Hier ist das ganze Jahr Weihnachten

Fr, 17. Sep. 2021

OBERBURG: Charlotte Zwahlen hat in den vergangenen 30 Jahren einige Tausend Krippenfiguren von Hand hergestellt. red

Wie definiert man ein «perfektes» Hobby? Als Erstes denkt man sicherlich daran, dass die Beschäftigung etwas sein muss, das man besonders gerne macht. Das Hobby sollte ausserdem etwas sein, worauf man sich immer freuen kann, und etwas, das einem auch nach Jahren – oder vielleicht sogar nach Jahrzehnten – immer noch grosse Freude bereitet.
Jemand, der genau eine solche Freizeitbeschäftigung gefunden hat, ist die in Oberburg wohnhafte Charlotte Zwahlen. Seit über 30 Jahren fertigt die gelernte Verkäuferin mit grosser Leidenschaft Krippenfiguren an. Bei einem Besuch der Zeitung «D’REGION» erklärt Charlotte Zwahlen eindrücklich, was für eine abwechslungs- und umfangreiche Arbeit hinter einem Josef, einer Maria oder einer Hirtenfigur steckt.

Von «Bäbis» zu Krippenfiguren
«Bei mir ist jeden Tag Weihnachten», erzählt Charlotte Zwahlen lachend. «Manchmal fragen mich Leute im Sommer, ob ich denn schon wieder an den Krippenfiguren arbeite. Aber ich höre gar nie damit auf.» Schliesslich arbeitet sie an so ziemlich jedem Tag im Jahr an ihren Krippen­figuren. Hunderte von Figuren in den verschiedensten Arbeitsstadien stehen in der Wohnung und einem zugemieteten Hobbyraum. Dazu kommen noch weitere Kellerabteile, welche ihr netterweise von Nachbarn zur Verfügung gestellt werden, welche mit Landschaftsmodellen wie Palmen, Palästen und Häusern für die Präsentation von Ausstellungsszenen gefüllt sind. Doch so eine gigantische Sammlung entsteht nicht aus dem Nichts.
Begonnen hat die Bastelleidenschaft vor ziemlich genau 50 Jahren mit einem «Bäbi». «Als ich 17 Jahre alt war, habe ich ein ‹Bäbi› für ein blindes Mädchen angefertigt», erzählt Charlotte Zwahlen. «Da hat es mich direkt gepackt. Auch meine Schwester Kathrin hat mitgeholfen und Kleider für die Puppen, die ich von da an gemacht habe, genäht.» Irgendwann stand die Frage im Raum, was die beiden Schwestern mit den ganzen «Bäbis» denn nun eigentlich machen wollen. Schliesslich kam die zündende Idee: «Gehen wir doch ‹z Märit›!» Kurze Zeit später waren die Schwes­tern Charlotte und Kathrin dann tatsächlich mit einem Stand am Berner «Zibelemärit» vertreten. Eine unvergessliche Erfahrung: «Das hat richtig ‹gfägt›. Wir haben viel verkauft und uns wahnsinnig gefreut», erinnert sich Charlotte Zwahlen. So besuchten sie weiterhin Märkte und verkauften ihre Puppen, bis Charlotte Zwahlen auf bewegliche Krippenfiguren aufmerksam wurde. Fasziniert besuchte sie selbst einen Kurs zur Herstellung solcher Figuren und bot diese schliesslich auch auf dem Markt feil. «Meine Schwester hatte zuerst Angst, dass die Krippenfiguren unsere anderen ‹Bäbis› abwerten», so Charlotte Zwahlen. Doch eher das Gegenteil war der Fall. Die Krippenfiguren waren heiss begehrt und die Schwestern besuchten zusammen weitere Kurse und konzentrierten sich schliesslich nur noch auf die Krippenfiguren. Auch heute sind Charlotte Zwahlen und Kathrin Fischer ein eingespieltes Team und betreiben über www.krippenfiguren-zwafi.ch
eine gemeinsame Internetseite mit Webshop. «Mittlerweile gehören wir in der Schweiz zu den grössten Verkäufern für Artikel rund um Krippenfiguren und Accessoires», weiss Charlotte Zwahlen. Sie freut sich dabei besonders, dass sie diese grosse Leidenschaft über all die Jahre mit ihrer Schwester teilen konnte. Kathrin Fischer führt mittlerweile ein Atelier und Verkaufslokal in Steffisburg (dem Herkunftsort der Schwestern), wo sie auch Kurse zur Herstellung persönlicher Krippenfiguren anbietet.

Ein vielseitiges Handwerk Die erste Krippenfigur hat Charlotte
Zwahlen vor rund 35 Jahren in einem Kurs hergestellt. Heute fertigt die 67-Jährige nach eigener Schätzung pro Jahr um die 150 Figuren – darunter Josefs, Marias, Engel, Hirten und Könige – an. «Insgesamt habe ich sicher einige Tausend Krippenfiguren von Hand gemacht», schätzt die Oberburgerin. Doch trotzdem sieht sie die «Bastelei» an den Figuren nicht als Arbeit, sondern weiterhin als wahre Freude an, wie im Gespräch schnell klar wird: «Wenn mich jemand fragt, ob ich gerade arbeite, sage ich immer ‹Nein, aber ich nähe gerade›. Jeden Tag freue ich mich aufs Neue darauf, an den Krippenfiguren etwas zu machen.» Das liegt unter anderem daran, dass jede Krippenfigur eine wohl fast einzigartige Vielfalt an verschiedenen Arbeitsschritten beinhaltet. Fast alles an den Figuren verarbeitet die zweifache Mutter selbst oder mit Hilfe von Freunden. Das geht von den kleinen Schuhen über die Gewänder, welche teilweise selbst gefärbt sind, bis hin zu Taschen und Trinkflaschen oder dem Beziehen von Eseln mit echtem Fell. Einige der «Zutaten» sind sogar äusserst exotisch: Die drei Könige (oder waren es – wenn man die Könige im Glasschrank betrachtet – doch etwa um die dreissig?) sind beispielsweise mit Stoffen und Zierschmuck aus Marokko eingekleidet. Mittlerweile reist Charlotte Zwahlen jährlich nach Nordafrika, um sich mit neuen Stoffen und Bastelmaterialen einzudecken. Nur mit Holz arbeite sie nicht: Viele Holzarbeiten, etwa Stäbe, Lampen sowie die Grundgerüste der Figuren, bezieht sie von der BEWO Oberburg.  

«Fertig» ist nicht gleich «fertig»
Auch wenn eine Figur äusserlich «fertig» wirkt, heisst das noch lange nicht, dass sie auch «fertig» ist, wie Zwahlen erklärt: «Schliesslich lebt sie dann noch nicht!» Ausschlaggebend für ihre Krippenfiguren ist nämlich die finale Präsentation. «Wir stellen die Figuren so dar, als ob sie wirklich leben. Man muss den Figuren Leben einhauchen», weiss die 67-Jährige. «Jede Figur muss etwas machen. Wir stehen schliesslich auch nicht einfach so in der Gegend rum.» Einen Schwerpunkt setzt die leidenschaftliche Bastlerin (auch wenn der Begriff der vielfältigen Handarbeit nicht Genüge tut) auf die Interaktion der Figuren miteinander und mit ihrer Umgebung. Mit Stöcken, Laternen und anderen Accessoires können so lebensechte Situationen erschaffen werden. Dadurch, dass jede Krippenfigur einzigartig ist und Kopf, Arme und Beine beweglich sind, ergeben sich immer neue Möglichkeiten, «auch wenn wir die Weihnachtsgeschichte nicht umschreiben können».
Ihre Werke präsentiert die Oberburgerin auch an liebevoll gestalteten Ausstellungen. Dieses Jahr findet vom
29. Oktober bis zum 7. November 2021 ihre 31. Ausstellung im «Näijerehuus» im solothurnischen Hersiwil statt. Bei den Ausstellungen wird die Detailverliebtheit von Charlotte Zwahlen am deutlichsten ersichtlich. Mit immer wechselnden Ausstellungsräumen möchte sie die Präsentation stets frisch und abwechslungsreich halten. So hat Charlotte Zwahlen auch von treuen Besucherinnen und Besuchern gehört, dass ihre Ausstellungen jeweils die Weihnachtszeit einläuten.
Alleine für die Vorbereitung planen die Schwestern zwei Wochen ein. Dabei können sie auf die tatkräftige Unterstützung von Freunden, Bekannten und ihren Söhnen zählen, welche sie beispielsweise auch beim Aufbau des Onlineshops unterstützt haben.

David Kocher
Weitere Informationen und tolle Ausstellungs­impressionen unter www.krippenfiguren-zwafi.ch.

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