Die Zukunft der Mobilität

  01.07.2016 Aktuell, Bildung, Wirtschaft, Burgdorf, Bildung / Schule, Gesellschaft, Jugend, Region

Dr. Jörg Beckmann, Soziologe und Direktor der 2008 durch den TCS gegründeten Mobilitätsakademie; Notar, BDP-Grossrat und Tesla-Fahrer Samuel Leuenberger; Andreas Burgener, gelernter Automechaniker, studierter Ingenieur, über mehrere Stationen zu den Autoimporteuren gelangt und aktuell Direktor von auto-schweiz, und Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der empa (eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf), diskutierten am 13. Burgdorfer Energie-Symposium unter der Leitung von Sonja Hasler, Moderatorin SRF (Schweizer Radio und Fernsehen), über die Zukunft der Mobilität.

Pferdemist-Prognose
Urs Gnehm, CEO Localnet AG, konnte am 22. Juni 2016, trotz des heissen Sommerabends, der zum Baden und Grillieren einlud, zahlreiche Gäste in der Aula der Schulanlage Gsteighof in Burgdorf begrüssen. «Mobilität betrifft uns alle. Der Verkehr verbraucht über einen Viertel der gesamten schweizerischen Energie. Wohin führt diese Reise?» Mit dieser Frage übergab er das Mikrofon an Moderatorin Sonja Hasler. Sie tischte den Gästen als Erstes die Pferdemist-Prognose auf. Im Jahr 1900 habe es in New York 100 000 Pferde gegeben. Wenn das so weitergehe, werde die Stadt im Jahr 1950 mit drei Meter hohem Pferdemist zu kämpfen haben, sei prognostiziert worden. Da kam das Auto auf und das Problem war gelöst. Wiederum hätten sich Experten zu Wort gemeldet: «Das Auto hat keine Zukunft, weil es zu wenige geschulte Chauffeure gibt.» «Das isch so e Sach mit dene Prognose…», meinte sie dazu, an Jörg Beckmann gewandt.

«In 30 Jahren fahren wir keine Autos mehr…»
Nach einer kernigen Aussage im Vorfeld des 13. Energie-Symposiums gefragt, äusserte sich Dr. Jörg Beckmann  wie folgt: «In 30 Jahren fahren wir keine Autos mehr, denn sie fahren uns.» «Zeronisierung» heisst das Zauberwort in der Autowende: von der Rennreiselimousine (+200 km / h, +1000 km, +7 Personen) zum Wellnesswagen (0 Emissionen, 0 Tote, 0 Kohlenstoff). «Wir sind mit unserer Akademie auf den drei Transformationsfahrten ‹Dekarbonisierung› (Einzug des Elektromotors in das Automobil), ‹Deprivatisierung› (Einzug der Share-Economie im Verkehrssektor mit Car-Sharing, Bike-Sharing usw.) und ‹Demotorisierung› des urbanen Stadtverkehrs (weg vom Auto, hin zum Velo) unterwegs», liess er wissen. Mobilität 4.0, ein weiteres Schlagwort von Beckmann, beinhaltet das autonome Auto, ein vollautomatisches Fahrzeug («E/Ko-Mobil») ohne Lenkrad, befahrbar ohne Führerschein, in dem das Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes erlaubt und das Fahren bis ins hohe Alter möglich sind. «Tesla», «Uber» und «Google» heissen die grossen Player in diesem Sektor, «Travis Kalanick» bei der Deprivatisierung. Er hat eine App erschaffen und betreibt damit ein Transport-Network-Unternehmen. Das «E-Cargo-Bike» (siehe «D’REGION» von letzter Woche), das Transporte von Tür zu Tür ermöglicht, bezeichnet Beckmann als das Stadtauto von morgen. Während teilautomatische Autos im Privatbesitz sind, werden vollautomatische geteilt.

Persönliche Mobilität
«Wie sit dir dahäre cho, Herr Leuenberger?», fragte Moderatorin Sonja Hasler den Oberemmentaler. Leuenberger: «Mit eme Elektrofahrzüüg, em Tesla.» Ein solches Fahrzeug ist für 70 000 bis 120 000 Franken zu erstehen. «Kei Sach für ne Grossrat!», meinte sie augenzwinkernd dazu. Beckmann war mit dem Zug, Bach mit einem Gasfahrzeug und Burgener «mit eme blaue Outo» angereist. «Är (ein Lexus) het e Taschte u de fahrt är nume elektrisch», so der auto-schweiz-Direktor. «Wär het d süberschte Outo?», erkundigte sich Hasler weiter. Darin waren sich alle einig: Christian Bach. Werde die Lebenszyklusemission gemessen, sei es entscheidend, ob mit erneuerbarer Energie gefahren werde. Das Biogas-Auto erzeuge sehr geringe Produktionsemissionen.

Antriebstechnologie der Zukunft
Sowohl für Elektro- wie auch für Verbrennungsmotoren und hybridische Konzepte müsse eine bessere Effizienz erzielt werden, und es gelte, von fossiler auf erneuerbare Energie umzusteigen, machte Christian Bach klar. Die elektrische Energie sei die Energie der Zukunft, aber die Speicherfähigkeit müsse verbessert werden. Diesbezüglich habe Gas einen enormen Vorteil. Das Elektroauto für den Kurzstrecken-, Pendler- und Stadtverkehr, bei hoher Dauerleistung und grosser Reichweite seien andere Konzepte geeigneter, schloss er. Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz, ist überzeugt, dass der Markt noch nicht reif für Alternativen sei. Die Preise seien noch zu hoch.  

Autonomie und Freiheit
Diese zwei Worte verbindet ein Autofahrer mit dem Auto – laut Beckmann. Die gleiche Autonomie und die gleiche Freiheit ohne eigenes Auto, nur per Knopfdruck auf die App: Das ist seine Vision. Beckmann ist überzeugt, dass es im Jahr 2050 dank dem Teilen und der Vollautomatik weniger Autos geben wird. Bach und Leuenberger waren anderer Meinung und Burgener liess sich zu einer Äusserung ähnlich der Pferdemist-Prognose hinreissen: «Das könnte der Tod der Eisenbahn sein.» Er meinte damit die selbstfahrenden Autos, die anstelle der herausgerissenen Eisenbahnschienen auf den Trassees verkehren würden.

Barbara Schwarzwald


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