Wenn alte Baumstämme und Abbruchholz zu Kunstwerken werden

  06.02.2017 Aktuell, Wynigen, Region

An seiner Drechselbank in Wynigen ist Urs Bärtschi in seinem Element: liebevoll bringt er die eingespannten Holzstücke Schritt für Schritt in die von ihm gewünschte Form. Häufig sind es Kugeln oder Schalen – nicht geometrisch perfekte Werke, sondern solche, die fürs Auge gefällig sind. Und die fertigen Objekte – seien es nun Kugeln, Fingerringe, Tropfen, Stelen, Schalen oder andere Kunstwerke – tragen auch nach Abschluss der Arbeit noch unverkennbar die Kennzeichen des Ursprungsholzes: Risse, Bruchstellen und Astlöcher ziehen den Blick im schön gearbeiteten und mit lebensmittelechtem Öl behandelten Holz auf sich. «Ich finde es spannend, die Schönheit einer blank polierten Holzfläche mit sogenannten Holzfehlern zu durchbrechen», meint der Wyniger, der seit Jahren regelmässig an Ausstellungen wie der Aefliger Kulturausstellung oder an Märkten wie dem Herbstmärit Wynigen präsent ist. «Es macht die Objekte nicht nur interessanter, sondern auch einmalig.»

Flair fürs Holz
Bereits als Knabe war Urs Bärtschi oft beim Dorfdrechsler, der gleich hinter dem Haus wohnte, anzutreffen: «Der von allen nur Dysli-Dräjer genannte Drechsler wusste, dass wir Freude hatten, wenn wir eine Aufgabe bekamen – und so gab er uns stets kleine Arbeiten zu erledigen.» Damals habe man in der Schule noch Zählrahmen benutzt – und die Buben durften bei der Herstellung mithelfen. Nach der Schulzeit machte der heute 56-jährige Wyniger auf Anraten der Eltern eine Lehre als Elektriker, obwohl er sich selbst als eindeutig «hölzig» bezeichnet. Den Traum von der Arbeit mit Holz legte er für längere Zeit auf Eis, unter anderem auch, weil ihm zu Hause ein geeigneter Werkplatz fehlte.

Traum verwirklicht
Als Urs und Sabine Bärtschi 1996 in ihrem Haus den Estrich umbauen liessen, ergab sich endlich die gute Gelegenheit, im ersten Stock ein kleines Werkstattzimmer einzurichten. Seither ist der leidenschaftliche Hobby-­drechsler in seiner Freizeit oft an der Werkbank zu finden – wenn er nicht auf der Suche nach geeigneten Holzstücken ist. «Am liebsten habe ich Hostet-Holz, doch ich verarbeite auch andere Holzarten», erklärt Urs Bärtschi. «In meinem Holzvorrat, den ich zu einem grossen Teil auswärts eingelagert habe, befinden sich aber auch andere Holzarten wie zum Beispiel Rosenholz, das ich damals noch vom Dysli-Dräjer geerbt habe, oder ein etwa zweihundertjähriges Stück Eiche, das beim Hausumbau übrig blieb.»

Dank grösserer Drechselbank neue Möglichkeiten
Eine ganz besondere Freude habe ihm seine Frau letztes Frühjahr gemacht, berichtet der engagierte Wyniger: «Sie hat mir ermöglicht, eine grössere und leistungsfähigere Drechslerbank anzuschaffen, mit der ich nun Objekte bis 80 cm Durchmesser bearbeiten kann, das hat mir ganz neue Möglichkeiten eröffnet und motiviert, neue Sachen auszuprobieren.» Da Urs Bärtschi am liebsten Holz verwendet, das zwar nicht mehr ganz nass, aber auch noch nicht ganz trocken ist, steht er manchmal über Stunden an seiner Drechselbank. Denn bereits nach einer einzigen Stunde Pause würden die Objekte durch die natürliche Bewegung im Holz nicht mehr rund drehen: «Und so kann es durchaus sein, dass ich am Wochenende am späteren Nachmittag in der Werkstatt verschwinde und mich bis um 3.00 Uhr nachts nicht mehr blicken lasse, gottlob hat Sabine so grosses Verständnis für meine Leidenschaft.» Sie freue sich auch immer, wenn er ihr wieder ein neues Werk präsentiere.

Andenken an den ehemaligen Geburtstagsbaum
Viele Bekannte und Wyniger/innen wissen in der Zwischenzeit, dass Urs Bärtschi stets Holz für seine Kunstwerke sammelt – und sie rufen ihn an, wenn sie einen Baum im Garten gefällt haben, ob er ein Stück davon gebrauchen könne. «Auf Wunsch mache ich ihnen auch gerne aus ihrem Holz etwas Persönliches», sagt der Künstler. Besonders freue es ihn, wenn Leute sich ganz bewusst von speziellen Bäumen, etwa einem ehemaligen Geburtstags- oder Taufgeschenkbaum oder einer Maitanne, eine Kugel machen liessen: «So haben sie noch eine Erinnerung, auch wenn der Baum selber nicht mehr steht...»

Andrea Flückiger


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