte und beliebte Kulturinstitution im Gegensatz zu umliegenden Häuserzeilen nicht auf eine für die Zähringerstadt übliche lange Geschichte zurück.

Anfangs nur Schauspieltruppen
Wie der heutige Honorarprofessor an der Uni Bern Dr. Jürg Schweizer, Kunsthistoriker und bis 2009 Denkmalpfleger des Kantons Bern, in seinem Werk «Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, die Stadt Burgdorf», schreibt, treten erst seit dem frühen 19. Jahrhundert regelmässig Schauspieltruppen in Burgdorf auf. Anfänglich im Salzhaus, nach 1857 im zweiten Stock der Marktlaube. Auch im Stadthaus- und Metzgersaal finden Vorstellungen statt. Im Jahr 1872 erfolgt die Institutionalisierung des Theaters durch die Gründung der Casinogesellschaft. Es werden Aktien herausgegeben mit dem Ziel, ein Gesellschaftshaus und Theater zu bauen.

Ende April 1872 genehmigt die Casino­gesellschaft das Projekt von Alfred Schaffner mit Kosten von 120 000 Franken in der letzten Baulücke des Stadtbrandes von 1865 am Kirchbühl. Ende November 1872 feiert man Aufrichte, Ende 1873 wird das Haus eröffnet, doch erweist sich der Gesellschaftshaus-Betrieb als finanzielles Fiasko. 1930 geht die Liegenschaft an die Casino Theater AG über, die nach Plänen von Ernst Bechstein sen. das Gebäude auskernen, aufstocken und die Inneneinrichtung vollständig modernisieren lässt.

Schweizer attestiert dem Casino Theater als «erstem selbständigen Theaterbau des 19. Jahrhunderts im Kanton Bern – mehr als 30 Jahre vor der Hauptstadt – eine typengeschichtliche Bedeutung» und bezeichnet es «nicht nur als ein Hauptwerk Schaffners, sondern als eine der anspruchsvollsten Bauten der Wiederaufbauphase nach dem verheerenden Stadtbrand von 1865, wobei die Fassade Neurenaissance-Elemente enthält».

2,9 Millionen Franken fehlen
All diese Details sind den Verantwortlichen des geplanten Um- und Ausbaus des Casinos sicher bekannt, die ihr Umbauprojekt mit Kosten in Höhe von 10,5 Mio. Franken seinerzeit zusammen mit der Renovation der Markthalle der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Vor drei Jahren hat dann die Burgergemeinde-Versammlung einstimmig einen Kredit von drei Millionen Franken für die Sanierung des Casino Theaters gesprochen. Dies auf der Basis einer damaligen, vom Casino-Verwaltungsrat erstellten Kostenschätzung von 10,5 Mio. Franken. Doch die Zeit vergeht, immer mehr Unvorhergesehenes taucht auf, Vorschriften werden verschärft und die Lage entsprechend heikler.

An der Generalversammlung der Casino Theater AG vom November 2014 informiert der Verwaltungsrat, dass sich die neu eruierten Kosten auf 13,4 Mio. Franken belaufen, was eine Finanzlücke von 2,9 Mio. Franken ausmacht. Diese Zahlen basieren auf jetzt vorliegenden, detaillierten Voranschlägen der einzelnen Sparten. Die Mehrkosten seien auf «Anforderungen der Denkmalpflege, Theatertechnik und des Schallschutzes» zurückzuführen, welche im Stadium der Kostenschätzung «noch nicht oder nicht im heute bekannten Ausmass erkennbar gewesen waren», sowie auf die seit 2007 erfolgte Erhöhung des Baukostenindexes sowie der Mehrwertsteuer. Ausserdem sei der in der Kostenschätzung aufgeführte Posten «Reserve» zu tief angesetzt gewesen.

Stehen in der Pflicht
In den Abstimmungsunterlagen zur Kreditsprechung führt der Burgerrat auf, dass auch das Betriebsbudget des Casino Theaters seit 2009/10 verschiedene Änderungen erfahren hat: «Es wurde seinerzeit zu knapp bemessen und entspricht nicht mehr den gestiegenen Anforderungen an einen modernen Theaterbetrieb. Das jetzt vorliegende Budget enthält auch die nötigen Abschreibungen, Verzinsungen und Rückstellungen und erlaubt daher eine Fortführung des bereits erfolgreich eingeschlagenen künstlerischen Weges», heisst es. Gemäss den Richtlinien des neuen kantonalen Kulturförderungsgesetzes muss trotz den zu erwartenden Subventionen mit einem jährlichen Defizit von 410 150 Franken gerechnet werden. «Aufgrund der Beteiligungsverhältnisse an der Ca-
sino Theater AG stehen die Stadt Burgdorf und die Burgergemeinde in der Pflicht, diesen Betrag zu übernehmen, damit nach der Sanierung ein erfolgreicher Theaterbetrieb gewährleistet ist», steht in der burgerlichen Botschaft an die Versammlung vom 27. Mai 2015.

Entsprechend wird die Burgergemeinde-Versammlung über eine Krediterhöhung um 1,5 Mio. Franken auf maximal 4,5 Mio. Franken (statt ursprünglich 3 Mio. Franken) für die Sanierung des Casino Theaters abstimmen. Weiter steht zur Abstimmung die Genehmigung eines auf vorläufig vier Jahre ab Abschluss der Sanierungsarbeiten befristeten, jährlich wiederkehrenden Beitrages von neu maximal 200 000 Franken an die Kosten des Theaterbetriebs.

 Gerti Binz


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