Wann braucht es eine Schulterprothese?

  10.05.2016 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Was ist zu tun bei Schmerzen in der Schulter? Ist eine Schleimbeutelentzündung der Grund? Solche und viele andere Fragen rund um Schulterprobleme beantworten übermorgen Donnerstag, 12. Mai, von 19 bis 20 Uhr, Dr. Mathias Hoffmann und Dr. Mario Mastrocola am öffentlichen Vortrag im Kurslokal des Spital Emmental in Burgdorf. Dies unter dem Titel «Wann braucht es eine Schulterprothese?». Dem Publikum bietet sich die Möglichkeit, Fragen zu stellen – entweder im Rahmen des Vortrags oder anschliessend «bilateral», denn beim kleinen, offerierten Apéro stehen die beiden Ärzte ebenfalls noch für Fragen zur Verfügung. Der Anlass ist gratis und eine Anmeldung nicht erforderlich.

«D’REGION»: Welches werden die Schwerpunkte des Referats «Wann braucht es eine Schulterprothese?» sein?
Dr. Mastrocola: Wie der Titel sagt, wird sich der Abend um die Schulterprothese drehen. Gelenkprothesen sind das grosse Thema der Orthopädie und haben in den letzten Jahrzehnten eine enorme Entwicklung durchgemacht. Im Gegensatz zu den Hüft- und Knieprothesen ist die Schulterprothese vergleichsweise jung und ihre Möglichkeiten sind noch nicht sehr bekannt. Wir möchten dem Publikum zeigen, was heute in der Schulterprothetik möglich ist und welche Schulterprobleme damit behandelt werden können. Dr. Hoffmann wird vorerst einen Überblick über das Thema geben und über die anatomische Prothese sprechen. In einem zweiten Teil werde ich die Möglichkeiten der inversen Prothese vorstellen.

«D’REGION»: Welches sind häufige Gründe für Schulterbeschwerden – gehören Arthrose, Frozen Shoulder, Kalkschulter und Sehnenrisse der Rotatorenmanschette dazu?
Dr. Mastrocola: Das häufigste Problem der Schulter ist die Schleimbeutel­entzündung – häufig als Impingementsyndrom bezeichnet –, die oft durch Zerrungen, Veränderungen oder Risse der sogenannten Rotatorenmanschette entsteht. Die Frozen Shoulder, zu Deutsch Schultersteife, und die Kalkschulter sehen wir auch mit Regelmässigkeit. Sehnenrisse der Rotatorenmanschette sind ebenso wichtig, da hier entschieden werden muss, ob eine Operation notwendig ist. Die eigentliche Arthrose der Schulter ist hingegen deutlich weniger häufig.

«D’REGION»: Sind es meist starke Schulterschmerzen, die einen Patien­ten den Hausarzt aufsuchen lassen?
Dr. Mastrocola: Schulterprobleme äussern sich meist als Schmerz. Der erste Besuch gilt in der Regel dem Hausarzt, der schon das eine oder andere behandeln kann. Vermutet dieser eine schwerere Verletzung oder Erkrankung, weist er den Patienten in unsere Spezialsprechstunde für Schulter-
chirurgie zu. Ein kleiner Teil gelangt über den Notfall in unsere Sprechstunde.

«D’REGION»: Was ist eine Arthrose?
Dr. Mastrocola: Eine Arthrose bedeutet die Abnützung eines Gelenkes, insbesondere des Knorpels. Sie kann primär an allen Gelenken im Laufe des Lebens auftreten. Als sekundäre Ursache kommen für eine Arthrose als Spätfolge unter anderem eine Gelenkverletzung, eine Infektion oder eine rheumatische Erkrankung infrage. An der Schulter entsteht sie am häufigsten, wenn eine nicht rekonstruier­bare Rotatorenmanschette zu einer Dezentrierung des Gelenkes führt und es somit zu einer vermehrten Abnützung kommt.

«D’REGION»: Was gibt es für nicht-operative Behandlungsmethoden?
Dr. Mastocola: Leider gibt es für die Arthrose keine heilende Behandlung. Im Vordergrund steht vor allem Schmerzbehandlung mit Medikamenten. Gelegentlich kann auch eine Gelenksinfiltration mit Kortison helfen. Andere Medikamente wie Knorpelpräparate haben in wissenschaftlichen Studien keine sichere Wirkung gezeigt.

«D’REGION»: Wie erfolgt die Diagnose – welche Geräte werden dazu eingesetzt: Röntgen, Ultraschall, MRT?
Dr. Mastrocola: Neben der Anamnese, dem Patientengespräch, bildet die spezifische Untersuchung die Grundlage für die Diagnosestellung. Standardmäs­sig wird ein konventionelles Röntgenbild der Schulter angefertigt, das schon die Diagnose einer Arthrose erlaubt. Geht es um die Beurteilung der Weichteile und vor allem der Sehnen, wird ein MRT – eine Magnetresonanztomografie – durchgeführt. Die Ultraschalluntersuchung setzen wir sehr selten ein, da sie in der Interpretation von Schulterproblemen dem MRT unterlegen ist.

«D’REGION»: Wann ist eine Schulterprothese beziehungsweise Totalprothese angezeigt?
Dr. Mastrocola: Mit einer Schulterprothese können verschiedene Verletzungen oder Erkrankungen behandelt werden. Dazu gehören Arthrose, Nekrose – abgestorbener Oberarmkopfknochen –, nicht rekonstruierbare Rotatorenmanschettenrupturen, komplexe, nicht rekonstruierbare Knochenbrüche des Oberarmkopfes und Tumore. Dafür stehen verschiedene Implantate zur Verfügung. Die Hemi- oder Totalprothese bedingt eine gut funktionierende Rotatorenmanschette, wohingegen die inverse Totalprothese durch ihr spezielles Design auch bei fehlender Rotatorenmanschette eine Bewegung der Schulter erreicht.

«D’REGION»: Wie erfolgt der Eingriff, und wie lange ist der Patient danach hospitalisiert?
Dr. Mostrocola: Die Operation erfolgt in Vollnarkose und dauert etwa zwei Stunden. Dabei wird über einen vorderen Schnitt die Gelenkkapsel eröffnet und die arthrotisch veränderten Anteile werden entfernt. Die Prothese ersetzt dann den Kopf des Oberarmes und ist mit einem Schaft darin verankert. Oft muss auch die Pfanne ersetzt werden. Die Hospitalisation dauert vier bis fünf Tage, in denen schon die Therapie begonnen wird.

«D’REGION»: Wie sieht es während und nach der Operation mit Komplikationen aus?
Dr. Mastrocola: Die modernen Techniken haben zu einer sehr tiefen Komplikationsrate geführt. Dennoch bringt jede Operation allgemeine und spezielle Risiken mit sich. Während der Operation kann es zu Verletzungen von Nachbarstrukturen – unter anderem von Gefässen und Nerven – kommen, was aber sehr selten geschieht. Zu den möglichen Folgekomplikatio­nen gehören Hämatome, Wundheilungsstörungen und Infektionen. Mit verschiedenen Massnahmen wird versucht, diese möglichst gering zu halten. Die Risiken, insbesondere das Risiko der Narkose, sind auch abhängig vom Gesundheitszustand des Patienten. Sie werden in der Sprechstunde genau besprochen und abgewogen.

«D’REGION»: Wie erfolgt die Nachsorge?
Dr. Mastrocola: Direkt nach der Operation wird der Arm auf einem speziellen Kissen gelagert. Diese Ruhigstellung erfolgt für sechs Wochen, wobei aber sofort eine sanfte Physiotherapie beginnt. Danach wird die Physiotherapie intensiviert und durch Wassertherapie ergänzt. Die Schulter kann dann wieder im Alltag eingesetzt werden. Die Physiotherapie richtet sich nach einem genauen Behandlungsplan und kann bis zu einem Jahr dauern.

«D’REGION»: Welche Aussichten hat der Patient mit einer Schulterprothese, und wie sieht es mit der Haltbarkeit der Prothese aus?
Dr. Mastrocola: Die Schulterprothese hat hauptsächlich zum Ziel, eine Schmerzreduktion zu erreichen und somit Lebensqualität wiederherzustellen. Der Bewegungsumfang ist allerdings stark abhängig von der Rotatorenmanschette oder der noch verbliebenen Muskulatur respektive den Sehnen. Meistens kann der Bewegungsumfang erhalten werden. Nicht selten sehen wir sogar eine Verbesserung. Mit schweren Belastungen ist aber Vorsicht geboten. Die Prothesenkomponenten unterliegen einem natürlichen mechanischen Abrieb, und es besteht das Risiko einer Lockerung. Die Lockerung ist unter anderem abhängig vom Gebrauch des Armes sowie der Qualität des Knochens und ist damit individuell sehr unterschiedlich. Eine Haltbarkeit von 10 bis 15 Jahren ist heute realistisch.

«D’REGION»: Kommen oft Patienten mit Schultersteife zu Ihnen? Und wie sieht hier die weitere Behandlung aus?
Dr. Mastrocola: Die Schultersteife ist ein häufiges Problem. Es handelt sich dabei um eine schmerzhafte Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit der Schulter. Die Behandlung beinhaltet Schmerzbehandlung mit Entzündungshemmern, Kortison­infiltration und Physiotherapie. Damit können die meisten Schultersteifen gelöst werden. Nur in seltenen, sehr hartnäckigen Fällen kommt es zu einer Operation.

«D’REGION»: Wann spätestens sollte man bei Schulterproblemen den Arzt aufsuchen?
Dr. Mastrocola: Schmerzen und Einschränkungen der Schulter werden von den Betroffenen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Wenn Schulterschmerzen nach einem Sturz oder ohne Ereignis nach einigen Wochen nicht verschwinden, ist eine Vorstellung beim Hausarzt sinnvoll. Auch wenn eine Bewegungseinschränkung oder eine Kraftminderung besteht, sollte eine baldige Abklärung stattfinden, denn komplette Sehnenrisse sollten nicht verpasst werden.

Zu den Personen
Dr. med. Mathias Hoffmann ist seit 2011 leitender Arzt der orthopädischen Klinik des Regionalspitals Emmental. Er hat sich auf Schulter- und Ellenbogenchirurgie spezialisiert. Aus Leipzig stammend, hat er an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster studiert. Nach seiner orthopädischen Ausbildung arbeitete er vorerst am Universitätsspital Basel und später am Kantonsspital Luzern, wo er sich auf Schulterchirurgie spezialisierte, bevor er ins Emmental kam.

Dr. med. Mario Mastrocola ist im Herbst 2015 zum Team von Dr. Hoffmann gestossen, wo er als Oberarzt ebenfalls vor allem Schulter- und Ellenbogenprobleme behandelt. Er stammt aus Aarau und hat sein Medizinstudium an der Universität Basel absolviert. Seine orthopädische Ausbildung führte ihn über das Spitalzentrum Biel ans Inselspital Bern. Er war zuletzt am Zieglerspital Bern tätig.

Interview: Hans Mathys


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