Kurz vor zehn Uhr kommt Marie Eberhard in die Cafeteria des Zentrums Mösli. Die Utzenstorferin, die seit rund zwanzig Jahren im Zentrum wohnt, hat sich aus Anlass ihres 100. Geburtstags sportlich elegant angezogen. Ihre drei Kinder, die zusammen mit ihren Partnern bereits auf die Jubilarin gewartet haben, gratulieren herzlich – und überraschen Marie Eberhard mit einem ganz besonderen Geburtstagsgeschenk: «Wir machen eine Rösslifahrt an diejenigen Orte in Utzenstorf, die dir in deinem Leben wichtig waren. Und weil du immer gerne Musik hattest, kommt auch noch ein Handörgeler mit, der uns zwischendurch musikalisch unterhält…» Erstaunlich flink für ihre hundert Jahre steigt Marie Eberhard in den Wagen, der auf dem Parkplatz beim Zentrum Mösli bereitsteht. Und nachdem alle aufgestiegen sind, geht die Fahrt los.

Billiges Bauland, dafür kein Badezimmer
Als erstes geht es durch das Tannschächli, wo Marie Eberhard bis heute oft spazieren geht. Vorbei am Reitplatz geht es Richtung Rohnstrasse, wo die Familie Eberhard über viele Jahre gewohnt hat. Die Jubilarin lacht und erzählt, wie sie und ihr Mann 1945 das Grundstück für einen Franken pro Quadratmeter bekommen hätten: «Das waren quasi Sozialhäuser, mit denen die Gemeinde die Wirtschaft nach Kriegsende wieder ankurbeln wollte.» Die Bauauflagen seien dafür entsprechend streng gewesen: «Wir durften im Haus kein Badezimmer haben, weder Badewanne noch Dusche – und wir durften auch nirgends einen Raum so vorbereiten, dass später leicht ein Badezimmer hätte eingebaut werden können.» Und eine der beiden Töchter ergänzt lachend: «Darum haben wir später immer im Keller geduscht…» Marie Eberhard betrachtet das Haus liebevoll, in dem sie über fünfzig Jahre ihres Lebens verbracht hat, und meint schliesslich: «Es ist gut, dass wir das Haus damals, als mein Mann und ich ins Zentrum Mösli gezogen sind, an eine junge Familie verkauft haben. Der Mann, der Gärtner ist, schaut wirklich gut zu diesem Haus!»

«Das hätte ich nie gedacht!»
Vorbei an einem Kirsch- und einem Nussbaum, die beide schon lange nicht mehr stehen, geht die Fahrt als nächstes in die Altwyden zum Hof der Familie Lehmann, mit der die Familie Eberhard immer eng verbunden war. Die Jubilarin strahlt, als sie die alten Bekannten wieder sieht und lässt sich gerne auf die Veranda hinter dem Haus führen, wo feine Speckzüpfe, Hobelkäse, Cherry-Tomaten aus dem Garten und ein feiner Geburtstagschampagner bereitstehen. Beim Prosit auf den runden Geburtstag meint Marie Eberhard voller Freude: «Das hätte ich nie gedacht, dass ich mit hundert Jahren hier anstossen würde!»

Lieder aus alter Zeit
Schon geht es weiter – über den Bahnübergang, den man früher nicht überqueren durfte, weil es keine Schranken hatte. Auf dem Rössliwagen geht es lustig zu und her. Begleitet von der Handorgel singen die Geburtstagsreisenden «Fliege mit mir in die Heimat», «S’isch ja nur es chlyses Tröimli gsy» und viele weitere Lieder aus dem vergangenen Jahrhundert – und wer den Text nicht kennt, summt einfach ohne Worte mit. Marie Eberhard geniesst die musikalische Fahrt offensichtlich in vollen Zügen.
Beim Restaurant Rössli ist die Fahrt mit Ross und Wagen schliesslich zu Ende – und ein feines Geburtstagsessen erwartet die Jubilarin.
Nochmals alles Gute zum runden Geburtstag!

Andrea Flückiger