Der Schiesssport mit Tuning-Charakter

  13.07.2021 Aktuell, Foto, Region, Koppigen, Sport

Spitzensportler zu sein ist gewiss nicht einfach. Mit zunehmendem Alter ist es kaum zu verhindern, dass die körperliche Leistungsfähigkeit und die Reaktionszeit abnehmen. Bereits beim Ausnahmetalent Roger Federer mit seinen «nur» 39 Jahren wird nach dem aktuellen Wimbledon-Aus dessen sportliche Zukunft heiss diskutiert. «Vielleicht war’s das jetzt mit Federer», plakatierte etwa «DER SPIEGEL». Dominic Meier aus Koppigen zeigt, dass es auch anders geht und ab 40 noch nicht Schluss sein muss. Der 51-Jährige ist schweiz- und weltweit einer der besten IPSC-Pistolenschützen – und das seit fast 30 Jahren. Vor knapp zwei Wochen bewies er dies erneut und gewann die Schweizermeisterschaft gleich in zwei Kategorien – nicht nur in der Kategorie Senior (ab 50+), sondern auch in der Gesamtwertung. Das Sportschiessen ist aber «nur» ein Hobby, Dominic Meier ist voll berufstätig als Vorsorgeberater bei Swiss Life.

Möglichst schnell, möglichst genau
Die «International Practical Shooting Confederation», kurz IPSC, ist der Dachverband einer Schiesssportart, welche sich als «dynamisches Schiessen» vom hierzulande eher bekannten «statischen» Schiesssport unterscheidet. So liegen die Schützen nicht auf dem Boden und schiessen auf mehrere Hundert Meter entfernte Ziele, sondern bewegen sich aktiv auf sogenannten Parcours und messen sich auf Zielen, welche teilweise nur einige Meter entfernt sind und sich zum Teil auch bewegen. Dabei spielt nicht nur die Genauigkeit des Schützen, sondern auch die benötigte Zeit eine tragende Rolle. Ein Parcours dauert meistens von wenigen Sekunden bis zu einer halben Minute. Der zwölffache Schweizermeister Dominic Meier erklärt seine Faszination: «Beim ISPC-Schiessen geht es darum, möglichst schnell und möglichst genau zu sein. Nach dem Piepston zum Start vergeht bei mir bis zum ersten Schuss vielleicht eine Dreiviertelsekunde und bis zum zweiten Schuss weitere 12 bis 15 Hundertstelsekunden.»
Bei Schweizermeisterschaften, wie jener vom 3. Juli 2021, treten die Schützinnen und Schützen an zwölf Parcours in verschiedenen Kategorien an. So gibt es etwa die «Production»-Kategorie, unter welche Dienstwaffen mit Standardmunition fallen, oder die Kategorie «Classic», bei welcher sich die Teilnehmer mit der Kultwaffe Colt M1911 messen. Dominic Meier hingegen ist auf die Kategorie «Open» spezialisiert: Diese gilt als «Königsklasse» unter den IPSC-Kategorien. «Das ist die Formel 1 des Schiesssportes», schwärmt Meier. «Die Waffe wird hier vom Schützen eigens optimiert und die Munition wird ebenfalls selbst hergestellt. So kann man auch verschiedene Materialien verwenden.» Als Beispiel führt er auf, dass seine Wettkampfpistole vorne besonders leicht und hinten schwer sei. Eine spezielle Mündungsbremse verringert den Hochschlag der Waffe zusätzlich.

Trotz Pause an der Spitze
Seinen ersten IPSC-Schweizermeistertitel gewann Dominic Meier 1995. Erst einige Jahre zuvor, 1992, hatte er das IPSC-Schiessen überhaupt entdeckt. Schiesserfahrungen hat Meier aber bereits mit dem Luftgewehr und im 300-m-Schiessen gesammelt. «Das wurde mir aber irgendwann zu langweilig», erinnert sich Dominic Meier. «Ein Freund hatte mir damals ein Video dieser Schiessart aus Amerika gezeigt. Das hat mich sofort interessiert.» Ende 1993 erhielt er bereits ein Aufgebot der Schweizer Nationalmannschaft. Nach dem grossen Erfolg von 1995 folgten bis im Jahr 2000 drei weitere Schweizermeistertitel. Durch einen Muskelriss und eine berufliche Neuorientierung zog sich der Meisterschütze darauf einige Jahre aus der Welt des Sportschiessens zurück. In dieser Zeit widmete er sich unter anderem dem Golfsport, den er auch heute noch gerne betreibt. Doch für Dominic Meier fehlte etwas: «Der Schiesssport war über viele Jahre ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Meine Ferientage gingen eigentlich alle für Wettkämpfe drauf.» 2011 nahm Meier erneut an einem Wettkampf teil. Er war sofort wieder Feuer und Flamme dafür. 2012 folgte der nächste Schweizermeistertitel. In den folgenden Jahren lernte Dominic Meier über das Sportschiessen seine Partnerin Christine Burkhalter kennen. «Ich habe das Potenzial in ihr erkannt und einige Jahre gezielt mit ihr trainiert», erzählt Meier. Heute ist Christine Burk­halter neunfache Schweizermeis­terin und amtierende Weltmeisterin in der IPSC-Kategorie «Standard». Das Paar nahm auch im Ausland wie etwa in Amerika, Russland oder den Philippinen an zahlreichen Wettkämpfen teil.

Talent oder Training?
Doch woran liegt es, dass man auch nach fast 30 Jahren inklusive einer zehnjährigen Pause immer noch an der Spitze mithalten kann? «Meine mentale Stärke und meine Erfahrung sind sicher ein grosser Vorteil», urteilt der mehrfache Schweizermeister. «Bei längeren Parcours sind jüngere Schützen eher schneller, aber ich schiesse mehr Punkte. Ich merke schon, dass die Lücke zwischen mir und den 25- bis 30-Jährigen immer grösser wird. Insgesamt dreht sich die Sportart aber mehr um Geschicklichkeit als um Ausdauer.» So kann es auch vorkommen, dass an Wettkämpfen bestimmte Sonderregeln an einen Parcours geknüpft sind. So muss ein Kurs manchmal mit der schwachen Hand oder aus speziellen Positionen wie von einem Wackelbrett oder einer Wippe  geschossen werden.
IPSC-Schiessen ist, zumindest in der Kategorie «Open», nicht unbedingt ein Sport für jedermann – schon alleine wegen den Kosten. Dominic Meier schätzt, dass er pro Jahr circa 30 000 bis 40 000 (selbst hergestellte) Patronen für sein Training benötigt. Bereits das summiert sich, bei einem Preis von 20 Rappen pro Schuss, auf bis zu 8000 Franken. «Es ist definitiv kein günstiges Hobby», weiss Dominic Meier. Auch die Wettkampfpistolen kosten mehrere Tausend Franken. Als mehrfacher Schweizermeis­ter und Gewinner von Hunderten von Turnieren kann Dominic Meier aber auch auf jahrelange Sponsorenunterstützung zählen. Erschwinglicher wird das Hobby in anderen IPSC-Kategorien, wenn etwa mit Dienstwaffen und normaler Munition geschossen wird. Im Gespräch mit der «D’REGION» betont Dominic Meier mehrmals den Sportcharakter des IPSC-Schiessens. Es gehe ihm nicht um den Verteidigungscharakter beim Schiessen, sondern um den fairen und sportlichen Wettkampf. «Ich habe auch keine Waffensammlung zu Hause, sondern lediglich meine speziellen Wettkampfpistolen. Die sportliche Leistung steht klar im Vordergrund.»

Viel Nachfrage, wenig Möglichkeiten
Dominic Meier gibt sein umfangreiches Wissen auch gerne weiter. So bietet er für erfahrene Sportschützen Coachings an. Besonders freut es Meier, dass der St. Galler Manuel Schneider, welchen er seit zwei Jahren unterstützt, dieses Jahr seinen ersten Schweizermeistertitel in der Kategorie «Production» gewonnen hat. Bei der Waffen Ingold AG in Höchstetten bietet Dominic Meier auch Schnupper- und Grundkurse für Interessierte an. Denn der richtige Umgang mit einer Waffe ist essenziell: «Es ist wichtig, die Waffe mit Respekt zu behandeln, da sie eine verheerende Wirkung haben kann. Das ist bei einem Fahrzeug aber auch nicht anders. Wer sich dafür interessiert, kann gerne an einem Kurs teilnehmen und mehr darüber lernen.» Trotz des sportliches Charakters des IPSC-Schiessens – so finden zurzeit etwa auch Abklärungen des Schweizer Verbands für Dynamisches Schiessen für eine mögliche Zulassung zu den Olympischen Spielen statt – schwinden in der Schweiz nach und nach die Möglichkeiten, diesen Schiesssport auszuüben. Und das, obwohl die Nachfrage stetig steige. «Die Kurse, die etwa alle zwei Wochen stattfinden, sind immer voll ausgebucht», sagt Dominic Meier. Seit 2020 gilt ein neues Gesetz, welches bestimmt, dass auf Schiessanlagen nicht mehr direkt aufs Erdreich geschossen werden darf. Aus diesem Grund mussten einige Hobbyschützen, wie auch Dominic Meier, auf Indoor­anlagen ausweichen.
Durch das Coronavirus wurde in diesem Jahr auch der Schiesssport zwangsentschleunigt. Dass alle Schiessveranstaltungen ins Wasser gefallen sind, hatte für Dominic Meier durchaus auch seine guten Seiten: «Für meine Partnerin und mich gab es oft nur ‹Arbeiten und Schiessen›. Die Pause hatte also auch etwas Schönes. Wir haben uns erholt und einmal einfach nichts gemacht.» Doch ausgeschossen sind die beiden Meisterschützen noch nicht: Bei der nächsten Weltmeisterschaft, welche 2022 in Thailand stattfinden soll, will Christine Burkhalter ihren Weltmeis­tertitel verteidigen. Und Dominic Meier liebäugelt mit dem Weltmeistertitel der Senioren. Doch je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger wird es, wie Meier weiss: «Jedes Jahr rücken starke Spieler in die Kategorie 50+ nach.» So ist es ein Rennen gegen die Zeit, genau wie auf den Parcours beim dynamischen Schiessen. Und damit kennt sich Dominic Meier ja bestens aus.

David Kocher

www.dominicmeier.ch / www.ipscshop.ch


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