Peter Oldani kann ohne Strom nicht leben

| Sa, 23. Jul. 2016

BURGDORF: Der rüstige Senior Peter Oldani kommt auch 16 Jahre nach der Pensionierung nicht vom Strom los. Nach seiner Pensionierung hat er in über 1000 Arbeitsstunden eine ausrangierte alte Telefonzentrale mit Hebdrehwähleranlage in eine Demoanlage umgebaut. red

Peter Oldani, Jahrgang 1935, sitzt in seinem 1962 mehrheitlich selber gebauten, schmucken Einfamilienhaus im Meiefeld und erzählt von vergangenen Zeiten. «Der Beruf eines Elektromonteurs stand anfangs nicht zur Debatte; der Berufsberater schlug Coiffeur oder Bäcker / Konditor vor. Mein Vater stellte klar: ‹Das kommt keinesfalls in Frage, lerne Kunststeinhauer. Dann kannst du mal am Berner Münster mitarbeiten.› Auch das war nicht nach meinem Geschmack. Schliesslich konnte ich entsprechend meinem Wunsch Elektriker lernen.» Nach seiner Pensionierung hat er in über 1000 Arbeitsstunden eine ausrangierte alte Telefonzentrale mit Hebdrehwähleranlage in eine Demoanlage umgebaut.

Handwerkliche Fähigkeiten
Dann schmunzelt Oldani und sieht seine neben ihm sitzende Ehefrau Irene an: «Eigentlich war ich in verschiedenen Berufen tätig, wenn ich mich hier im Haus umsehe. Ich habe alle Schreinerarbeiten selber ausgeführt – das Haus weist sehr viel Holz auf – und die Küche selber eingebaut, habe jedes Einbaumöbel selber geschreinert, die Parkett- und Plättliböden verlegt, alle elektrischen Installationen erledigt, selber gestrichen und tapeziert; unser Haus ist ‹family hand made›. Nur für die Sanitärinstallationen habe ich konzessionierte Kollegen beigezogen.»

Ehefrau Oldani bestätigt die aussergewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten ihres Mannes: «Er kann fast alles selber machen und das dann enorm exakt und funktionell.» Als entsprechend befriedigend hat er seinen Beruf als Elektromonteur empfunden, «denn der ist sehr abwechslungsreich. Während früher die Systeme rund 20 Jahre gleich geblieben sind, änderten die Anwendungsbereiche im Verlauf der nächsten Jahrzehnte in immer schnelleren Abständen. Das ging so weit, dass plötzlich alle drei Jahre und später praktisch jedes Jahr Neue­rungen auftraten, gelernt und angewendet werden mussten.»

Lebenslanger Lernprozess
Oldani bestätigt, dass er «eigentlich ein Leben lang Fortbildungsprogramme absolviert hat. Das war für mich enorm spannend, ich habe das gerne gemacht.» Während seiner letzten Berufsjahre habe er vor allem mit Telefonzentralen für Eisenbahn- und Elektrizitätswerksysteme zu tun gehabt.

«Das sind sehr komplexe Systeme», blickt er zurück. «Aber es war immer machbar. Manchmal hat es ein wenig gedauert, bis alles so funktionierte, wie es sollte, aber zum Schluss konnte jedes Problem gelöst werden. Und bei solcher Arbeit habe ich mich wirklich wohlgefühlt.» Von der mechanischen bis zur digitalen Zentrale muss er sich mit insgesamt sieben verschiedenen Systemen vertraut machen. «Besonders die Eisenbahn- und Elektrizitätswerkzentralen waren sehr komplexe Anlagen und gehörten in den letzten Jahren bis zur Pensionierung zu meinem Wirkungsfeld.»

Oldani hat nach seiner Lehre bei der Elektrofirma Paul Hirschi in Burgdorf von 1955 bis zu seiner Pensionierung nach 41 Jahren bei der Firma Siemens-Albis Zürich AG gearbeitet, wo er seine Arbeit geschätzt hat und selber auch «wirklich geschätzt worden ist», denn die Montage und das Prüfen von Haus-telefonzentralen hat für ihn ein sehr interessantes Wirkungsfeld dargestellt.

Bis zu 100 000 Anschlüsse
«Die wirklich anspruchsvollen Arbeiten sind meistens bei mir gelandet», blickt er zurück. «Das hat mich mit Stolz erfüllt und immer angespornt. Es war bisweilen Fantasie und Fingerspitzengefühl gefragt, aber davon hatte ich ja genügend. Sehr oft waren Nachtübungen angesagt. Während früher die alten Systeme über längere Zeit im Werk getestet wurden, bevor sie auf den Montageplatz kamen, mussten diese Aufgaben bei den neueren Anlagen direkt vom Kunden übernommen werden. «Und da sind nicht wenige Fehler und Pannen passiert, die wir dann so schnell und gründlich wie möglich beheben mussten», blickt Oldani zurück.
Während seiner Arbeitszeit hat er mit beiden Typen von Telefonzentralen zu tun, die Siemens-Albis herstellt: einerseits die Amtszentralen für die PTT (jetzt Swisscom) und andererseits die Haustelefonzentralen für kleine Firmen, Banken, Spitäler bis Grosskonzerne. Bei diesem System können von 100 bis zu 100 000 Teilnehmer angeschlossen werden. «Das alles muss installiert und gewartet werden», erklärt Fachmann Oldani, «und dabei stand ich im Einsatz.» Neben dem Swisscom-Festnetz sind zwei weitere Telefonnetze in Betrieb: das der Schweizerischen Eisenbahnen und das der Schweizerischen Elektrizitätswerke. Beide verfügen über ein national flächendeckendes automatisches Telefonnetz von hohem, professionellem Standard.

Geschichtliche Entwicklung
Oldani erklärt die Entwicklung des Telefons von den Anfängen bis zur heutigen Technologie, die sich noch immer in rasanter Weiterentwicklung befindet. Besonders angetan haben es ihm die Hebdrehwählerzentralen (nach Strowger), von denen die erste 1912 bei der Basler Lebensversicherungsanstalt als Haustelefonzentrale installiert worden ist. Grosse Bewunderung empfindet er für die Lebensgeschichte dieses Telefonpioniers. «Nach diversen Berufen, unter anderem als Landschullehrer, gehörte Almon Brown Strowger (1839–1902) Ende des 19. Jahrhunderts in Kansas City ein Bestattungsunternehmen. Angeblich soll er sich derart über die Handvermittlung geärgert haben, da seiner Meinung nach in der Telefonzentrale Kunden, die ihn für eine Beerdigung wünschten, an die Konkurrenz weitergeleitet worden sind, dass er dem ein Ende setzen musste. Er tüftelte ab 1888 so lange, bis er ein automatisches Telefonvermittlungssystem gefunden hatte, das er am 10. März 1891 unter der US-Patent-Nr. 447 918 patentieren liess. Angeblich bestand sein erstes Modell aus einer runden Kragenschachtel und einigen Sticknadeln.

Erste Anlage 1892
Den Annalen ist zu entnehmen, dass Strowger zwar die Idee gehabt, aber mit Fachleuten zusammengearbeitet hatte, die sich mit der Elektrizität auskannten und das Geld besassen, um diese Ideen zu verwirklichen. Gemeinsam gründen sie die «Strowger Automatic Telephone Exchange Company». Diese installiert die weltweit erste kommerziell eingesetzte automatische Vermittlungsstelle in La Porte, Indiana USA, die am 3. November 1892 mit 75 Teilnehmern und einer Kapazität für 99 feierlich in Betrieb genommen wird. Im Lauf der Jahre entwickeln die Ingenieure Strowgers Entwürfe weiter und lassen sie patentieren.
1901 erwirbt die Deutsche Reichspost Rechte an den Patenten Strowgers. 1907 übernehmen «Siemens & Halske» die Fabrikation. 1908 wird die erste Vermittlung mit Wählbetrieb in Europa mit 900 Teilnehmern in Betrieb genommen. 1912 läutet bei der Basler das erste Telefon mit Strowger-Vermittlungssystem auf Schweizer Boden.

Erhalten statt verschrotten
Laut Oldani beginnt die Produktion der Hebdrehwähler nach Strowger um 1935 und wird bis Mitte der Sechzigerjahre ständig verbessert und modifiziert. Dann wird sie durch das neue Motorwählersystem abgelöst. Forschung und Entwicklung dieser Technologie gehen rasant weiter, immer mehr Systeme kommen in kürzester Zeit auf den Markt. Sämtliche alten Telefonzentralen werden infolge der neuen Systeme ausgewechselt und landen ausnahmslos beim Schrotthändler.
Ihm blutet das Herz, er findet: Eine dieser alten Anlagen muss man der Nachwelt erhalten. Es bleibt nicht bei der Idee. 1990 ergibt sich im Bahnhof Grindelwald die Gelegenheit, eine kleine Zentrale vor dem Schrotthändler zu retten und nach Burgdorf zu transportieren. Ihm schwebt vor, diese nach seiner Pensionierung in eine funktionsfähige Demonstrationsanlage umzubauen. Verwirklichen kann er seinen Traum erst im Jahr 2013.

Über 1000 Arbeitsstunden
Bei der Demonstration seiner Anlagen in Keller und Garage wird es technisch: «Die ursprüngliche Bahnhofzentrale musste reduziert, das heisst die Gestelle von zwei auf eineinhalb Meter gekürzt werden.» Alle Relaisschienen und Wähler, die für das Demoprojekt nicht gebraucht werden, lötet oder baut Oldani heraus. «Eine sehr arbeitsintensive Zeit», erinnert er sich. «Die Originalanlage war mit zweistelliger Wahl in Betrieb, was eine Nummerierung von 00 bis 99 bedeutet hat. Die Demoanlage verfügt neu über eine dreistellige Nummerierung von 000 bis 999. Der Funktionsablauf ist interessanter. Es handelt sich um ein Schrittschaltsystem nach dem Prinzip des alten Strowger-Wählers (Gestell a: Wählergestell), enthält 10 VW (10 Teilnehmer), 3 GW (Gruppenwähler) und 3 LW (Leitungswähler).»

Im zweiten Gestell befinden sich die Relaisschienen mit einer Ruf- und Signalmaschine, die den Summton, die Ruf- und Besetztzeichen produziert. Davon kann sich der Besucher überzeugen. Oldani hat vom Originalgleichrichter die benötigten Komponenten demontiert und in ein neues Gehäuse eingebaut. Dadurch lässt sich das Gewicht von 120 kg auf 45 kg reduzieren. «Die Telefonzentrale wird mit 60V Gleichstrom betrieben. Alle elektrischen Bauteile sind 70 Jahre alt oder älter», erklärt er stolz. «Auch die diversen Spezialwerkzeuge für Revisionsarbeiten sind noch vorhanden. Die Anlage ist auf einen fahrbaren Untersatz montiert und ist jederzeit transportierbar.»

Seine Ehefrau nickt zustimmend, als der lebenslange «Elektrizitätsfan» Oldani erklärt: «Das Projekt war eine echte Herausforderung. Aber die über 1000 Stunden Arbeit haben sich für mich vollumfänglich gelohnt.»

Gerti Binz

 

Mein grösstes Highlight
«Mein grösstes Highlight und Stolz ist eine Relaiszentrale in Schrankausführung (Telefonzentrale ‹Siemens & Halske›)», sagt Oldani. «Das Herstellungsjahr war 1935. Die Zentrale hat zehn Teilnehmer und war nur für den internen Verkehr bestimmt.» Schon die Stromversorgung mit einer Gleichrichterröhre ist eine Rarität. Bis es jedoch so weit war, dass die Zentrale funktionierte, dauert es lange. Über acht Jahre dauerte dieses Unterfangen. Immer wieder stand das Projekt vor dem Aus. Das Problem lag einzig und allein am Fehlen technischer Unterlagen. «Auf Anfrage in den Siemens-Museen in der Schweiz und Deutschland erhielt ich immer nur negative Antworten. Auch die intensive Suche im Internet blieb erfolglos. Der Zufall kam mir dann zu Hilfe. Die technischen Unterlagen einer alten Telefonzentrale für Bahnsysteme stimmten zum Teil überein. Mithilfe dieser Unterlagen gelang es mir dann, die Zentrale Schritt für Schritt (mal vorwärts, mal rückwärts) und mit viel Zeitaufwand zum Funktionieren zu bringen. Das alles war eine grosse Herausforderung. Bei Interesse bin ich gerne bereit, die beiden Anlagen bei mir zu Hause vorzuführen.»

 

80 Franken Monatslohn
Am 20. September 1881 erfolgt die Eröffnung des Stadtnetzes Bern mit 144 Telefon-Teilnehmern. Die Bedienung führen drei Telefonistinnen durch. Deren Gehalt beträgt Fr. 80.– im Monat bei einer täglichen Arbeitszeit von acht bis zehn Stunden. Die drei Frauen erhalten einen Freisonntag innerhalb von drei Wochen.

Im «Alphabetischen Abonnentenverzeichnis» figurieren Namen wie das Ausrüs-tungsmagazin der Kavalleriekaserne, die Filiale der Basler Handelsbank, der Berner Handelsbank und das Weibelzimmer des «Bundesrathhauses». Weiter das Casino, das Café National, die Eidgenössische Bank sowie zweimal die Französische Gesandtschaft, einmal mit der Wohnung und einmal mit der Kanzlei (als einzige ausländische Vertretung!). Über einen Anschluss verfügen die Gas- und Wasseranstalt, das «Intelligenzblatt» an der Marktgasse, das «Internationale Telegraphenbüreau» und die Jura-Bern-Bahn. Unbeschränkt erreichbar ist das Kantons-Kriegskommissariat im Beundenfeld, während die Öffnungszeiten der Eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung nicht aufgeführt sind. Die Kan-tonalbank verfügt über einen Anschluss, ebenso die «Lindt fils»-Chocoladenfabrik und die «Banquiers Marcuard & Cie». Neben diversen Privatpersonen kann auch Fotograf Nicola Karlen telefonieren, und zwar unbeschränkt, genau so wie die Krankenanstalt Victoria und Dr. Valentin. Beschränkten Anschluss oder keine Angaben gibt es bei der eidgenössischen Staatskasse, dem eidgenössischen Stabsbüreau, der Stadtkanzlei und der Stadtpolizei. Das gilt auch für den Waffenchef des Geniekorps, die eidgenössische Waffenfabrik und die Irrenanstalt Waldau. In der Gebrauchsanweisung wird ersucht, «namentlich lautes Sprechen zu vermeiden.»

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