Mit viel Herzblut in die Zukunft

  28.06.2015 Aktuell, Burgdorf

Immer mehr Personen nehmen im Saal des Luderhofes Platz und werfen erste Blicke auf die delikaten Platten des Brunches. Beim Essen gehen die Gedanken zurück zum 8. Mai 1989, als Hans Ulrich Joss, Utzenstorf, und Hans Luginbühl, Wiler, die kleinen Flugblätter «Selbsthilfegruppe Herzblut» an Ärzte und alle, die mit Herzpatienten zu tun haben, verschicken.

Nicht gewinnorientiert
Wesentlich zur Gründung beigetragen hat auch Sandra Blatter aus Burgdorf, die gemäss Chronik «mit ihrer welschen Dynamik das Projekt massgeblich vorwärts gebracht und den Physiotherapeuten Wolfram Riegger für eine Mitarbeit gewinnen kann». Sandra Blatter war eine der vier Personen (dazu gehörte neben den zwei oben angeführten noch François Langenberger, Alchenflüh), die sich 1989 im Rehabilitationszentrum Gais aufhalten und von ihrem Arzt motiviert werden, zu Hause eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Sie habe als Geburtshelferin der SHG gewirkt, lobt die heutige Präsidentin Lisbeth Claudon, die sich über das zahlreiche Erscheinen der SHG-Mitglieder und deren Familien freut und betont, dass der Verein «nicht gewinnbringend und selbsttragend tätig ist, nicht subventioniert wird und der Vorstand ehrenamtlich wirkt.»
Ab 4. Mai 1990 fungiert der SHG als privatrechtlicher Verein unter dem oben angeführten Namen mit dem Zweck, Langzeiterkrankten ein Programm mit gemeinsamem Turnen unter professioneller Leitung anzubieten und sie im gelegentlichen Wandern, Schwimmen, Sauna, Langlauf und auf Velotouren zusammenzuführen.
Seit 1989 steht der erfahrene Kardiologe Dr. med. Res Zbinden dem Verein zur Seite, ab Herbst 2002 übernimmt Dr. med. Max Hilfiger (Kardiologie, innere Medizin) diese Aufgabe. Verzeichnet der SHG zu Beginn 17 Mitglieder, sind es 1994 schon deren 24 und vier Betreuer/innen. Ab 1997 verzeichnet der Verein 51 Aktivmitglieder, vier Therapeutinnen und einen Arzt. 2015 sind 128 Mitglieder und zwölf Therapeut/innen verzeichnet, die ärztlichen Ratschläge gibt Dr. Hilfiger.

Aus Spass und der Gesundheit zuliebe
Wer sich heute in seiner Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis umhört, stellt schnell einmal fest, dass die Selbsthilfegruppe eigentlich mit Beitrittsgesuchen überhäuft werden sollte. Für viele Mitmenschen trifft nämlich zu, an wen sich laut Flugblatt die Einladung zum Mitmachen richtet: Die Zielgruppe sind Herzpatienten und -patientinnen nach der Rehabilitationsphase sowie solche mit chronischen Beschwerden des Bewegungsapparates, jeweils mit Einverständnis ihres Arztes. Weiter alle Personen, denen bisherige Turn- und Gymnastikgruppen zu einseitig und zu leistungsbezogen arbeiten. Die Turnabende finden am Mittwoch und Donnerstag statt, das Therapiebad am Dienstag (32 Grad) im SAZ-Hallenbad. Letzteres dient der Erhaltung der Beweglichkeit sowie wenn möglich deren Steigerung durch Kondition, Geschicklichkeit und Dehnübungen. Die Gruppenbetreuung erfolgt durch diplomierte Therapeuten.

Pionierrolle in der Schweiz
Immer wieder stellt die Crew des Luderhofes weitere Plattten mit Köstlichkeiten für die hungrigen Gäste in die Kühlregale; alle greifen herzhaft zu. «Heute darf einmal nach Herzenslust geschlemmt werden», sagt einer und legt drei Scheiben Schinken auf seinen Teller. Sonst bediene er sich mehrheitlich mit Käse und Gesünderem wie Obst. Inzwischen ist der sehnlichst erwartete Gast Päuli aus Langnau i. E. mit seinem mit zahlreichen Kuriositäten vollbepackten Velo in den Saal gekommen, wo er die Anwesenden als Austräger eines Blumenladens aufs Beste unterhält. Seine Sprüche sind köstlich, seine Lieder animieren zum Mitsingen, und der in mühevoller Handarbeit wider Erwarten doch noch üppig gebundene Blumenstrauss für Wolfram Riegger wird diesem als Leiter des Therapeutenteams schliesslich unter grossem Applaus überreicht.
Später erläutern die Präsidentin und Riegger die Situation im «Therapie-Entwicklungsland Schweiz, als es vor 25 Jahren für Herzpatienten absolut keine Langzeitbetreuung gab und die heilungsbringende Wirkung von Bewegung völlig ausser Acht gelassen wurde». Schon bald nach der Gründung werden die Teilnehmer in die Gruppen Herz/Kreislauf und Rücken/Gelenke aufgeteilt, wobei in jeder Gruppe 12 bis 15 Personen pro Lektion unter der Leitung von qualifizierten Therapeuten (Physio, Ergo, Sport, Herz) in der Turnhalle oder im Hallenbad mitmachen. Anschliessend gehen die Teilnehmer meistens zusammen noch aus, die Geselligkeit auf ganz verschiedenen Ebenen (Vorträge, Besichtigungen usw.) ist ein wesentlicher Punkt der Treffen. Derzeit bestehen zwei Seniorengruppen, vier Badegruppen, eine Gelenk- und Rückengruppe, drei Herz-/Kreislaufgruppen. «Wir sind die grösste und älteste solche Selbsthilfegruppe der Schweiz», betonen beide.

Gerti Binz


Auskünfte Gertrud Bracher, Wynigenstr. 8, 3400 Burgdorf, Telefon 034 422 02 92; E-Mail gertrud.bracher@bluewin.ch


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