Online-Lesung mit Pedro Lenz

  04.03.2021 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf, Region

Wie viele andere Menschen arbeiten auch Kunstschaffende im Home­office. Doch zwischendurch öffnet sich ein Fenster und das Publikum kann einen Blick auf ihr Schaffen werfen. So geschehen am vergangenen Donnerstag.
In Zusammenarbeit mit den Kornhausbibliotheken Bern und den Regionalbibliotheken des Kantons fand eine Online-Lesung mit Pedro Lenz statt. Dank Videoübertragung konnte diese in Thun, Langnau, Spiez, Biel, Bern, Burgdorf und Langen­thal mitverfolgt werden. An der virtuellen Lesung nahmen 160 Personen teil. Diese konnten laufend via Chat schriftlich Fragen an den Autor stellen. Als Moderatorin sammelte Andrea Grichting, Leiterin der Stadtbibliothek Burgdorf, diese und stellte sie in einem entsprechenden Zeitfenster an Pedro Lenz. Lenz bedankte sich für die Einladung. Es sei für ihn speziell, allein in einem Raum zu sitzen und für ein virtuelles Publikum zu lesen. Er hätte sich noch nicht an diese Situation gewöhnt und hoffe, dass bald normale Auftritte möglich würden. Online-­Lesungen ersetzen keinen persönlichen Kontakt zur Leserschaft, seien jedoch eine Chance, meinte der Autor.
Geplant wäre eine Lesereise mit musikalischer Begleitung von Christian Brantschen.

«Primitivo», der dritte Roman von Pedro Lenz, handelt in den 1980er-Jahren
Der Maurerstift Charly trauert als Icherzähler um seinen verstorbenen Freund Primitivo, der aus Asturien stammt und als Maurer jahrelang in der Schweiz gearbeitet hat. Primitivo starb nach einem Arbeitsunfall. Er war viel in der Welt herumgekommen. Seiner grossen Lebenserfahrung wegen wurde er «dä aut Philosoph» genannt. Charly, der kaum je weiter als zum Waldfest nach Herzogenbuchsee fuhr, unterhielt sich gerne mit dem Älteren, der ihm den Zugang zur Welt der Bücher ebnete und mit ihm an arbeitsfreien Samstagen über Gott und die Welt diskutierte. Primitivo erklärte dem Jüngeren, dass Bücher «eim bim Nochedänke chöi häufe». So las der 17-jährige Charly viel und vertiefte sein Wissen durch Sekundärliteratur. Während seiner Arbeit als Maurer fand er genügend Zeit, darüber zu sinnieren. Nebenbei versuchte er, sich mit seinem literarischen Wissen bei der wunderschönen Laurence interessant zu machen, vergeblich.
Liebevoll porträtiert Lenz die beiden unterschiedlichen Männer, den «Philosophen» und den «Schüler». Er versteht es, den Protagonisten Leben einzuhauchen. Er beschreibt nicht das Aussehen einer Person, sondern ihre Art zu reden, ihre Bewegungsmuster, ihre Ausstrahlung, ihr Auftreten. In seinem Oberaargauer Dialekt findet er passende Wort, feine Nuancen, die nicht nur Menschen, sondern auch Situationen detailliert darstellen und für Zuhörende sichtbar machen.

Pedro Lenz im Gespräch
Lenz hat für seinen Roman zwei unterschiedliche Protagonisten geschaffen, einen Älteren, weil dieser «mehr Fleisch am Knochen» habe und einen Jüngeren, der alles Neue aufsauge. Lenz bewegt sich bei den Handlungen seiner Texte gerne in bekanntem Milieu. Er hat selbst nach abgeschlossener Ausbildung jahrelang als Maurer gearbeitet. Darum beschreibt er überzeugend das Handwerk, die Schwierigkeiten auf der Baustelle und gruppendynamische Abläufe in einem multinationalen Team. Auch andere Texte des Mundartautors berichten über Bereiche, die er aus eigener Erfahrung kennt. Der Alltag gäbe genügend Stoff, ohne dass viel Fantasie gebraucht werde, erklärte er.
Pedro Lenz verdient seinen Lebensunterhalt mit Lesungen, dem Verkauf von Büchern und dem Schreiben von Artikeln. Der persönliche Kontakt zum Publikum fehle ihm. Umso mehr schätze er das Erzählen von Geschichten zu Hause. Sein kleiner Sohn zeige eine erfreuliche Affinität für Bücher.

Helen Käser


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