Vernünftige Lösungen innert zwei Stunden

| Fr, 22. Mai. 2015

BURGDORF: Reich befrachtet war die Traktandenliste an der letzten Stadtratssitzung. Die Velo- und Mofa-Abstellplätze beim Bahnhof Burgdorf wurden von den Anwesenden ebenso diskutiert wie die Einführung einer Hauptschulleitung für die Burgdorfer Schulen. red

Die Traktandenliste sieht abendfüllend aus, ist es aber nicht. In der Kürze liegt die Würze oder der Frühlings-abend ist zu schön, um zu streiten. Die Informationen von Stadtratspräsident Bruno Rosser beschränken sich auf seine offiziellen Auftritte, den Stadtratsausflug im Herbst und den kommenden Wirtschaftsapéro. Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch teilt mit, dass die Bevölkerung im August nochmals über das Projekt Jugendherberge im Schloss informiert wird.

400 000 Franken zu viel
Die Kreditabrechnung für die Realisierung der Bike & Rail-Anlagen (B & R) beim Bahnhof Burgdorf (Seite Bern und Olten) mit Bruttokosten für die Stadt Burgdorf von 468 700 Franken (Minderkosten brutto 406 080 Franken) und Nettokosten von 281 200 Franken gibt zu reden und wird dennoch vom Rat genehmigt. Stefan Berger als Sprecher der Geschäftsprüfungskommission (GPK) rügt die «etwas unübersichtliche Abrechnung, da der Stadtrat seinerzeit andere Summen als nun aufgeführt bewilligt hat.» Berger ersucht, künftig genauere und übersichtlichere Abrechnungen vorzulegen. Der zuständige Gemeinderat Martin Aeschlimann erklärt die geringere Summe mit «Interessenkonflikten mit der SBB, da in reduziertem Umfang gebaut und entsprechend weniger Geld verbaut worden ist.»

Von dem im März 2009 durch den Stadtrat bewilligten Kredit sollten ursprünglich 618 Velo- und Mofa-Abstellplätze realisiert werden. Nach dem erwähnten Interessenkonflikt mit der SBB und dem neu geplanten Bushof müssen neue Standorte gesucht und ein unabhängiges Projekt für einen Solitärbau erarbeitet werden. Der Gemeinderat schreibt in seiner Botschaft, dass «die Velostation einschliesslich der darin enthaltenen bewachten 200 Plätze für Velos und 100 für Herzrouten-Flyer über einen neuen Investitionskredit finanziert worden ist». Die Ende 2013 eingeweihte Velostation verzeichnet eine gute Auslastung. Die zwei B & R-Anlagen sind planmässig realisiert worden. Auf der Berner Seite sind 186 statt 194 Plätze gebaut worden, auf der Seite Olten 208, welche alle stark ausgelastet sind. Auf der Nordseite des Bahnhofs schätzt der Gemeinderat die Zahl der fehlenden Abstellplätze für Velos auf rund 300 und verhandelt mit den Eigentümern des Schlössli-Areals über einen möglichen Standort.

Gehässige Kommentare
Geraume Zeit vor der Stadtratssitzung branden Wellen der Empörung durchs Internet und gegen das Rathaus. Ursache ist die von nicht wenigen Seiten bemängelte «wahrscheinlich bzw. vielleicht schon vergebene und nicht wie gesetzeskonform vorgeschrieben nach der Genehmigung der Reglementsänderung öffentlich ausgeschriebene neu geschaffene ‹Stelle einer Hauptschulleitung› für die Burgdorfer Schulen».

So weit so unbewiesen, wie sich in der anschliessenden Diskussion zeigt. Ratspräsident Rosser fordert vor Voten und Diskussion zu Fairness auf; die Mails im Internet seien teilweise jenseits von Anstand und Niveau. Eigentlich soll der Stadtrat Änderungen im Reglement über die Volksschule und schulergänzende Angebote vorgängig genehmigen, aber die gut bezahlte Stelle einer Hauptschulleitung wird bereits am 2. März 2015 erstmals öffentlich publiziert.

Fehlendes Fingerspitzengefühl
GPK-Sprecher Berger bestätigt, dass die Kommission einen möglichen Reformbedarf sieht, der jedoch nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. «Das Geschäft ist politisch zu betrachten. Ob es in dieser Form korrekt ist, darüber lässt sich streiten. Der Gemeinderat hätte wissen müssen, wie sich sein Vorgehen im Stadtrat auswirkt. Der intensive Mailverkehr beweist die Problematik des Geschäftes.»

Der zuständige Gemeinderat Andrea Probst kommt auf die siebenjährige Vorgeschichte zu sprechen und begründet die Notwendigkeit dieser Hauptschulleitung und ersucht, «nicht über Kompetenzen zu streiten, wenn man ein Geschäft von zwei Seiten betrachten kann.»

Hörbares Zähneknirschen
Namens der FDP bemängelt Thomas Grimm, dass seine Partei nicht des lieben Friedens willen Ja stimme, um einen Scherbenhaufen zu vermeiden. «Der Gemeinderat hat die Stelle am Stadtrat vorbei ausgeschrieben, sodass nur Interne zum Zug kommen sollten, keine externen Bewerber.» Die Rede ist von «wahrscheinlich missachteter Ausstandspflicht der Kommissionsmitglieder, persönlichen Interessen, Bananenrepublik usw. Der Gemeinderat muss seine Lehren ziehen.» Probst weist alle Vorwürfe mit Begründungen und Erläuterungen zurück.

Auch Daniel Beck äussert sich namens der SVP «sehr erstaunt über die seinerzeitige Stellenausschreibung mit erheblichen Salärkosten, da die finanzielle Situation von Burgdorf als angespannt bezeichnet werden muss.» Er fragt, ob die Mehrkosten wirklich einen Mehrwert generieren. Urs Geiser (SP) bittet zu Beginn seines Votums um eine längere Redezeit, da er als Sprecher der Volksschulkommission (VSK) auftrete und dem Rat aufzeigen wolle, warum die VSK eine Professionalisierung der Führungsstruktur für richtig, nötig und erfolgversprechend hält. «Wichtige Akteure im Schulwesen sind heute überlastet.»

Mal gut, mal schlecht
Urs Geiser fordert, «in die geschmähte Bildungsbürokratie zu investieren, die genug Mittel braucht». Die Mitglieder der Volksschulkommission sind alle gefordert, bisweilen überfordert. Das jetzige System sei ein Schönwettermodell, das an seine Grenzen stosse, wenn es zum Beispiel zwischen einer Schulleitung und Lehrpersonen «kracht». «Wir müssen vorbereitet sein.»
Michael Ritter (GFL) spricht sich gegen die neue Stelle aus: «Die Nachteile überwiegen. Die zusätzlichen Ressourcen kommen zu wenig im Schulwesen an, dabei wären basisnahe Reformen nötig.» Er kritisiert die «Verbürokratisierung» der Schule und den neuen Arbeitsplatz, da dieser nicht in einer Schule, sondern in einem Verwaltungsbüro sei. «Die Nähe zur Schule fehlt.»

Laut Gemeinderat ist bei der zu schaffenden neuen Stelle (70-Prozent-Pensum) mit Mehrkosten von rund 45 000 Franken (nach Wegfall anderer Ausgaben und diversen Einsparungen) zu rechnen. Der Stadtrat genehmigt die Stelle deutlich mit 26 Ja gegen 7 Nein und 4 Enthaltungen. Sämtliche Änderungen im Volksschulreglement passieren ebenfalls. Der Beschluss unterliegt dem fakultativen Referendum, wenn bis 13. Juli mindestens 300 in Burgdorf Stimmberechtigte eine Abstimmung verlangen.

Noch Details zu den Abstellplätzen
Der Auftrag von Francesco Rappa (BDP) betreffend Anpassung von Art. 14 des Personalreglementes «Bekämpfung der Lohnschere der Stadtangestellten mittels sukzessiver Angleichung der Löhne mithilfe der höchsten Lohnklassen» wird abgelehnt. Die von Tobias Kälin und Michael Ritter (GLP) eingereichte Interpellation betreffend Schulsozialarbeit wird vom Gemeinderat als «weiterhin gut» beurteilt und begründet. Das gleiche gilt für die SP-Interpellation betreffend Umbau und Betrieb der Casino Theater AG sowie für eine betreffend Velo-Abstellplätze Hauptbahnhof Burgdorf Nord. Die Interpellanten bezeichnen die verschiedenen Stellungnahmen als befriedigend. Das Gegenteil ist bei der SP-Interpellation betreffend weibliche Genitalien-Verstümmelung der Fall.

Die Aussicht auf zusätzliche Velo-Abstellplätze an der Bahnhof Nordseite wird Freude auslösen. Schon vor Jahren wird rund um den Bahnhof ein Bedarf von ca. 1000 Velo-Abstellplätzen ausgewiesen, 831 geschützte und ungeschützte Plätze (teils im Gras) existieren heute. Da die Pendlerzahlen in den vergangenen sechs Jahren um rund neun Prozent gestiegen sind, dürften heute nicht nur 170 Plätze, sondern weitaus mehr fehlen. Da die Platzverhältnisse auf städtischem Boden eingeschränkt sind, versucht die Stadt Burgdorf «den Neubau einer gedeckten Velo-Abstellanlage im Rahmen der Areal-Entwicklung Schlössli voranzutreiben».

Gerti Binz

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