«Sport bedeutet für mich alles»

| Mo, 06. Feb. 2017

BURGDORF: Rolf Ingold wurde an der diesjährigen Sportlerehrung in Burgdorf mit dem Sportförderpreis ausgezeichnet. Nun blickt er zurück auf jahrzehntelanges Engagement in ganz unterschiedlichen Disziplinen. red

Gestohlen hat Ingold seine Liebe zum Sport nicht: «Meine Eltern waren sehr sportlich, sei es im Turnverein oder im Wassersport. Wir haben viel Zeit im Freibad verbracht. Dort ist Hans Aeschlimann auf mich aufmerksam geworden.»

Start als Wasserratte
«Er hat mich als Zehnjährigen für den Schwimmclub Burgdorf begeistert. Mir hat das zugesagt, es war eine glatte Sache.» Da es weit und breit kein Hallenbad gibt, finden die ersten Trainings im «Muulbeeri» Bern statt, ein Erlebnis. «Ich konnte zum ersten Mal für das Wintertraining ein Hallenbad besuchen.»
Aeschlimann war für den Transport besorgt. Später fuhren alle ins neue Hallenbad nach Langnau i.E., vielfach sass Vater Ingold am Steuer. «Noch heute können sich Damalige an diese Zeit erinnern. Hans-Rudolf Rauch (Jimmu) war im Winter unser Kondi­tionstrainer in der Schlossmatt-Turnhalle. Auch Pierre Manz zählte zu unserer Truppe.»

Später kam das Kadettenschwimmen dazu, dann wurde Ingold Mitglied bei den Kadetten. «Schliesslich hat uns Aeschlimann an den modernen Fünfkampf herangeführt. Begonnen habe ich 1974 mit dem ‹Drükämpfli› (Schwimmen, Rennen, Pistolenschiessen), was für die damalige Zeit ein wirkliches Ereignis war. Wir haben mit echten Pistolen geschossen, entsprechend war man jemand! Es gab in Burgdorf nur wenige, die so etwas durften. Und meine Mitschüler sowieso nicht.»

National und international
Ihr Mentor Aeschlimann hat seine Schützlinge langsam auf den Fünfkampf vorbereitet (Schwimmen, Querfeldeinlauf, Pistolenschiesssen, Degenfechten, Springreiten). Laut Ingold «hatte Pierre de Coubertin als Initiator dieser Sportart einen Meldeläufer als Vorbild, der sich für die Überbringung seiner Botschaft den Weg mit den genannten Disziplinen freikämpfen musste».

Bereits als Jugendlicher kann Ingold an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen. Kurz nach dem Wechsel zum Fünfkampf tritt er auch hier bei den Schweizer Meisterschaften an. Seinen ersten Auslandeinsatz bei einem internationalen Wettkampf absolviert er 1976 in München. Da das Burgdorfer Team sehr erfolgreich agiert, reist die Truppe an weitere nationale und internationale Anlässe. Auch Andreas Aeschlimann, Daniel Jost, Serge Bindi und andere gehören zum Team. Die «Burgdorfer Hochburg mit ihren Fünfkämpfern» erntet Anerkennung. Anfang der 1980er-Jahre beendet Ingold seine sportliche Karriere, nach dem Studium konzentriert er sich auf sein Berufsleben. Er arbeitet als Qualitäts­ingenieur bei einem Berner Grosskonzern.

Etwas zurückgeben
Später übernimmt er im Schwimmclub Burgdorf ein Traineramt, was ihm viel Freude bereitet. Seine Motivation: «Ich wollte etwas zurückgeben von dem, was ich erhalten habe. Daher gebe ich ab 1982 den Jugendlichen als Schwimmtrainer etwas zurück» und absolviert sämtliche Ausbildungen bis zur obersten Stufe (Trainer 3).
Seine Arbeit mit den Jungen zei­tigt diverse Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene. «Der Burgdorfer Christoph Wyss – mein späterer Kollege im Burgdorfer Stadtrat – war der erste, mit dem ich Mitte der 80er-Jahre an die Schweizer Meisterschaft reisen konnte. Und das mit einem Mitglied aus so einem kleinen Club. Von da an haben jedes Jahr Mitglieder dieses kleinen ‹Landclubs› erfolgreich an den Schweizer Meisterschaften teilgenommen und konnten sogar an die Junio­ren-Europameisterschaften reisen. Auch Oliver Zurflüh gehörte dazu.»

Trainer und Richter
Da vorgeschrieben ist, neben der Trainerausbildung auch eine als Richter zu absolvieren, heisst es weiterlernen. «Also bin ich eines Tages in das Richter­wesen eingetaucht und habe Freude daran bekommen. Glücklicherweise hatte ich einen Götti, der mich portiert und begleitet hat bis zum Moment, als ich an den ersten Schweizer Meisterschaften mitwirken und sie leiten konnte. Er war mir auch behilflich, dass meine Karriere vor rund zwölf Jahren an internationalen Anlässen in Ungarn weiterging. Es folgten Wettkämpfe in Mallorca und auf allen Kontinenten ausser Australien, wo ich noch nie war.»

Doch mit dem Permit fürs Pool-Schwimmen (im Bassin) ist Ingolds Karriere noch nicht abgeschlossen. Er erwirbt ein weiteres Permit für Open Water (Marathon-Schwimmen in freiem Gewässer). «Heute bin ich weltweit einer von sechs Richtern, die beide Permits und so die Doppelqualifika­tion haben.»
Dieser Umstand bleibt nicht unbemerkt. «Später bin ich als Berater in das Technische Komitee des Europäischen Schwimmverbandes (LEN) gewählt worden und konnte als Gesamtverantwortlicher Europameisterschaften leiten.» Als Mitglied im Weltverband (FINA) kann er sich ebenfalls einbringen: «Hier konnte ich auch viel erledigen.»

Nur noch Olympia fehlt
Das Einzige, was noch fehlt, ist ein Einsatz an einer Olympiade wie 2020 in Tokio, Japan. «Aber das bleibt ein Traum. Ich mache mir keine Hoffnungen. Alles andere durfte ich ja schon machen», blickt Ingold zurück.

Auch im TOWSC (Technical Open Water Swimming Comitee) arbeitet Ingold als Berater mit, wenn es um die Ausarbeitung von Reglementen, Richtlinien, Organisation und Koordination von Meisterschaften usw. geht. Hier agiert er als aktives Mitglied.

Immerhin kann er 2011 an der Kleinstaaten-Olympiade in Vaduz zusammen mit einem Kollegen das Richteramt in der Disziplin Schwimmen ausüben. Als Kleinstaat gilt ein Land, das weniger als eine Million Einwohner aufweist. Dazu gehören Andorra, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco, Island, Mazedonien, San Marino und einige andere. Sehr viele gibt es nicht.

Fast wie die Grossen, nur kleiner
«Der Ablauf verlief wie bei einer richtigen Olympiade, mit Eröffnungsfeier, Wettkämpfen, Abschlussfeier. Aber entsprechend klein. Mit allen Schikanen wie Eid ablegen, Hymnen und natürlich dem Treffen der Beteiligten. Das Besondere an diesen Olympiaden ist, dass die Kleinstaaten oft von Königs- oder Fürstenfamilien regiert werden und deren Oberhäupter zahlreich als ‹Fans zur Unterstützung› anwesend sind. Bei einem Dinner sass ich neben der Erbprinzessin von Liechtenstein oder begegnete immer wieder anderen gekrönten Häuptern wie Albert von Monaco.»

Manchmal kann Ingold den sportlichen Einsatz mit einer privaten Reise kombinieren wie seinerzeit in China, als er drei Wochen Ferien angehängt hat. Die Spesen für seine Einsätze zahlt er zu einem guten Teil selber nach dem Motto: «Ich bezahle dafür, anstatt Spesen und Freiflüge zu erhalten.» Das mache ihm nichts aus, denn sein Lebensmotto lautet: «Ich lebe für den Sport.» Es gebe nichts Spannenderes, als in der Sportwelt die Ereignisse an vorderster Front mitzuerleben, Freundschaften zu schliessen, andere Kulturen zu erleben und seinen Horizont zu erweitern. Er stehe mit seinen Richterkollegen in aller Welt via modernen Kommunikationsmitteln in ständigem Kontakt.

Tätig als Funktionär
Infolge seines Alters taucht der aktive Sportler immer mehr in die Funk­tionstätigkeit hinein. «Plötzlich werde ich Präsident vom Schwimmclub Burgdorf, Präsident vom Kantonal-Bernischen Schwimmverband, Präsident von der Sportkommission Burgdorf sowie Organisator der Burgdorfer Sportlerehrung.» Ingold sagt von sich, dass er alle Sorgen und Nöte rund um den Sport von innen her kennt. Auch Anliegen anderer Sportarten stossen bei ihm auf offene Ohren.

Auch bei der SVP-Anfrage für eine Stadtratskandidatur kann Ingold nicht Nein sagen: «Mein grosses Problem.» Als erster Ersatz rutscht er schon bald nach. «Dank meiner Ehefrau Anita, die ‹back office› alles perfekt regelt, konnte ich alle Aufgaben neben meinem 100-Prozent-Job gut bewältigen.» Sie ist selber sehr sportlich, hat den Turnverein geleitet, gibt Konditionstraining und trainiert Schwimmer. Unsere zwei Söhne hat sie all die Jahre bei deren sportlichen Aktivitäten unterstützt, Fahrdienst verrichtet usw.»

Ingold absolviert zwölf Jahre als Stadtrat und fungiert 2013 als Stadtratspräsident.

Erfolge dank Politik
Ingold ist bewusst, dass ohne Politik im Sport nichts geht, also engagiert er sich auch hier an den richtigen Stellen. Er plädiert bei allen Projekten für Nachhaltigkeit und arbeitet in der Kommission Eissportstättenplanung mit, später beim Regionalen Eissportzentrum, dem Fussballplatz Neumatt, bei Turnhallen und anderen Projekten wie dem Stadtlauf. «Heute darf sich die sportliche Infrastruktur von Burgdorf sehen lassen.»

Auch in Zukunft bleibt er dem Schwimmsport treu, wo er sich besonders im Schweizer Schwimmverband engagiert: «Ich bin verantwortlich für alle Schweizer Meisterschaften und viele Reglemente. Übers Richteramt setze ich mich für Aus- und Weiterbildung des Nachwuchses ein.» Dann wird die Zeit knapp, denn nach dem Interview leitet er das seit Jahren durchgeführte Donnerstag-Training der jugendlichen Elite-Schwimmer auf der Stufe zum Eintritt in die Schweizer Meisterschaften.

Gerti Binz

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