Altersgerechte Wohnmodelle rechtzeitig aufgleisen

| Mi, 22. Sep. 2021

HASLE B. BURGDORF: Zwei Fachpersonen zeigen anhand von Beispielen auf, wie bis 2030 dank vierter Säule und angepassten Wohn- und Pflegemodellen Perspektiven geschaffen werden können. zvg

In einem Punkt sind sich alle Verantwortlichen und Interessierten einig: Die Lebenserwartungen bei Männern und Frauen steigen, die Bedürfnisse dieser Altersgruppe ändern sich in zunehmendem Mass. Immer mehr Menschen wollen immer länger mit entsprechender Unterstützung in den eigenen vier Wänden bleiben; der Lebensqualität auch in hohem Alter kommt immer mehr Bedeutung zu.

Wir sind auf unsere Pensionierten angewiesen
Rosmarie Habegger, Mitglied der RKE-Kommission für Altersplanung, kann im voll besetzten Saal des «Kalch­ofen» in Hasle b. B. Vertretungen von Gemeinden, Alters- und Pflegeheimen, Spitex-Organisationen, Sozial­diensten, Kirchgemeinden und weiteren im Emmental tätigen Organisationen begrüssen. Sie begründet, warum die normalen Herausforderungen durch die Coronapandemie noch verstärkt worden sind.
Professor Dr. François Höpflinger erläutert, «warum neben einer Alters­politik zugunsten hilfe- und pflegebedürftiger alter Menschen einer kompetenzorientierten Alterspolitik verstärkte Bedeutung zukommt». Sehr einleuchtend, «weil die demografische Alterung ohne Nutzung der Erfahrungen, Kompetenzen und Ressourcen gesunder pensionierter Frauen und Männer nicht zu bewältigen ist».
Anhand verschiedener Beispiele belegt Höpflinger, dass eine kompetenzorientierte Alterspolitik das soziale Engagement älterer Generationen fördert, vernetzt und anerkennt. Schon heute existieren zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte wie «Senioren helfen Senioren», «Pensionierte als Mentoren für junge Menschen» usw., wobei sich generationenübergreifende Aktivitäten für beide Seiten als Bereicherung erweisen. Die Freiwilligenarbeit hat sich von 2000 bis 2020 leicht erhöht, wobei befragte Personen zwischen 65 und 74 Jahren und ebenso solche über 75 Jahren mehrheitlich erklären, «sie fühlen sich nicht alt». Dazu kommt, dass gemäss Umfragen in Freiwilligenarbeit engagierte Personen mehr Lebenszufriedenheit bestätigen als nicht engagierte.

Andere Ansprüche als früher
Auffallend ist, dass heutige Generationen – gut ausgebildet und professionell geschult – freiwillige Tätigkeiten anders ausführen wollen als frühere: anspruchsvollere Tätigkeiten, bei denen sie ihre Erfahrungen einbringen können, keine fremdbestimmten Hilfsarbeiten, eigenbestimmte Aktivitäten organisieren und ganz wichtig: Engagement ja, aber nicht auf unbestimmte Zeit für unbestimmte Funktionen.
Der Redner erläutert Zeitvorsorge­systeme und Zeitmodelle, bei denen sich Gebende und Nehmende auf Augenhöhe begegnen. Bei ersterem wird der tatsächliche Bedarf an Hilfeleistungen abgeklärt, da das Angebot bisweilen den Bedarf übersteigt. Offen ist derzeit, was mit den angehäuften Zeitgutschriften bei Freiwilligenarbeit geschieht, die den Helfern gutgeschrieben werden. Kann jemand, der mit 50 Jahren hilft und für 75 Stunden eine Gutschrift erhält, diese 75 Stunden als 80-Jähriger einziehen? «Das überschreitet den politischen Handlungshorizont der Gegenwart», stellt Höpflinger fest. Es gelte, noch detailliertere Abklärungen zu treffen.

Visionen zu «Wohnen im Alter»
Michael Kirschner, zugeschalteter wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Alter bei Curaviva Schweiz, erläutert gemachte Erfahrungen zur Vision «Wohnen im Alter», die schliesslich ins «Wohn- und Pflegemodell 2030» einfliessen sollen. Wichtig sei der Koordinationsaustausch innerhalb der Gemeinden. Zahlreiche Fragen bedürfen sorgfältiger Prüfung und müssen realistisch aufgegleist werden wie neue Wohnformen im Alter, integrierte Versorgung und Alterspolitik, eine «sorgende Gemeinschaft», Freiwilligenarbeiten und das Erwachsenenschutzrecht. Nicht zu vergessen Strategien für differenzierte Versorgungskonzepte und als Problemfeld die Finanzierung und Steuerung des Versorgungssystems.
Als Gestaltungsmuster für die kommunale Alterspolitik führt er den Fokus auf Kernaufgaben (Pflege und Betreuung in gesetzlich geregeltem Rahmen) an. Weiter die Kooperation zwischen den Gemeinden (Kernaufgaben gemeinsam organisieren) sowie die integrierte Versorgung (Information, Beratung und Unterstützung). Als Übergänge zur umfassenden Alters­politik empfiehlt er den Einbezug von Entscheidungsprozessen oder die Unterstützung von Projektideen, besonders bei innovativen Modellen. Als Krönung bezeichnet Kirschner eine umfassende Alterspolitik, welche die Beteiligung am öffentlichen Leben und die Mitgestaltung dieser Politik ermöglicht, also weg vom klassischen Alters- und Pflegeheim zu dezentralen Leistungsanbietern und begleitetem Wohnen. Beim Apéro bleibt viel Zeit für ausführliche Diskussionen.

Gerti Binz

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