Brennen könnte es – aber nicht so verheerend

  26.08.2015 Aktuell, Kultur, Burgdorf, Gesellschaft

Das vergangene Wochenende ist angenehm warm, aber keinesfalls so drückend heiss wie am 21. Juli 1865 kurz nach Mitternacht, als der aufkommende «Emmeluft» nicht nur Abkühlung bringt, sondern einen ausbrechenden Brand in ein Inferno verwandelt. 2015 flanieren gemäss Schätzung von Urs Lüthi, Leiter Einwohner- und Sicherheitsdirektion, mehrere Tausend Besucher allen Alters durch die Strassen der Oberstadt und erleben bei Einbruch der Nacht eine audiovisuelle Inszenierung der Brandstätten.

Schaurig-schön
Von der grossflächig «brennenden» Schmiedengasse über alle Quer- und Seitenstrassen bis hinauf zum lichterloh «brennenden» Kirchbühl können sich alle in diesen Strassen ein Bild machen, wie sich die Altstadt in kürzester Zeit in eine Feuerhölle verwandelt hat. Visuelle Flammen zucken über die Hausfassaden, die Geräuschkulisse bilden das Knistern und Lodern der Brände. Zahlreiche Löschgeräte des 19. Jahrhunderts wie Spritzen, an denen vier kräftige Männer pumpen müssen, und weitere Löschgeräte vermitteln ein Bild von den unzureichenden Möglichkeiten, um einen solchen Grossbrand wirkungsvoll zu bekämpfen. Die historischen Leihgaben haben verschiedene Wehrdienste für den zu simulierenden Grossbrand nach Burgdorf ausgeliehen. «Damals bildeten Männer und Frauen lange Menschenketten zum Brandherd, um Ledereimer mit Wasser von Hand zu Hand weiterzureichen. Ein schier aussichtsloses Unterfangen, wenn eine ganze Stadt brennt», erklärt ein historisch gewandeter Feuerwehrkommandant.

Von der Schmiedengasse bis zum Kirchbühl fallen 48 Häuser dem Brand zum Opfer, Hunderte verlieren Hab und Gut sowie ihre Unterkünfte. Das Publikum diskutiert 2015 unter dem Eindruck der lodernden Flammen diese Umstände und kommt auf die eindrucksvollen Tanklöschfahrzeuge und anderes zeitgemässes Material – aufgereiht im Graben – zu sprechen, das der heutigen Feuerwehr zur Verfügung steht. «Brennen kann es immer wieder, aber nicht mehr mit diesen Schäden», sind sich die Besucher einig. Und klettern in all die Fahrzeuge der Blaulicht-Organisationen (Feuerwehr, Zivilschutz, Kantonspolizei, Spital-Sanität, Samariterverein, Gebäudeversicherung), die hautnah zu besichtigen sind. In ihrer Eröffnungsrede spricht Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch von den «Helden» dieser Organisationen, die sich uneigennützig für die Allgemeinheit einsetzen. Auch Urs Lüthi weist in seiner Rede auf die wertvolle Freiwilligenarbeit der vorgenannten Institutionen hin, die immer Nachwuchs suchen.

Für jedes Alter
«Kein Brandfest oder Festbrand, sondern ein Gedenkanlass für die ganze Familie», lautet das vielseitig inszenierte Motto für dieses Gedenkwochenende in der Burgdorfer Oberstadt. So können die Kleinen auf der Gebrüder-Schnell-Terrasse mit einem echten Feuerwehrschlauch auf ein Papphaus mit «brennenden» Fenstern und Türen zielen, die – nachdem genau getroffen – nach innen kippen, bis keine Flammen mehr zu sehen sind. Im Graben kann man eine Gummipuppe wieder­beatmen, an der Kreuzung vor der Stadtbibliothek hat sich ein schwerer Unfall mit Personenschaden ereignet; die Opfer sind noch eingeklemmt und müssen vor zahlreichem Publikum geborgen werden. Die Älteren erfahren an einer der zahlreichen Führungen Wissenswertes über die verheerende Brandnacht und den Wiederaufbau mit Verbesserungen der Bausubstanz und des Brandschutzes sowie die zahlreichen «Liebesgaben» (Spenden), die aus dem In- und Ausland in Burgdorf eintrafen. Im Schloss wird gratis eine «brennende» Sonderausstellung gezeigt.

Da Hitze hungrig und durstig macht und das vielfältige kulturelle Rahmenprogramm besser gut verpflegt zu bewältigen ist, können sich die Wirte sowie der Zivilschutz, das Füürwehrchörli und die Feuerwehr über eine grosse Gästeschar freuen. Und dann bietet sich noch die einmalige Gelegenheit, das ganze Fest sowie die Stadt von oben zu betrachten: Drei Autodrehleitern mit rund 30 Metern Höhe befördern das Publikum kostenlos nach oben – und wieder zurück auf sicheren Boden.

Gerti Binz


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