«Mahlzeiten sind im Leben was Sterne am Himmel...»

  16.11.2013 Aktuell, Kultur, Lützelflüh, Vereine

Anfang November lud der Verein Gotthelf-Stube Lützelflüh seine Mitglieder zur ordentlichen Hauptversammlung ein. Rund 40 Gotthelf-Freunde besuchten den Anlass. Verena Hofer,  Präsidentin des Vereins, führte rasch und speditiv durch die Traktanden, sodass schon bald der zweite, gemütliche Teil der Veranstaltung beginnen konnte: das gemeinsame Mittagessen im Gasthof Ochsen. Der berühmte Schriftsteller Jeremias Gotthelf, der für seine Gastfreundschaft bekannt war, beschrieb den Wert eines gemeinsamen Essens mit folgenden Worten: «Mahlzeiten sind im Leben was Sterne am Himmel in mondloser Nacht, und nicht bloss wegen Essen und Trinken. Es tauen auch die Herzen auf, es wird einmal wieder Sonntag darin, es bricht die Liebe einmal wieder hervor; wie aus den Wolken die Sonne und wie aus Holland der Nebel, flieht aus mancher Seele der böse Kummer, das Elend wird vergessen, sie wird einmal wieder froh, fasst frischen Mut und danket einmal wieder Gott von Herzen.»

Anschliessend folgte das «Dessert» im Gotthelf Zentrum, ein Vortrag des Theologen Dr. UIrich Knellwolf mit dem Titel «Biblische Geschichte gegen Schweizer Geschichte – Jeremias Gotthelfs Ansicht von der Hauptaufgabe der Schule». Knellwolf skizzierte kurz das bildungspolitische Engagement von Albert Bitzius, der bereits in jungen Jahren ein grosses Interesse am Schulwesen entwickelte, obwohl er die Familie und das Haus stets als hauptsächlichen Ort der Erziehung betrachtete. Gotthelf war massgeblich an der Gründung der Armenerziehungsanstalt im Amtsbezirk Trachselwald beteiligt, die 1835 ins Leben gerufen wurde. An den Lehrerbildungskursen im Schloss Burgdorf unterrichtete er in den Jahren 1834, 1835 und 1836 das Fach vaterländische Geschichte. Als Schulkommissär der Gemeinden Lützelflüh, Rüegsau, Hasle und Oberburg bemühte er sich, Missstände in den Schulen zu beseitigen und die Bevölkerung und Lokalpolitiker von nötigen Reformen zu überzeugen. Gleichzeitig wies er das Erziehungsdepartement immer wieder auf Fehlentwicklungen und Versäumnisse hin.

Als Hauptaufgabe der Schule erachtete der Lützelflüher Pfarrer die Erziehung der Kinder und Jugendlichen zu mündigen Menschen. Mündigkeit interpretierte er gemäss Knellwolf in einem christlichen Sinne. Bildung und Wissen diente Gotthelfs Meinung nach dazu, die Wunder der Schöpfung und die Grundaussagen des Christentums besser zu verstehen. Der christliche Unterricht dürfe daher nicht abstrakt und wissenschaftlich sein, sondern müsse lebensnah und verständlich vorgetragen werden. Nicht doktrinäre Lehr- und Glaubenssätze sollten im Zentrum des erzieherischen Wirkens stehen, sondern gleichnishafte Geschichten und Erzählungen, welche an die Lebenswirklichkeit der Schüler anknüpfen. In einen ähnlichen Kontext lässt sich denn auch Gotthelfs gesamtes Werk setzen: als Versuch, durch die Erzählung von Geschichten auf seine Leser einzuwirken und moralische Botschaften zu vermitteln.

Markus Hofer


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