Gesundheitversorgung im Emmental

  19.11.2013 Aktuell, Hasle bei Burgdorf, Gesellschaft

Der Regierungsrat des Kantons Bern versucht, durch eine restriktive Budgetierung den Finanzhaushalt in den Griff zu bekommen. Defizite und Neuverschuldungen in dreistelliger Millionenhöhe sollen damit verhindert werden. Im Gesundheitswesen soll gespart werden – zur Entrüstung der direkt Betroffenen.

Zu diesem Thema organisierte der Förderverein für das Regionalspital «gesund i.E.»  eine Veranstaltung mit Podiumsdiskussion im Restaurant Kalchofen in Hasle-Rüegsau. Geleitet wurde das Gespräch von Neo-1-Radiomoderatorin Claudia Jaussi. Im Kreuzfeuer stand der Regierungsrat, Gesundheits- und Fürsorgedirektor Dr. Philippe Perrenoud, der als Referent die Interessen des Regierungsrates vertrat. Durch die Steuergesetzrevision (220 Mio. Fr.) und die Senkung der Motorfahrzeugsteuer (120 Mio. Fr.) erlitt der Kanton von 2011 bis 2013 Steuerausfälle von 340 Millionen Franken. Auf wessen Schultern die erforderlichen Einsparungen zu erfolgen haben, darüber gingen die Meinungen auseinander.

Trendbewegung nach oben
Perrenoud erklärte den Kostenanstieg in den letzten Jahren mit einer Trendbewegung nach oben. Es gäbe jedoch Leistungen, die die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) nicht kürzen werde, beispielsweise die Grundversorgung im Gesundheits- und Sozial­bereich, Mindestanforderungen in der Pflegequalität, sozialverträgliche Kostenbeteiligung der Patienten und Entwicklungen entlang der politisch konsolidierten Planung wie Alters- und Behindertenpolitik und ein Suchthilfekonzept.

Einsparungen von zehn Prozent seien für ältere und chronisch kranke Menschen im Bereich der Spitex und der Pflegeheime vorgesehen. Katrin Bucher, Geschäftsleiterin Spitex Lueg, warnte vor dieser Massnahme, denn das würde die Spitex an ihre Grenzen bringen. Bis jetzt weise ihre Organisation keine Anfrage ab und sei innert kürzester Frist rund um die Uhr vor Ort, wenn ihre Unterstützung gefragt sei. Sie berichtete über einen betagten Patienten, dessen persönliche Mehrkos­ten für hauswirtschaftliche Dienstleis­tungen um 600 Franken pro Monat steigen würden, was mit der AHV-Rente beglichen werden müsste. Die Devise «ambulant vor stationär», aber auch das Recht auf eine Grundversorgung würde mit diesen Kürzungen infrage gestellt.

Auch Res Gygax, Leiter Wohn- und Pflegeheim St. Niklaus, sprach von ungefähr 600 000 Franken Einbussen, die die Sparmassnahmen mit sich bringen würden. Er sehe da nur die Möglichkeit, durch Stellenabbau Geld einzusparen. Zudem müsse der Unterhalt der Immobilien gestoppt werden, was über Jahre gesehen ein Verlust sei. Er hoffe, dass er den Patienten trotzdem eine ideale Wohn- und Betreuungsqualität zukommen lassen könne.
Empört über die grossen Beträge, die innert kürzester Zeit eingespart werden müssen, äusserte sich die Geschäftsführerin BWO Langnau, Kathrin Wanner. Sie befürchtet einen massiven Qualitätsabbau in der Behindertenbetreuung. Betroffen seien Heilpädagogische Schulen, Wohngruppen, Ateliers und Werkstätten. Dies hätte Lohnkürzungen für behinderte Menschen und die Vergrösserung von Arbeitsgruppen bis hin zur Schliessung von Werkstätten zur Folge.

Perrenoud erklärte, die stationären Leistungen seien nicht von den Kürzungen betroffen, doch ein gewisser Stellenabbau sei erforderlich, unter anderem im Bereich der Psychiatrie. Adrian Schmitter, CEO des Spitals Emmental, bedauert die massiven Kürzungen von fünf Prozent im Rettungswesen. Das Spital wird den Rettungsdienst aber trotzdem gewissenhaft  weiterführen.

Dr. Lorenz Sommer, Facharzt FMH für Allgemeinmedizin, der seit 20 Jahren eine eigene Hausarztpraxis führt, bedauert die Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Man müsse drei Faktoren in Betracht ziehen, meinte er: die Demografie, die Innovation in der Medizin und, was häufig nicht erwähnt werde, die Begehrlichkeit des Patienten. Wer krank ist, tut alles, um gesund zu werden, koste es, was es wolle.

Kurz vor der Novembersession 2013 des Grossen Rates äusserten die Podiumsteilnehmer die Hoffnung, der Grosse Rat würde die Vorschläge der GEF nochmals überdenken.

Helen Käser


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