Zu Besuch auf den Geschäftsstellen des Hornusser- und des Schwingerverbandes

  27.05.2021 Aktuell, Kirchberg, Foto, Kultur, Region, Vereine, Sport, Ersigen

Die Schweizer Nationalsportarten erfreuen sich in der Region grosser Beliebtheit. Sowohl das Emmental als auch der Oberaargau gehören zu den Hochburgen des Hornussens wie des Schwingens. Deshalb erstaunt es kaum, dass sich die Geschäftsstellen des Eidgenössischen Hornusserverbandes (EHV) und des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV) in Kirchberg beziehungsweise in Ersigen befinden. Diese sind wichtige und unentbehrliche Kommunikations- und Schaltstellen der beiden Verbände. Die Leiter entlasten und unterstützen die ehrenamtlichen Funktionäre, erledigen im Hintergrund administrative Arbeiten und übernehmen auch wichtige operative Funktionen. Die Zeitung «D’REGION» stattete den beiden einen Besuch ab und traf sich mit ihnen zum
Gespräch.

Die Hornusser sind längst im digitalen Zeitalter angekommen
Bruno Ryser leitet seit 2014 die Geschäftsstelle des Eidgenössischen Hornusserverbandes, die sich in seiner Privatwohnung an der Ersigenstrasse 32 in Kirchberg befindet. Hier hat er sein Büro eingerichtet, hier empfängt er Besucherinnen und Besucher. Von 2003 bis 2018 präsidierte er die Hornussergesellschaft Rüdtligen-Alchenflüh, in welcher er sich seit dem zwölften Lebensjahr engagierte. Bevor er als Quereinsteiger sein Hobby zum Beruf machte, arbeitete Bruno Ryser unter anderem als Sekundarlehrer und im Informatikbereich. Gegenwärtig ist er vom Verband mit 50 Stellenprozent angestellt – Tendenz steigend. «Die Tätigkeiten der Geschäftsstelle sind seit 2014 kontinuierlich gewachsen», erläutert er. «Dies hängt einerseits mit der fortschreitenden Digitalisierung zusammen, welche die Verbandsarbeiten erleichtert und unzählige Prozesse vereinfacht, aber dennoch für Datenpflege und Aktualisierungen Manpower erfordert. Zudem haben die redaktionellen Aufgaben seit der Einstellung der Eidgenössischen Schwinger-, Hornusser- und Jodlerzeitung im Jahr 2019 markant zugenommen. Über unsere Website, über Social-Media-Kanäle und per App publizieren wir Berichte mit allen relevanten Informationen rund ums Hornussen. Ungefähr 100 Personen erhalten die Mitteilungen des Verbands derzeit noch in gedruckter Form – die Nachfrage nimmt aber permanent ab. Die Hornusser sind neuen Technologien gegenüber äusserst aufgeschlossen und sehr innovativ. Wir sind definitiv im digitalen Zeitalter angekommen.»

Einmalige Kombination von Einzel- und Mannschaftssport
Bruno Ryser führt die Faszination des Hornussens auf verschiedene Aspekte zurück: «Die Kombination von Einzel- und Mannschaftswettkampf ist einmalig. Beim Hornussen zählt sowohl die individuelle Leistung des Schlägers als auch die Geschlossenheit des Teams beim Abtun im Ries. Wer am Bock steht und den Nouss sauber trifft, verspürt einen Adrenalinkick, der den ganzen Körper durchströmt. Die Riesarbeit ist aber ebenfalls faszinierend: Alle sind gefordert, man muss immer bei der Sache sein. Ich schätze zudem das verbindende Element unseres Sports: Die Mitglieder einer Hornussergesellschaft stammen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten. Oftmals sind sowohl Vater als auch Sohn aktiv. Hornussen ist durchaus ein familienfreundliches Hobby.»

«Den Spielbetrieb unbedingt sicherstellen»
In den vergangenen Wochen waren der Eidgenössische Hornusserverband und die Geschäftsstelle äusserst gefordert. Angesichts der sich permanent verändernden Pandemie-Entwicklung und den damit zusammenhängenden Restriktionen mussten wichtige Entscheide betreffend Durchführung der Meisterschaften getroffen werden. «Nachdem die Saison im vergangenen Jahr coronabedingt ausfiel, wollten wir den Spielbetrieb unbedingt sicherstellen», so Bruno Ryser. Deshalb arbeitete die Meisterschaftskommission – nachdem ein Antrag auf eine Sondergenehmigung für den Hornussersport beim Bundesamt für Sport scheiterte – einen neuen Spielmodus aus, der mit den aktuellen Massnahmen des BAG konform ist. Neu setzt sich eine Mannschaft aus 18 Spielern zusammen, unterteilt in drei Gruppen, die jeweils einzeln gegen die Gruppen des Gegners antreten. Die Ligameis-
terschaft musste allerdings in eine Stärkeklassenmeisterschaft umgewandelt werden, da sich angesichts der schwierigen Situation knapp die Hälfte aller Mannschaften von der aktuellen Saison zurückzog. Gegenwärtig deutet vieles daraufhin, dass im Rahmen des nächsten Öffnungsschrittes wieder zum normalen Spielbetrieb zurückgekehrt werden kann.

Konsequenzen der Coronakrise lassen sich momentan schwer abschätzen
Wie sehr die Coronakrise dem Hornussen langfristig schadet, lässt sich gemäss Bruno Ryser gegenwärtig nicht mit Sicherheit abschätzen: «Viele Freiwillige investierten viel Zeit und Herzblut für die Vorbereitung von Festen und Anlässen, die leider abgesagt werden mussten. Ihnen gebührt für den Einsatz ein riesiges Dankeschön. Es ist möglich, dass einige der Aktiven durch die spielerische Zwangspause dem Sport künftig fernbleiben werden. Andererseits wächst aber vor allem bei jungen Leuten die Lust, etwas zu unternehmen – der eine oder die andere wird sicherlich neu den Hornussersport für sich entdecken. Vor Corona ist es gelungen, den Spielernachwuchs relativ konstant zu halten. Wir hoffen, dass dies auch in Zukunft möglich sein wird.»

Die Geschäftsstelle des Eidgenössischen Schwingerverbandes feiert das zehnjährige Bestehen
Die Geschäftsstelle des Eidgenössischen Schwingerverbandes befindet sich an der Rumendingenstrasse 1 in Ersigen. Sie wurde im Mai 2011 eröffnet und feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. «Ihre Gründung vor einem Jahrzehnt war keineswegs unumstritten», erinnert sich Rolf Gasser, der hauptamtliche Leiter der Geschäftsstelle. «Damals kristallisierte sich immer deutlicher heraus, dass angesichts des Booms, den der Schwingsport erlebt, viel Arbeit auf den Verband zukommt und die ehrenamtlichen Funktionäre auf professionelle Unterstützung angewiesen sind. In den letzten Jahren zeigte sich immer deutlicher, wie unentbehrlich die Geschäftsstelle ist. Zahlreiche Arbeiten wurden neu bei uns angesiedelt – etwa die Führung des Archivs des ESV, die Betreuung der Hilfskasse des Verbands oder die Herausgabe des Mitteilungsorgans Sägemehlsplitter, das hauptsächlich in digitaler Form gelesen wird.» Der Kranzschwinger und diplomierte Käsemeister Gasser, der in Ersigen lebt, wird von den beiden Mitarbeiterinnen Tanja Haas und Nicole Rohner unterstützt, die zusammen ein 100-Prozent-Pensum ausüben. Bei der Geschäftsstelle angesiedelt ist zudem Werner Christen, der Ausbildungsverantwortliche Jugend + Sport des Eidgenössischen Schwingerverbandes mit 20 Stellenprozent. Rolf Gasser vergleicht seine Tätigkeit gerne mit der eines Liberos in einer Fussballmannschaft, der zugleich als Organisator, Antreiber, Ausputzer und Spielmacher fungiert. Gasser erledigt administrative Arbeiten, ist für Medienanfragen zuständig, übernimmt eine wichtige Schnittstellenfunktion bei den Eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten, ist Werbeverantwortlicher, verhandelt mit dem Schweizer Radio und Fernsehen und amtiert für verschiedenste Stellen als Ansprechpartner bei Sorgen und Problemen. «Ich bin also durchaus als Allrounder tätig», lacht er. Der Eidgenössische Schwingerverband zählt insgesamt 64 000 Mitglieder und weist einen Bestand von 6000 Aktiven und Jungschwingern auf. Pro Jahr werden ohne die Eidgenössischen Anlässe normalerweise rund 300 Schwingfeste durchgeführt, die einen Umsatz von rund 50 Millionen Franken generieren.
 
«Schwingen um jeden Preis»
Die Pandemie hat auch den populären Schwingsport hart getroffen. Im vergangenen Jahr fanden keine Schwingfeste statt. In diesem Jahr lautet die Devise des Verbands «Schwingen um jeden Preis». Ziel ist es, so viele Anlässe wie möglich durchzuführen – selbst wenn aufgrund der Vorgaben des Bundes keine oder nur wenige Zuschauer/innen erlaubt sind. «Wir gehen zurück zu den Wurzeln und beschränken uns auf das absolute Minimum. Unabdingbar für die Durchführung eines Schwingets sind neben den Schwingern das Sägemehl, die Kampfrichter sowie das Einteilungskampfgericht. Mehr ist nicht vonnöten», betont Rolf Gasser. Erste Jung- und Nachwuchsschwingertage haben heuer bereits stattgefunden. Ab dem 1. Juni 2021 sind voraussichtlich auch Ü20-Feste mit maximal 30 Teilnehmern wieder möglich (Stand bei Redaktionsschluss; die Ausgangslage kann sich infolge des Bundesratsentscheids über die weiteren Öffnungen am Mittwoch, 26. Mai, noch ändern). Die Schwinger fordern allerdings – ebenso wie andere Sportverbände – eine Anhebung der Obergrenze auf bis 100 Personen. Den definitiven Entscheid wird der Bundesrat in Kürze fällen. Die Kranzfestsaison soll nach Möglichkeit ab Juli beginnen. «Die Schwingerfamilie wartet sehnsüchtig auf den Start der Wettkämpfe», erklärt Gasser. «Die Pandemie hat uns aber auch Demut und Dankbarkeit gelehrt. Wir dürfen nichts als selbstverständlich annehmen.»
 
Rekrutierung von Nachwuchs als wichtigstes Ziel
Am traditionellen Kilchberger Schwinget im Herbst, einem der Höhepunkte der Saison, soll festgehalten werden. Geplant ist, dass SRF den Anlass live überträgt. «Für den Schwingsport ist es natürlich äusserst wichtig, sichtbar und im Gespräch zu bleiben», erklärt Gasser. «Nur so lässt sich unser wichtigstes Ziel erreichen: die Rekrutierung von neuem Nachwuchs. In den vergangenen Jahren gelang es dem Verband, ein riesiges Publikum für den Kampf Mann gegen Mann im Sägemehl zu begeistern. Daran möchten wir wieder anknüpfen und alle Anspruchsgruppen zufriedenstellen: die Schwinger, die sich sportlich betätigen wollen; das Publikum, das sich auf spannende Kämpfe und spektakuläre Szenen freut; sowie die Sponsoren, welche uns unterstützen, dafür aber auch eine Gegenleistung erwarten.»

Stetiger Lernprozess in der Pandemiezeit
Für Gasser und sein Team auf der Geschäftsstelle hat die Pandemie die Arbeitsbedingungen nachhaltig verändert. «Seit März 2020 haben wir einen stetigen Lernprozess durchgemacht. Mittlerweile sind Online-Meetings gang und gäbe. Wir mussten uns in unzählige neue Aufgabenbereiche einarbeiten und haben noch nie so viel kommuniziert wie in den vergangenen Monaten – sei dies gegen aussen oder innerhalb des Verbandes. Es galt, viele Herkules-Aufgaben zu bewältigen. Nun sind wir aber bestens gewappnet für all das, was noch auf uns zukommen wird.»
Wie Bruno Ryser äussert Rolf Gasser sein Bedauern für alle Organisatoren, die im Jahr 2020 beziehungsweise 2021 mit grossem Elan ein Fest auf die Beine stellen wollten, viel Arbeit investierten, letztlich aber aufgrund der unsicheren Lage auf die Durchführung verzichten mussten.

Markus Hofer

 


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