Spycherdrehung in Affoltern im Emmental

  02.06.2021 Affoltern i.E., Aktuell, Foto, Gesellschaft

Im Zentrum der ersten Jubiläumsfestivität stand der Dorfspycher. Das Organisationskomitee des Trägervereins «875 Jahre Affoltern im Emmental» hatte dazu zahlreiche Ehrengäste eingeladen. OK- und Gemeindepräsident Roland Ryser begrüsste alt Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Ehrenbürger von Affoltern i. E., Nationalratspräsident Andreas Aebi und die Regierungsrätin der Bildungs- und Kulturdirektion, Christine Häsler. Auch Daniel A. Meyer, Verwaltungsratspräsident der Emmentaler Schaukäserei AG, und Schwingerkönig Matthias Sempach gehörten zu den Geladenen. Durch die Feier führte die Fernseh- und Radiomoderatorin Sonja Hasler.

Affoltern i. E. hat eine längere Geschichte als Burgdorf und Bern
Die Gemeinde Affoltern i. E. ist ein beliebtes Ausflugsziel für Velofahrer und Wanderer. Auch die blumengeschmückten Bauernhäuser, alten Speicher und die Emmentaler Schaukäserei
ziehen Touristen aus der näheren und weiteren Umgebung an. Nationalratspräsident Andreas Aebi betonte die Bedeutung des Emmentals. Bei einem Botschafterausflug will er seinen Gästen diese Gegend zeigen, auch seine Nationalratspräsidentenfeier plane er auf der Lueg. Alt Bundesrat Schneider-Ammann erinnerte sich an seine Kindheit in der Gegend. Er freut sich über die Attraktivität des Dorfes mit der bekannten Schaukäserei. Als diese gebaut wurde, sei er als Junge entrüstet gewesen, dass den Kindern das einzige flache Gelände im Dorf, ihr Fussballfeld, genommen wurde. Heute wisse er, dass der Entscheid richtig gewesen sei.

Der Dorfspycher Ausserhof ist ein besonderes Schmuckstück
Der Dorfspycher entstand 1617. Genutzt wurde er zur Lagerung von Getreide, Fleisch und Dörrfrüchten. Aber auch Kleider, Geld, Tuch, Garn, Schriften und Wertsachen wurden hier aufbewahrt. Die Türe schaute Richtung Bauernhaus, damit die Bauersleute ihren Besitz stets im Auge hatten. Bei einer Strassenkorrektur 1983 musste der Spycher verlegt werden. Die Stiftung Dorfspycher übernahm dessen Wiederaufbau in seiner ursprünglichen Form. Er soll der Gemeinde als Zeitzeuge erhalten bleiben. Seither fahren die Autos auf der Hauptstrasse zwischen Bauernhaus und Spycher, der weiter Richtung Strasse, also nach Norden ausgerichtet war.
Die Gemeinde äusserte den Wunsch, den Spycher zur besseren und sichereren Nutzung zu drehen. Die Denkmalpflege hat mit ihrer Bewilligung zum ersten Mal einer Spycherdrehung zugestimmt. Christine Häsler, als Regierungsrätin auch zuständig für die Denkmalpflege, zeigte sich zufrieden mit diesem Entscheid. Die Drehung sei aus Sicherheitsgründen gerechtfertigt und ermögliche eine intensivere Nutzung und das weitere Bestehen dieses Denkmals. Somit stand dem Vorhaben nichts mehr im Wege, den ältesten Spycher der Gemeinde von seinen Sockeln zu heben, zu drehen und wieder abzusetzen.

«Wie kommt der Spycher zur Jungfrau?»
Für eine detaillierte Planung und Vorbereitung übernahmen die Firmen Käser Holzbau AG und Emil Egger AG die Verantwortung. Metallträger wurden unter das Holzgebäude gelegt und mit Schlaufen am Pneukran fixiert. Dann begannen die Kirchenglocken zu läuten, während der Spycher angehoben wurde. Daraufhin drehten Schwinger­könig Matthias Sempach sowie eine Schwingerin und vier Schwinger des Schwingklubs Sumiswald das alte Gebäude um 180 Grad. Das Publikum hielt den Atem an, Fotografen und Filmer suchten mit ihren Kameras den besten Winkel. Alle waren gleichermassen fasziniert. Als der Kran seine Last langsam und punktgenau wieder absetzte, applaudierten die Zuschauenden. Nun befindet sich der Zugang, nach 404 Jahren, auf der von der Hauptstrasse abgewandten, südlichen und ruhigeren Seite. Durch diese Drehung öffnet sich der Blick vom Eingang Richtung Berge, Richtung Eiger, Mönch und Jungfrau. Und so beantwortet sich die Frage Rysers wie von selbst: «Wie kommt der Spycher zur Jungfrau?»

Pflastersteine für den Dorfspycher
Spezielle Pflastersteine sollen neben dem altehrwürdigen Gebäude gesetzt werden. Sie tragen die Namen von Sponsorinnen und Sponsoren, die auf diese Art verewigt bleiben. Die Ehrengäste setzten ihre «Bsetzisteine» provisorisch in eine Holzkiste. Interessierte können sich an einem Wettbewerb beteiligen. Sie sollen das Gesamtgewicht des Spychers schätzen. Als Hilfe wurden einige Details verraten: Das Holzvolumen übersteige 30 Kubikmeter und die Dachflächen seien mit Biberschwanzziegeln gedeckt.
Weitere Anlässe zu «875 Jahre Affoltern i. E.» sind geplant: Am 26. und
27. Juni 2021 findet das «Fest Dorfspycher» und am 3. Oktober 2021 das «Fest Campanile» statt. Hier wird die alte Kirchenglocke nach einer aufwendigen Renovation einen neuen Platz im «Campanile» neben der Kirche bekommen.

Helen Käser


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