Am 21. Februar 2021 fand in der reformierten Kirche Utzenstorf der 34. Schriftsteller-Gottesdienst statt. Zu Gast waren der Autor Arno Camenisch und der Gitarrist Roman Nowka, beide aus Biel (wobei Arno Camenisch ja in Tavanasa, der «Hauptstadt vom Bündnerland» aufgewachsen ist).
Pfarrer Reto Beutler hat die Schriftsteller-Gottesdienste 2003 ins Leben gerufen. Zu Beginn fanden jährlich deren zwei statt, seit fünf Jahren wird jeweils noch ein Schriftsteller pro Jahr nach Utzenstorf eingeladen. Die Kirche feiert damit Gottesdienst in einer anderen Form und spricht dadurch auch ein anderes Publikum an. Der Pfarrer verlässt zwar die Kirchgemeinde Mitte März, er hofft aber (und die Gottesdienstbesucher auch), dass der Kirchgemeinderat diese Tradition beibehält.
Der Gottesdienst vom 21. Februar 2021 war schnell ausgebucht, einigen Interessenten musste sogar abgesagt werden. Wegen Corona dürfen sich im Moment nur 50 Leute in der Kirche aufhalten und diese kamen in den Genuss eines vielseitigen Nachmittags. Nach einigen Bibelworten (Liturgie) übergab Reto Beutler das Mikrofon an Arno Camenisch, welcher aus seinem Buch «Goldene Jahre» vorlas. Begleitet wurde er dabei von Roman Nowka an der Gitarre. Im Buch «Goldene Jahre» beschreibt Camenisch zwei Frauen, Margrit und Rosa-Maria, welche seit 51 Jahren einen Kiosk samt Zapfsäule und Leuchtreklame betreiben. Der Kiosk ist die Zentrale im Dorf, bei Margrit und Rosa-Maria kommen alle vorbei. Sie haben sehr vieles gesehen, schicke Autos und alte Mopeds, die Tour de Suisse und Prominenz aus dem Boulevard, Betrüger, die sie übers Ohr hauen wollten, genauso wie Filmstars. Am liebsten sind ihnen aber die Liebespaare und die Frischverliebten. Bei Margrit und Rosa-Maria geht über den Ladentisch, was das Herz begehrt, und im Gegenzug hören sie, was die Herzen bewegt. Diese zwei Frauen kennen die Welt, schliesslich kommt die Welt jeden Tag in Form von Zeitungen und Magazinen zu ihnen … und sie blättern sie alle durch. Arno Camenisch erzählt lebhaft, mit einem Augenzwinkern und dem unverwechselbaren Bündner-Dialekt. Der Dialog zwischen den beiden Frauen entlockte manch einem ein Schmunzeln oder gar ein Lachen. Man lebte mit den beiden Frauen richtig mit und verstand ihre Sorgen und Freuden.
Zwischen den Erzählungen entführte Roman Nowkas Gitarrenspiel die Zuhörerinnen und Zuhörer in die Ferne. Er «erzählte» mit wunderbaren Klängen Geschichten vom Reisen und von der Liebe oder liess ein Radrennen vorüberziehen. Es faszinierte, was dieser Mann aus seiner Gitarre herausholte.
Im zweiten Teil der Lesung kamen die Zuhörerinnen und Zuhörer in den Genuss von «Spoken Words» (gesprochene Worte). Dies sind lyrische Texte oder Gedichte, welche nur in Notizform vorhanden sind und so vor Publikum vorgetragen werden, meist begleitet von Musik. Arno Camenisch erzählte im Vorfeld: «Es ist unerklärlich, aber wunderschön, man muss es erlebt haben.» Und genau so war es.
Nach einem Segen und dem virtuosen Ausgangsspiel von Roman Nowka fand der Schriftsteller-Gottesdienst viel zu schnell sein Ende. Beim Ausgang konnten sich die Besucher/innen noch mit Büchern von Arno Camenisch eindecken und ein paar Worte mit dem Autor wechseln.

Alexandra Weber