Bis hin zum Rütschelengässli reichte die Warteschlange vor dem Tisch, an dem Heidy Reber und Claudia Fankhauser die Suppe in
Becher, Pfannen und Milchkesseli füllten.

Aus 19 Hühnern bereiteten Chefkoch Christian Bolliger und das Küchenteam des Hotels Stadthaus 140 Liter der
köstlich-cremigen Traditionssuppe. Sie wurde 1388 von den bernischen Schultheissen gestiftet, für die Burgdorfer Frauen. Die Geschichte der «tapferen Frauen», deren mutiges Eingreifen den Angriff österreichischer Adeliger abwehrte, wird mit diesem Brauch der «Hühnersuppe» geehrt. «Die Hühnersuppe ist neben der Solätte und der Kornhausmesse das populärste Fest in Burgdorf», erklärte Hannes Hofstetter, Altstadtleist-Präsident, erfreut über den Grossandrang.

Ruth und Heinrich Sterchi verzehrten die Köstlichkeit gleich vor Ort. Der Ausschank der Hühnersuppe bildet seit Jahren einen festen Termin in ihrem Jahreskalender. Und es ist die einzige Gelegenheit, wo das Milchkesseli noch zum Einsatz kommt. «Die erste Portion essen wir immer gleich hier auf dem Bänkli, und für daheim lassen wir uns noch zwei Portionen ins Kesseli füllen», verriet Heinrich Sterchi. «Es gibt zwei Sorten Suppe: die mit und die ohne Federn», witzelte er lachend und fischte Hühnerfleisch aus der Suppe.

Auf die Frage, ob ihnen auch die Geschichte über die tapferen Burgdorferinnen bekannt sei, antworteten auch die jüngeren Frauen in der Warteschlange mit «Ja». Und eine ältere Dame meinte: «Es gibt auch heute noch tapfere Frauen, nur redet niemand von ihnen.»
Claudia Fankhauser entschuldigte sich für die Wartezeit: «Aber die Pfanne ist schneller leer, als der Nachschub
herangeschafft werden kann.» Die Wartenden nutzten die Gelegenheit zum Plaudern, und gar oft kam es zu herzlichen Begrüssungen: Man kennt sich und man trifft sich jedes Jahr zur Hühnersuppe…

Sylvia Mosimann