Auf bürgerlicher Seite Enttäuschung und Unverständnis

  24.08.2016 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

Vieles ist wenig greifbar
Bei den verschiedenen Gesprächen zu diesem Thema, bei dem alle Rückzugskritiker ihren Namen nicht genannt haben wollen, geht es anfangs um Fakten und schliesslich um Gefühle, Sympathien beziehungsweise Antipathien. Zu Beginn weisen alle übereinstimmend «auf die fundierte Unterstützung in verschiedenen Bereichen hin, die Urech seit Monaten geniesst». Sobald seine Kritik bei den Punkten «nicht vorhandenes Wahlkomitee, nicht vorhandener Zeitplan, nicht vorhandenes konsolidiertes Budget usw.» zur Sprache kommt, wird es interessant: Im FDP-Vorstand seien die Mitglieder beruflich derart eingebunden, dass «für eine ausschliesslich als Wahlkampfkomitee zu gründende Gruppe niemand genügend Zeit habe». Das wiederum bezeichnet Urech als inakzeptabel, die Gesprächspartner hingegen als Fakt.
Und dann sprechen einige Klartext: «Er ist halt nicht so beliebt, nicht so akzeptiert, warum soll man sich engagieren? Er soll seine Helfer selber rekrutieren.» Während die einen das grösste finanzielle Engagement bei der FDP sehen, empfehlen FDP-Vertreter «das nötige Geld bei den Verbänden HGV und HIV» zu generieren. Weiter sollten laut FDP auch SVP und BDP zahlen: Die Empfehlung lautet: «Urech, frag immer bei den anderen nach.» Doch Urech zieht seine Kandidatur zurück, denn er will «nicht alles allein bewältigen und bezahlen».

Ab Januar beziehungsweise gar nicht
Dass er «sie masslos mit seinem un­überlegten und durch nichts zu begründenden Rücktritt brüskiert hat», bemängeln zu Beginn eines Gesprächs praktisch alle Befragten. Als dann nach und nach die von Urech angeführten Defizite im Wahlkampf zur Sprache kommen, wird alles besser überblickbar. Erst heisst es übereinstimmend, «er muss sich selber anstrengen, seine Termine festlegen, die Finanzierung sicherstellen usw.», dann zeigt sich, dass der angebliche Zeitplan der FDP erste Aktivitäten ab September vorsieht, was laut Meinung diverser Politiker «viel zu spät ist».
Auf den Hinweis, dass sich der SP-Kandidat Stefan Berger seit Anfang 2016 als neuer Stadtpräsident und Nachfolger seiner Parteikollegin Elisabeth Zäch mit gezielten Auftritten und Aktivitäten in der Öffentlichkeit empfiehlt, herrscht Schweigen. Dabei wissen alle – bis letzte Woche auf Urech als gemeinsamen Stapikandidaten eingeschworenen – bürgerlichen Parteien seit gut viereinhalb Jahren, dass Elisabeth Zäch Ende ihrer zweiten Legislatur per Ende Dezember 2016 aufhört.

Schmunzeln bei Rot-Grün
In all den Jahren ist es weder FDP, SVP oder BDP gelungen, unverbrauchte und fähige Persönlichkeiten für eine Nachfolge aufzubauen. Der FDP ist es laut Urech «in den letzten zwei Jahren nicht gelungen, eine einzige wählbare Person für eine Gemeinderatskandidatur zu interessieren». Womit der immer wieder geäusserte Wunsch «nach einer bürgerlichen Wende» von den bürgerlichen Gesprächspartnern auch «eher als Illusion zu betrachten ist».
In der SP nimmt man die Situation ohne grosses Bedauern zur Kenntnis. Im rot-grünen Lager vertritt man die Meinung, Urech habe «als Zwischenlösung das Stapi-Amt halten sollen, bis in vier Jahren eine echte Nachfolgerkandidatur aufgebaut werden kann». Bis daher wollen die Bürgerlichen nach eigenen Worten mit dem Hinweis auf «ihre Kontrolle der Burgdorfer Finanzen das Amt des Burgdorfer Stadtpräsidenten begründen und eine Steuererhöhung verhindern».

FDP mit Gemeinderatskandidatur
Am 17. August teilt der Gesamtvorstand der FDP Burgdorf mit, dass die Partei nach Urechs Rückzug einen neuen Gemeinderatskandidaten nominieren wird. «Sie führt derzeit vielversprechende Gespräche mit motivierten Personen und strebt den Gewinn von zwei zusätzlichen Sitzen im Stadtrat an», heisst es in einer Medienmitteilung. «Zielsetzung für die FDP bleibt weiterhin eine bürgerliche Mehrheit im Gemeinderat zusammen mit SVP und BDP.» Man sei überzeugt, dass die Kandidierenden der bürgerlichen Parteien gemeinsam einen idealen Mix darstellen, um eine bürgerliche Wende im Gemeinderat zu erreichen.
Bis letzte Woche hat die FDP auf ihrer Website unter «Aktuell» nur die Wahl des neuen Parteipräsidenten von Mitte April 2015 aufgeführt. Von einer Stapi-Kandidatur Urechs und Ähnlichem kein Wort.
Gerti Binz


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