Burgdorfer Unterstützung für Flüchtlinge auf Lesbos
08.04.2020 Aktuell, Politik, Foto, Burgdorf, GesellschaftImmer noch sitzen Abertausende von Flüchtlingen in Griechenland fest. Viele von ihnen befinden sich auf der Insel Lesbos, da diese relativ nahe an das türkische Festland grenzt. Die humanitären Zustände in den Flüchtlingscamps sind katastrophal, so leben im Camp Moria auf Lesbos, das für knapp 3000 Menschen ausgelegt ist, zurzeit rund 20 000 Geflüchtete. Diesen Umständen entgegenwirken oder zumindest die Lage auf der Insel etwas verbessern, das möchte der Verein «One Happy Family» mit Sitz in Burgdorf, der ein Gemeinschaftszentrum auf Lesbos betreibt. Fabian Bracher, Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins, erklärt die Ziele: «Das ‹One Happy Family›-Gemeinschaftszentrum ist ein Ort mit den Menschen, statt für sie. Von Anfang an arbeiteten wir gemeinsam mit den Geflüchteten auf der Insel und haben so einen Ort aufgebaut, der ihnen Ruhe, Sicherheit, Normalität, Beschäftigung, Abwechslung und ein Integrationsangebot bietet. Zuletzt besuchten uns durchschnittlich 1000 Menschen pro Tag aus den Flüchtlingscamps Moria und Kara Tepe.» Doch zurzeit ist die Lage auf Lesbos besonders angespannt. So verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor rund einem Monat, die Grenzen für Flüchtlinge Richtung EU zu öffnen. Auch bildeten sich regelrechte Mobs gegen Geflüchtete, Freiwillige und Journalisten, als die griechische Regierung begann, ein geschlossenes Lager mit grösserer Kapazität auf der Insel zu bauen. Griechenland setzte auch vorübergehend das Asylrecht ausser Kraft. So wurden Flüchtlinge zum Teil auf Kriegsschiffen untergebracht, aufs Festland gebracht und anschliessend wieder abgeschoben. «Heute stehen die Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonventionen auf dem Spiel und wenn diese Rechte nicht mehr für alle Menschen gelten, haben sie bald auch für uns keinen Wert mehr», schliesst Fabian Bracher aus der Situation.
Vom Banker zum Flüchtlingshelfer
Fabian Bracher absolvierte eine Banklehre, die er aber vor rund sechs Jahren aufgegeben hat. «Ich wollte lieber einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt leisten, statt Börsenkurse zu überwachen», so der Burgdorfer. «Ich war dann 2015 das erste Mal auf Lesbos, weil ich nicht akzeptieren wollte, dass an den europäischen Aussengrenzen Menschenrechte verletzt werden und aufgrund der politischen Untätigkeit Menschen ihr Leben verlieren.» Auch heute reist Fabian Bracher noch drei- bis viermal pro Jahr auf die Insel, um das Team vor Ort zu unterstützen.
Brandanschlag auf das Zentrum
Nachdem Anfang März im Gemeinschaftszentrum ein Feuer ausgebrochen ist, hat es temporär geschlossen. «Der Brand hat einen Grossteil des Hauptgebäudes und die Schule mit neun Klassenzimmern vollständig zerstört», schildert Fabian Bracher. «Wir haben bereits langsam mit den Aufräumarbeiten begonnen, müssen die Situation und die Sicherheitslage aber laufend neu beurteilen.» Ums Leben gekommen ist beim Brand niemand. Anders bei einem anderen Feuer – Mitte März wurde im Flüchtlingslager Moria ein 6-jähriges Kind getötet. «Das war meiner Meinung nach kein tragischer Unfall, sondern Mord durch die europäische Grenzpolitik», so Bracher. «Es ist nicht das erste Mal und wird – wenn sich nichts ändert – nicht das letzte Mal sein, dass Männer, Frauen und Kinder aufgrund der Zustände im Lager sterben.» Im Fall des Feuers im Gemeinschaftszentrum wurden bisher drei mutmassliche Brandstifter festgenommen.
Auch auf das Coronavirus ist man in den komplett überfüllten Flüchtlingslagern überhaupt nicht vorbereitet, wie Fabian Bracher erklärt: «Selbst Ärzte ohne Grenzen, die umfassende Erfahrungen mit Epidemien haben, sehen keine Möglichkeit, eine Ausbreitung des Virus im Camp zu stoppen, wenn es erst einmal den ersten bestätigten Fall gegeben hat. Es braucht eine sofortige Evakuierung des Camps.»
Zurzeit steht das Flüchtlingslager unter einer Ausgangssperre, was die ohnehin schon prekäre hygienische Situation weiter verschlimmert.
David Kocher
www.ohf-lesvos.org