Berner Fachhochschule: Burgdorf bezieht Stellung

  29.11.2011 Aktuell, Wirtschaft, Burgdorf, Bildung / Schule, Gesellschaft, Region, Politik

An einer Medienkonferenz nahm die Stadt Burgdorf am Montag Stellung zum Bericht des Regierungsrats an den Grossen Rat betreffend Standortkonzentration der Berner Fachhochschule (BFH). In diesem bekräftigte die Exekutive ihren Entscheid, die BFH in Biel und Bern konzentrieren zu wollen und den Standort in Burgdorf mittelfristig zu schliessen.
Der Gemeinderat der Zähringerstadt präsentierte in den alten Aebi-Hallen die Ergebnisse einer eigenen Expertise, die sie bei dem unabhängigen Unternehmen MKR Partner AG in Solothurn in Auftrag gegeben hatte. Im Gutachten werden die Entscheidungsgrundlagen des Regierungsrats analysiert und der Standortentscheid aus bildungspolitischer und ökonomischer Sicht hinter­fragt.
«An diesem ebenso altehrwürdigen und zukunftsträchtigen Ort mitten im urbanen Burgdorf, in nächster Nähe zum Bahnhof, soll sich die Berner Fachhochschule weiterentwickeln und in eine glorreiche Zukunft schreiten», erklärte Stadtpräsidentin Elisabeth
Zäch zuversichtlich. Roland Loosli, Präsident der HIV-Sektion Burgdorf-Emmental, zeigte sich ebenso wie Gross­rat Samuel Leuenberger überzeugt, dass eine Teilkonzentration der Berner Fachhochschule in Burgdorf und Biel eine weitaus effizientere Variante darstellt als jene, die der Regierungsrat vorgeschlagen hat.

Die Expertise der MKR Partner AG
In ihrer Expertise spart die MKR Partner AG nicht mit Kritik am Ergebnisbericht des Kantons und dem daraus abgeleiteten Standortentscheid des Regierungsrates. In der Expertise heisst
es u.a.: «Bei der Analyse [...] musste festgestellt werden, dass die Gewichtung der Kriterien für die Beurteilung der Standortofferten von Bern, Biel und Burgdorf während des Verfahrens geändert worden ist. Wir müssen vermuten, dass diese Änderung erfolgte, weil sich nach der ersten Analyse ein nicht gewünschtes Ergebnis abzuzeich­nen begann. Ein solches Vorgehen ist lege artis nicht erlaubt und ist politisch fragwürdig.»
Weiter kritisiert das unabhängige Unternehmen die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Regierungsrats sowie des Rektors der Berner Fachhochschule bei der Erstellung der Expertise.
Die MKR Partner AG hat 18 verschiedene Standortvariationen beurteilt. Die vom Regierungsrat favorisierte Teilkonzentration in Bern und Biel wird dabei als zu teuer eingeschätzt. Der Campus in Biel allein würde Kosten in Höhe von 300 Millionen Franken verursachen – der Qualitätsnutzen für die BFH wäre fraglich. Zudem wäre die Fachhochschule in Bern kurz- und mittelfristig immer noch auf viele Standorte verteilt.
Gemäss der Expertise sind die Va­rianten, welche bestehende Immo­bilien weiter nutzen und für die benötigten Zusatzflächen die Schaffung eines Teilcampus vorsehen, ökonomisch sinnvoll. Dementsprechend empfiehlt die MKR Partner AG eine Teilverlagerung aus Bern und die Erstellung eines Teilcampus sowohl in Biel als auch in Burgdorf. Mit dieser rasch realisierbaren Variante könnte bei einem Finanzbedarf von 200 Millionen Franken (bis 2018) eine sinnvolle, kostensparende Lösung realisiert werden.

Stellungnahme des Gemeinderats
Der Gemeinderat von Burgdorf kritisiert in seiner Stellungnahme die vom Regierungsrat favorisierte Varian­te als «Luxuslösung, die sich der Kanton nicht leisten darf». Zudem entpuppe sich die Berner Offerte Weyermannshaus als fragwürdig, weil die eingeplanten Flächen offenbar gar nicht verfügbar seien. Viel Bausubstanz werde ohne Konzept aufgegeben. Die Burgdorfer Exekutive fordert, die beschränkt vorhandenen Mittel gezielt einzusetzen, um damit das Bestmögliche für die Berner Fachhochschule herauszuholen.
«Die kostengünstigste Variante, welche die bildungspolitischen Absichten des Regierungsrats und die betrieblichen Wünsche der BFH weitgehend erfüllt, ist die Teilverlagerung von Bern und die Erstellung eines Teilcampus in Biel und Burgdorf unter Weiterverwendung der sanierten bisherigen Hauptstandorte», schreibt der Gemeinderat. Die mit dieser Variante eingesparten Mittel würden zudem einen grösseren Spielraum für die Erneuerung der technischen, wissenschaftlichen und didaktischen Infrastruktur erlauben und die Wettbewerbsfähigkeit bedeutend mehr stärken als Investitionen in Mauern und Decken.

Interview mit Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch
«D’REGION»: Mit der von dem unabhängigen Unternehmen MKR Partner AG erstellten Expertise versucht die Stadt Burgdorf, die Diskussion um die Konzentration der Berner Fachhochschule von einer emotionalen auf eine sachliche Ebene zu lenken. Hat der Bericht für Sie überraschende, neue Ergebnisse und Argumente zu Tage gefördert?
Elisabeth Zäch: Das Gutachten bestätigt meine Einschätzung. Ich habe vermutet, dass die Strategie des Regierungsrats, welche eine Preisgebung von hochwertigen Bausubstanzen vorsieht und auf teure Neubauten setzt, betriebswirtschaftlich nicht aufgeht. Die Expertise macht deutlich, dass es sowohl von einem ökonomischen als auch einem bildungspolitischen Standpunkt weitaus sinnvoller wäre, vom Bestehenden auszugehen und die Standorte in Burgdorf und Biel auszubauen. Auf diese Weise kann eine rasche Lösung für eine nachhaltige Zukunft der Berner Fachhochschule realisiert werden. Überrascht hat mich aber die Höhe der Kosten, welche die vom Regierungsrat vorgeschlagene Variante mit sich bringen würde. Allein die Teilkonzentration in Biel mittels eines neuen Schulgebäudes für Technik, Information und Architektur würde 300 Millionen Franken verschlingen.

«D’REGION»: Fördert der Regierungsrat mit seiner Politik auf ungerechtfertigte Weise die Hauptstadt zuungunsten der Regionen und ihrer städtischen Zentren?
Zäch: Es geht nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander. Die Stadt Bern soll ebenso blühen und stark sein wie Interlaken, Thun, Langenthal, Biel oder Burgdorf. Angesichts der Grösse des Kantons und der topografisch schwierigen Lage muss alles unternommen werden, um die Entwicklungsmöglichkeiten in den einzelnen Regionen zu fördern. Der Grosse Rat hat dies erkannt und will neben der Nord-Süd-Achse auch die Ost-West-Achse mit seiner Wirtschaftsstrategie fördern. Bei Entscheiden von grosser Tragweite muss das Gesamtwohl des Kantons im Auge behalten werden.

«D’REGION»: Wie sieht Ihrer Meinung nach die bestmögliche und realisierbare Lösung für die Berner Fachhochschule aus?
Zäch: Ich teile die Meinung der Experten von der MKR Partner AG. Aufgrund der Kostenanalyse wird deutlich, dass die bestehenden Strukturen an den Standorten Burgdorf und Biel weiter genutzt und ausgebaut werden sollten. Am Standort Bern wäre noch die Hochschule der Künste angesiedelt, eventuell auch der Fachbereich Gesundheit.
Diese zukunftsträchtige Lösung ist rasch realisierbar und ermöglicht es der Berner Fachhochschule, sich gegenüber der Konkurrenz stark zu positionieren. Mit den vorhandenen Mitteln wird das Beste aus der BFH herausgeholt.

«D’REGION»: Wie wird es nun weitergehen?
Zäch: Im Grossen Rat wird in der Januar-Session der Bericht des Regierungsrats diskutiert. Wir hoffen, dass die Vernunft siegt, unsere sachlichen Argumente Gehör finden und der Entscheid nochmals überdenkt wird. Unsere Chancen sind sicherlich gestiegen.
Letztendlich liegt die Entscheidung über das weitere Vorgehen in der Kompetenz des Regierungsrats.
Verfolgt er sein Vorhaben weiter, werden irgendwann die Planungskredite zur Debatte stehen. Gegen diese könnten wir ohne Schwierigkeiten das Referendum ergreifen. Für unsere Petition zuguns­ten des Campus haben wir 18 000 Unterschriften gesammelt. Um ein Referendum zu ergreifen, würden wir lediglich 10 000 Unterschriften benötigen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass die Vernunft siegen wird. Markus Hofer\n

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