Peter Urech zieht seine Kandidatur zurück

  17.08.2016 Aktuell, Burgdorf, Politik

Bereits vor vier Jahren hat die noch amtierende Stadtpäsidentin Elisabeth Zäch (SP) im Vorfeld ihrer Erneuerungswahl angekündigt, dass sie nach zwei Legislaturen Ende 2016 definitiv aufhören werde. Womit die bürgerlichen Parteien, die sich verbal für eine weniger rot-grüne Politik in Burgdorf stark machen, vier ganze Jahre Zeit für die Suche und den Aufbau von einer oder mehreren Personen als Nachfolger für dieses Amt gehabt hätten. Ausser dem amtierenden FDP-Gemeinderat Peter Urech, der wegen Amtszeitbeschränkung (12 Jahre) nicht wiedergewählt werden kann, hat sich niemand als Kandidat für den «Stapi-Stuhl» aufstellen lassen. Und Urech selbst hat nach eigenen Worten Anfang letzter Woche «enttäuscht über mangelnde Unterstützung vor allem seitens seiner eigenen Partei» das Handtuch geworfen.

Zu wenig Unterstützung
Auf die Frage, warum und zu welchem Zeitpunkt für ihn – trotz seiner einstimmigen Nomination der FDP zum Stapi-Kandidaten – nur noch ein Rückzug seiner Kandidatur infrage gekommen sei, antwortet er: «Es handelt sich bei meinem Entscheid keinesfalls um einen Schnellschuss, sondern um einen sich seit einer gewissen Zeit abzeichnenden Entscheid. Für mich war es ein innerer Prozess aufgrund der mangelnden Unterstützung durch meine Partei, die FDP. Ich habe diesen wohlüberlegten Rückzug für mich, mein Wohlbefinden und nicht zuletzt im Interesse der Stadt gefällt. Um einen erfolgreichen Wahlkampf führen zu können, braucht es eine gut aufgestellte Wahlkampf-Organisation mit klar definierten Verantwortlichen», betont Urech. «Ein solches Team existiert dreieinhalb Monate vor den Wahlen am 27. November 2016 aber immer noch nicht. Weiter fehlt seit Monaten ein durchstrukturierter Zeitplan sowie Überlegungen zur Wahlkampf-Finanzierung sowie ein konsolidiertes Budget. Auch eine entsprechende Stapi-Website ist trotz meiner Interventionen erst im Entstehen; hier wäre die FDP bezüglich ihres Kandidaten in der Pflicht gestanden.» Folglich müsse er befürchten, den «Wahlgang quasi im Alleingang zu organisieren und zu führen, was aus beruflichen, familiären und politischen Erwägungen ausgeschlossen ist. Ich will und kann das nicht.»

«Bei uns lief überhaupt nichts!»
«Auch mir und den Parteivertretern von FDP, SVP und BDP sind seit Anfang 2016 die periodisch wiederkehrenden Aktivitäten, mit denen sich mein SP-Konkurrent Stefan Berger in der Öffentlichkeit mit Aktivitäten zugunsten von Burgdorf profilieren konnte, nicht verborgen geblieben. Bei uns lief überhaupt nichts. Ich hatte zwar gute Rückmeldungen aus unseren Partnerparteien und den Verbänden HIV und HGV, aber bezüglich einem von meiner Partei organisierten Wahlkampf, einer Strategie, der Beschaffung von Finanzmitteln usw. lief nichts. Einzelne zaghafte Diskussionen haben stattgefunden, doch niemand von der FDP hatte genügend zeitliche Kapazität, um sich in ein Wahlgremium einzubringen. Schliesslich entschied der FDP-Parteivorstand, dass alle Mitglieder das Wahlgremium darstellen. Eine durchorganisierte Wahlkampf­organisation existiert nicht, folglich auch keine Wahlkampfstrategie und kein Zeitplan.» Und das, obgleich Urech nach eigenen Worten «mehrmals schriftlich und mündlich» darauf hingewiesen hat, dass hier «Anstrengungen unternommen werden müssen. Andernfalls laufen wir Richtung rot-grüne Stadt Burgdorf.»

Vielleicht endlich reagieren
Urech erinnert an die zwei verbleibenden Mitglieder im siebenköpfigen Gemeinderat und daran, dass im November 2016 Weichen gestellt werden. «Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch hat gemäss der weitverbreiteten Meinung gute Arbeit für Burgdorf geleistet. Der SP-Stapi-Kandidat segelt in ihrem Windschatten und hat sicher einen Bonus. Die Bürgerlichen müssen langsam reagieren.»
Seiner Meinung nach spricht vieles für eine bürgerliche Wende: Die Stadtpräsidentin hat viele Projekte aufgegleist, zum Teil realisiert oder weitgehend auf den Weg gebracht. Jetzt gilt es, diese Projekte bei der aktuellen Finanzlage zu Ende zu bringen beziehungsweise über die nächsten Jahre hinweg am Laufen zu halten, und das ohne Steuer­erhöhung. Das alles bedingt eine genaue Kenntnis der finanziellen Situa­tion und eine möglichst langjährige Mitarbeit im Gemeinderat.»

Rückblickend bezeichnet es Urech als seinen Fehler, dass er zwar mehrmals auf diese Punkte hingewiesen, aber zu sehr und vergeblich auf eine entsprechende Bewegung im bürgerlichen Lager gehofft habe, die nicht eingetroffen sei. «Vor allem habe ich bei meiner Partei FDP, mit der ich 40 Jahre ‹verheiratet› gewesen bin, das ‹feu sacre› vermisst.»

Keine anderen Interessenten
«Schliesslich bin ich meiner Partei insofern entgegengekommen, als ich mich mangels anderer Kandidaturen bereit erklärt habe, für das Stapi-Amt zu kandidieren. Andernfalls hätte die FDP überhaupt niemanden für einen Gemeinderatssitz ins Rennen schicken können. Zwei Jahre lang hat der Vorstand vergeblich nach einer geeigneten Kandidatur gesucht; niemand hat sich gemeldet. Ich habe immer wieder davor gewarnt, alles laufen zu lassen und zu hoffen, dass ‹der Urech schliesslich die Kohlen aus dem Feuer› holt. Damals habe ich mich von meinen Verantwortungsgefühl für meine Partei und meine Stadt – die ich gern habe – leiten lassen. Mir ist nicht gleich, was mit Burgdorf passiert.» Auch SVP und BDP hätten rechtzeitig eine jüngere und valable Kandidatur vorbereiten und aufbauen sollen.

Abschliessend hält Urech fest, dass er im Oktober 62 Jahre alt wird, weder sich oder anderen noch etwas beweisen müsse, einen interessanten und sehr anspruchsvollen Beruf als Chef des Burgdorfer Gerichtes (Vorsitzender der Geschäftsleitung des Regionalgerichtes Emmental-Oberaargau) ausübe und sich seit einigen Tagen dank seines unwiderruflichen Rückzugs wirklich «sehr erleichtert» fühle.

Gerti Binz

 

Auf bürgerlicher Seite Enttäuschung und Unverständnis

Eines ist den meisten bürgerlichen Kritikern gemeinsam: Sie bestreiten mehr oder weniger vehement, dass der amtierende FDP-Gemeinderat Peter Urech zu wenig Unterstützung bei seiner Kandidatur für das Amt eines Burgdorfer Stadtpräsidenten erfahren habe.

Vieles ist wenig greifbar
Bei den verschiedenen Gesprächen zu diesem Thema, bei dem alle Rückzugskritiker ihren Namen nicht genannt haben wollen, geht es anfangs um Fakten und schliesslich um Gefühle, Sympathien beziehungsweise Antipathien. Zu Beginn weisen alle übereinstimmend «auf die fundierte Unterstützung in verschiedenen Bereichen hin, die Urech seit Monaten geniesst». Sobald seine Kritik bei den Punkten «nicht vorhandenes Wahlkomitee, nicht vorhandener Zeitplan, nicht vorhandenes konsolidiertes Budget usw.» zur Sprache kommt, wird es interessant: Im FDP-Vorstand seien die Mitglieder beruflich derart eingebunden, dass «für eine ausschliesslich als Wahlkampfkomitee zu gründende Gruppe niemand genügend Zeit habe». Das wiederum bezeichnet Urech als inakzeptabel, die Gesprächspartner hingegen als Fakt.

Und dann sprechen einige Klartext: «Er ist halt nicht so beliebt, nicht so akzeptiert, warum soll man sich engagieren? Er soll seine Helfer selber rekrutieren.» Während die einen das grösste finanzielle Engagement bei der FDP sehen, empfehlen FDP-Vertreter «das nötige Geld bei den Verbänden HGV und HIV» zu generieren. Weiter sollten laut FDP auch SVP und BDP zahlen: Die Empfehlung lautet: «Urech, frag immer bei den anderen nach.» Doch Urech zieht seine Kandidatur zurück, denn er will «nicht alles allein bewältigen und bezahlen».

Ab Januar beziehungsweise gar nicht
Dass er «sie masslos mit seinem un­überlegten und durch nichts zu begründenden Rücktritt brüskiert hat», bemängeln zu Beginn eines Gesprächs praktisch alle Befragten. Als dann nach und nach die von Urech angeführten Defizite im Wahlkampf zur Sprache kommen, wird alles besser überblickbar. Erst heisst es übereinstimmend, «er muss sich selber anstrengen, seine Termine festlegen, die Finanzierung sicherstellen usw.», dann zeigt sich, dass der angebliche Zeitplan der FDP erste Aktivitäten ab September vorsieht, was laut Meinung diverser Politiker «viel zu spät ist».

Auf den Hinweis, dass sich der SP-Kandidat Stefan Berger seit Anfang 2016 als neuer Stadtpräsident und Nachfolger seiner Parteikollegin Elisabeth Zäch mit gezielten Auftritten und Aktivitäten in der Öffentlichkeit empfiehlt, herrscht Schweigen. Dabei wissen alle – bis letzte Woche auf Urech als gemeinsamen Stapikandidaten eingeschworenen – bürgerlichen Parteien seit gut viereinhalb Jahren, dass Elisabeth Zäch Ende ihrer zweiten Legislatur per Ende Dezember 2016 aufhört.

Schmunzeln bei Rot-Grün
In all den Jahren ist es weder FDP, SVP oder BDP gelungen, unverbrauchte und fähige Persönlichkeiten für eine Nachfolge aufzubauen. Der FDP ist es laut Urech «in den letzten zwei Jahren nicht gelungen, eine einzige wählbare Person für eine Gemeinderatskandidatur zu interessieren». Womit der immer wieder geäusserte Wunsch «nach einer bürgerlichen Wende» von den bürgerlichen Gesprächspartnern auch «eher als Illusion zu betrachten ist».

In der SP nimmt man die Situation ohne grosses Bedauern zur Kenntnis. Im rot-grünen Lager vertritt man die Meinung, Urech habe «als Zwischenlösung das Stapi-Amt halten sollen, bis in vier Jahren eine echte Nachfolgerkandidatur aufgebaut werden kann». Bis daher wollen die Bürgerlichen nach eigenen Worten mit dem Hinweis auf «ihre Kontrolle der Burgdorfer Finanzen das Amt des Burgdorfer Stadtpräsidenten begründen und eine Steuererhöhung verhindern».

FDP mit Gemeinderatskandidatur
Am 17. August teilt der Gesamtvorstand der FDP Burgdorf mit, dass die Partei nach Urechs Rückzug einen neuen Gemeinderatskandidaten nominieren wird. «Sie führt derzeit vielversprechende Gespräche mit motivierten Personen und strebt den Gewinn von zwei zusätzlichen Sitzen im Stadtrat an», heisst es in einer Medienmitteilung. «Zielsetzung für die FDP bleibt weiterhin eine bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat zusammen mit SVP und BDP.» Man sei überzeugt, dass die Kandidierenden der bürgerlichen Parteien gemeinsam einen idealen Mix darstellen, um eine bürgerliche Wende im Gemeinderat zu erreichen.
Bis letzte Woche hat die FDP auf ihrer Website unter «Aktuell» nur die Wahl des neuen Parteipräsidenten von Mitte April 2015 aufgeführt. Von einer Stapi-Kandidatur Urechs und Ähnlichem kein Wort.

Gerti Binz

 

 

 


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote