Die fokussierte Vizeweltmeisterin

  30.10.2017 Aktuell, Bildung, Wirtschaft, Burgdorf, Bildung / Schule, Gesellschaft, Jugend, Region, Hindelbank

Sandra Lüthi wählte zum Interviewtermin ihren Arbeitsort, die Hofer Malerei – Gipserei AG in Hindelbank. Ihr Chef Lorenz Hofer und dessen Vater Manfred Hofer, beide ehemalige Ausbildner von Sandra, waren beim Gespräch mit dabei. Lorenz als Bronzemedaillengewinner an den WorldSkills 2005 hat einiges zum bisherigen erfolgreichen Abschneiden von Sandra beigetragen. Lorenz Hofer und seine Ehefrau Regula waren in Abu Dhabi vor Ort.

«D’REGION»: Liebe Sandra, auch dir nochmals herzliche Gratulation zum Vizeweltmeistertitel! Der Beruf Dekorationsmalerin, was beinhaltet er genau? Unterscheidet er sich vom eigentlichen Malerberuf?
Sandra: Ich bin ausgebildete Malerin. Den Beruf Dekorationsmaler/in kennen wir in der Schweiz in dieser Form nicht. Es ist eine Abwandlung vom Malerberuf und beinhaltet eher feine, dekorative Malerarbeiten. Da Dekorations- und nicht Flächenmalen Disziplin an den WorldSkills war, wurde der Beruf als Dekorationsmaler/in bezeichnet.

«D’REGION»: War es seit jeher dein Wunsch, diesen Beruf zu ergreifen? Oder was hat den Ausschlag gegeben?
Sandra: Spätestens nach dem Schnuppern war für mich dieser Berufswunsch klar. Ich arbeite gerne handwerklich und mag Farben sehr.

«D’REGION»: Ist der Malerberuf eigentlich bereits in Frauenhand?
Sandra: In der Ausbildung zum/zur Maler/in überwiegt der Frauenanteil tatsächlich bereits. Aber es bleiben wenig Frauen bis zur Pensionierung im Beruf tätig. Bereits ab dem Alter von 30 Jahren überwiegt der Männeranteil.

«D’REGION»: Dein Chef Lorenz und seine Frau Regula sind ebenfalls nach Abu Dhabi geflogen. War das wichtig für dich?
Sandra: Ich habe sehr wenig von ihnen mitbekommen. Wir Kandidaten waren im Team eingebunden. Ich wurde von meinem Experten Andreas Marbacher, Küssnacht am Rigi (SZ), persönlich betreut. Selbstverständlich war es aber schön, dass sie vor Ort waren.
Lorenz Hofer: Während des Wettbewerbs waren wir nicht oft bei Sandra. Wir wollten sie nicht noch zusätzlich unter Druck setzen.

«D’REGION»: Dein Chef Lorenz hat 2005 ebenfalls an den WorldSkills teilgenommen und erreichte den ausgezeichneten 3. Platz. Welche Ratschläge hat er dir aus eigener Erfahrung für Abu Dhabi erteilt?
Sandra: Es hat sich in den vergangenen zwölf Jahren im Malerberuf sehr viel verändert. Im Hinblick auf die Swiss­Skills 2016 hat er mir sehr viel mitgegeben. Betreffend WorldSkills erteilte er mir Tipps zur Trainingsplanung.
Lorenz Hofer: Ja, im Hinblick auf die Weltmeisterschaft konnte ich Sandra nur noch kleinere Tipps erteilen. Hingegen hatte ich mit Sandra spezifisch auf die Schweizermeisterschaft hingearbeitet. Ich brachte ihr damals verschiedene Techniken wie das Stricheziehen mit dem Pinsel bei.

«D’REGION»: Wie ich bereits von Adrian Krähenbühl erfahren habe, wart ihr Kandidaten nur einmal in der Wüste. Im Internet habe ich dich beim Kamelereiten mit der Gipserin Fabienne Niederhauser gesehen. Ein cooles Erlebnis, stimmts?
Sandra: Ja, es hat Spass gemacht. Leider hatten wir sehr wenig Zeit für Privates. Wir sahen die Wüste sonst nur vom Car aus.

«D’REGION»: Nun zum Thema Weltmeisterschaft. Welches waren deine Prüfungsaufgaben?
Sandra: Wir mussten tapezieren, das heisst eine Tapete aufkleben (um einen Türrahmen herum) und eine Türe lackieren. Dann folgte das Bild mit den Kamelen (siehe Internet), erstellt in freier Technik. Das Sujet zu dieser Aufgabe konnte jede/r im Vorfeld selbst bestimmen und es zu Hause auch üben. Jede/r hat dazu die eigenen Farben nach Abu Dhabi bringen lassen (nur für diese Aufgabe). Die weiteren Arbeitsgeräte wie Pinsel usw. wurden verschifft und mittels Kiste in vorgegebener Grösse an den Prüfungsort transportiert.
Eine weitere Disziplin war der Speed-Wettbewerb, eine Abklebe­übung auf Zeit. Dann folgte noch das Design, das heisst, eine Skyline aufkonstruieren und frei Hand ausmalen. Wir hatten vier Tage Zeit dazu (insgesamt 21 Stunden).

«D’REGION»: Wie stark waren deine Konkurrenten? War von Anfang an klar, dass sich das Schweizer Team so stark zeigen könnte?
Sandra: Die Konkurrenz war sehr stark. Während des Wettbewerbs habe ich mir die Arbeiten der Konkurrenten nie angeschaut. Ich bin täglich an den Wettkampf gegangen und habe mich auf meine Aufgaben fokussiert.
Lorenz Hofer: Die Schweizer sind in der Regel in den vorderen Rängen klassiert. Die Tagesform ist enorm mitentscheidend. Die Schweizer eignen sich vielleicht noch das letzte Quäntchen an, das schlussendlich ausschlaggebend für eine Spitzenrangierung ist.

«D’REGION»: Wer war vor und wer nach dir platziert?
Sandra: Der österreichische Konkurrent hat gewonnen. Er hat im Vorfeld 1000 Stunden trainiert. Ich habe ungefähr 400 Stunden eingesetzt. Ich durfte hier im Unternehmen trainieren, hatte meine eigene Arbeitsecke. Das ist nicht selbstverständlich und ich bin dafür sehr, sehr dankbar.
Lorenz Hofer: Es ist ideal, wenn der Übungsplatz nicht jedes Mal wieder neu eingerichtet werden muss.
Sandra: Als Dritte platzierte sich die Französin, als Vierter der Ungare.

«D’REGION»: Wie war es mit der Nervosität? Bist du auch so ausgeglichen wie Adrian Krähenbühl?
Sandra: Ruhiger als Adrian kann man nicht sein. Vor dem Start bin ich jeweils extrem nervös. Wenn ich mit der Arbeit begonnen habe, werde ich ruhig und fokussiere mich auf die Tätigkeit.

«D’REGION»: Was haben dir Mental- und Medienschulung sowie die Teambildung gebracht?
Sandra: Die Teambildungsschulung hat sehr viel gebracht. Wir sind als Team zusammengewachsen und haben uns gegenseitig unterstützt. Wie Adrian bin ich auch der Meinung, dass der Ausgang zur Teambildung am geeignetsten war.

«D’REGION»: Wie sieht deine berufliche Zukunft aus?
Sandra: Ich weiss es noch nicht. Mein letztes Ziel war die WM-Teilnahme. Ich habe ein bisschen Angst, in ein Loch zu fallen, deshalb muss ich mir schnellstmöglich eine neue Herausforderung suchen.
Lorenz und Manfred Hofer: So weit lassen wir es sicher nicht kommen! Da gibt es noch einige Möglichkeiten, welche wir mit Sandra besprechen werden.

Barbara Schwarzwald


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