Ohne Aebi-Gebäude keine Identifikation

  17.03.2017 Burgdorf, Gesellschaft, Politik

Rund hundert Interessierte aller Altersgruppen haben sich bei der Velostation neben den Aebi-Hallen eingefunden, um Näheres über die Gründe für die Einsprache gegen die von der Bauherrschaft im Dezember 2016 beantragte Abbruchbewilligung für die zwei mehrstöckigen Produktionshallen auf dem Aebi-Areal zu erfahren. In der Einladung steht: Rundgang mit Informationen zu den Themen «Baukultur zwischen Alt und Neu gezielt fördern, attraktives Bahnhofquartier mit ablesbarer Geschichte sowie Umsetzung des Wettbewerbverfahrens.»

«Rettet die Aebi-Hallen»
Beim Rundgang um das Areal mit acht Gebäuden erfahren die Anwesenden, dass «die Bauherrschaft Alfred Müller AG aus Cham ZG ursprünglich das aus einem Wettbewerb hervorgegangene Siegerprojekt der Firma Camponovo Baumgartner Architekten mit zwei stehen bleibenden Produktionshallen und diversen Neubauten realisieren wollte». Jetzt liege ein Abbruchgesuch für die zwei Hallen vor, doch Burgdorf solle auf die Realisierung des Wettbewerbes bestehen. «Diese wichtigen Zeitzeugen sollen in die Stadtentwicklung integriert werden und erhalten bleiben. Das Siegerprojekt von Camponovo Baumgartner Architekten des Studienauftrags 2015 zeigt die attraktive städtebauliche Lösung dazu auf», betonen Abbruchgegner während des Rundganges immer wieder.

Es handelt sich bei den «Identität garantierenden» Produktionshallen einerseits um das gegenüber der Bahngleise liegende Gebäude mit dem überdimensionalen Plakat, das «Wohnträume in Loftwohnungen wahrzumachen» verspricht. Laut Peter Berger, dipl. Architekt ETH und neben zahlreichen weiteren Funktionen auch Professor an der Berner Fachschule, steht das Publikum «vor einem Fabrikgebäude von 1952 / 53, einem fünfstöckigen längsrechteckigen Bau mit vorragendem Flachdach, einem imposanten Volumen in Skelettbauweise und einer Rasterfassade mit breiten Brüstungen und filigranen Stegen. Die Rahmung fasst jeweils drei Fensterachsen zusammen. Die Halle steht auf dem Gelände des ersten Fabrikgebäudes von 1883 und ist ein zeittypischer Vertreter der Industriearchitektur aus den 1950er-Jahren.»

Berger betont, dass «die Firma Aebi zu den historisch wichtigen Wirtschaftszweigen Burgdorfs mit Pionierrolle in der Landmaschinenindustrie gehört. In dem Sinne sind die Gebäude Lyssachstrasse 46 und 48 wichtige Zeitzeugnisse der lokalen Industriegeschichte».

Die Gruppe marschiert weiter und hält beim Kreisel, wo das zweite erhaltenswerte Gebäude wie folgt vorgestellt wird. «Dem Strassenverlauf angepasster Bau, nach Westen sich verschmälernder hoher Baukörper in Skelettbauweise mit weit vorspringendem Flachdach. Beide Längsseiten mit einem Sockel weisen enge Raster auf, deren Betonstützen lindengrün akzentuiert sind. Die Fensterflächen sind mit kleinmassstäblichen Fenstersprossen unterteilt. Als wichtiges Wahrzeichen im ehemaligen Firmengelände der Landmaschinenfabrik Aebi gilt die Passerelle über die Lyssachstrasse. Auf der Nordseite bestehen zwei Erschliessungstürme.»

Hallenerhalt zwecks Identifikation
Laut Berger ist «die Erhaltung der zwei mehrgeschossigen Fabrikhallen mit hohen Räumen und ohne Zwischenstützen unbedingt nötig, um dem gesamten Areal auch nach den geplanten Neubauten einen Aebi-Bezug zwecks Identifikation zu geben». Aus diesem Grund habe der Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Burgdorf Emmental, gegen das Abbruchgesuch Einsprache erhoben. «Diese zwei Gebäude sollen als Vertreter der damaligen Zeit, ein wenig modern, mit eigener Schweizer Identität und angelehnt an die seinerzeitige Landi-Ausstellung in Zürich als individuelle Selbsterkenntnis jener Epoche erhalten bleiben», fordert Berger. «Nur mit diesen zwei Zeitzeugen ist eine Identität mit dem Aebi-Areal möglich, was wir unbedingt schützen sollten. Man kann nur ‹Aebi-­Areal› sagen, wenn noch etwas von der ursprünglichen Bausubstanz vorhanden ist.»

Enorme Chancen
Berger sieht «enorme Chancen für die später sinnvoll und zeitgemäss umgebauten und renovierten Hallen inmitten der geplanten Neubauten, die dann neue Wohn- und Arbeitsformen möglich machen würden. Solche Raritäten – noch dazu in unmittelbarer Nähe von Bahn und Bus – bieten vielfältige Chancen». Ihm ist klar, dass solche Loftwohnungen schon aus finanziellen Gründen kaum das Heim einer Familie mit kleinen Kindern werden können, aber andere Interessenten dürften vorhanden sein. «Allein die super hohe Raumhöhe ermöglicht vielfältiges Gestalten.»

Den Einwand der Bauherrschaft, wegen der zu bereinigenden Altlasten sei ein Abbruch der zwei Häuser unumgänglich, lässt Berger nicht gelten. «Die Altlasten müssen auf alle Fälle korrekt entsorgt werden. Wenn das bei stehen bleibenden Häusern aufwendiger ist als bei einem Abbruch mit Entsorgung, kann die Bauherrschaft das durch Quersubventionierung via die Neubauten in den Griff bekommen», führt er aus. «Die Bauherrschaft ist gefordert, gut gestaltete und funktionsfähige Projekte auszuarbeiten für alternative Wohnformen, damit künftige Mieter oder Käufer überzeugt werden können.»

Interessante Firmengeschichte
Während der Arealumrundung erläutert Lukas Frei von der Schweizerischen Gesellschaft für Technik, Geschichte und Industriekultur den Anwesenden die geschichtlichen Abläufe und das kontinuierliche Wachsen der Maschinenfabrik Aebi, was auf reges Interesse stösst.
Am Ende des Rundgangs haben alle Gelegenheit, anhand der aufgehängten Fotos den Werdegang der Fabrik Aebi und die mögliche Gestaltung einer neuen Überbauung zu betrachten. Hier wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass «gezieltes Erhalten und Umnutzen vormaliger Industriebauten möglich und sinnvoll ist». Solche Fotos von vermeintlichen Abbruch­objekten überzeugen die Betrachter vor der Aebi-Werkstatt durch ihren neuen Glanz. Weiter hält Berger fest, dass «wettbewerbsähnliche Verfahren, zum Beispiel Studienaufträge, dazu da sind, eine hohe städtebauliche Qualität sicherzustellen. Es ist daher nicht verständlich, warum nun vom Siegerprojekt abgewichen werden soll, obschon dieses aufzeigt, wie eine attraktive Verdichtung nach innen mit den bestehenden Hallen möglich ist. Gerade das Einbeziehen der Aebi-Hallen ins Wechselspiel mit neuen Bauten wurde von der Jury speziell gewürdigt.»

Auf der Homepage des Berner Heimatschutzes können Gegner des Hallenabbruchs eine Petition unterschreiben. Laut Marc Siegenthaler, Bauberater des Berner Heimatschutzes, sind bisher 340 Unterschriften sind zusammengekommen. Als Ziel habe man sich 500 gesammelte Unterschriften gestellt.

Gerti Binz


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