«Zweifel» - ein spannendes und unbequemes Stück

  26.02.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Gesellschaft, Region, Vereine

Die strenge Schulleiterin einer Privatschule hat sowohl ihre Zöglinge wie auch ihre Lehrpersonen fest im Griff – bis auf den Religions- und Turnlehrer Daniel. Sie beauftragt die neue, im Unterrichten noch unerfahrene Geschichtslehrerin, den allseits beliebten Lehrer zu be­-
obachten und ihr alle Auffälligkeiten zu rapportieren. Als der einzige ausländische Schüler der Schule vom Haus­wart mit Alkohol erwischt und von Daniel in die Lehrergarderobe gebracht wird und sich im Anschluss merkwürdig verhält, beginnt die Schulleiterin einen Feldzug gegen Daniel…
Mit «Zweifel» von John Patrick Shanley hat das Schlosskeller-Theater wiederum ein ganz starkes Stück ausgewählt – eines, das aktuelle Themen auf spannende und ungewohnte Weise aufgreift. Ein Stück, bei dem einem das Lachen im Halse stecken bleibt und das Betroffenheit auslöst, weil einem doch viele Sachen allzu bekannt vorkommen. Regisseur Simon Burkhalter hat das Stück, das ursprünglich in einem katholischen Internat der Sechzigerjahre spielte, in die hiesige jüngere Vergangenheit gelegt. Obwohl dabei kleinere Ungereimtheiten entstanden sind, gewinnt doch das Stück insgesamt: es wird zur zeitlosen Parabel über Verdacht, Schuld und Verurteilung, in der auch der Kampf der Geschlechter, Fremdenhass, Homophobie, der Missbrauch Schutzbefohlener, Ver- und Misstrauen und die Bildungsmisere zur Sprache kommen.
Gekonnt durchbricht der Regisseur Stereotypen, indem er die Figuren anders besetzt, als man sich diese vorstellen würde. Die Schulleiterin (ganz stark: Danièle Themis) wirkt auf den ersten Blick weich und spricht zum Teil fast unerträglich sanft (was den Inhalt des Gesagten umso härter erscheinen lässt). Die unsichere, folgsame Lehrerin (differenziert: Ursula Steiner) ist in einem Alter, in dem sie eigentlich Erfahrung haben und mit beiden Beinen im Leben stehen müsste. Der Lehrer (durch seine Präsenz bestechend: Florian Käsermann), der so gut Basketball spielt, entspricht ganz und gar nicht dem erfolgreichen Sportlertypen. Ausserdem spricht die aus kurdischem Gebiet geflüchtete Mutter des ertappten Jungen (überzeugend: Ruth Iseli) perfektes Berndeutsch. Durch das bewusste Nicht-Erfüllen von Erwartungen betont der Emmentaler Regisseur, dass die Welt nicht – wie mehrere Male im Stück gesagt wird – in Schwarz und Weiss aufgeteilt wird, sondern dass die Grautöne in allen Variationen vorherrschen. Die Fraubrunner Inszenierung lässt denn auch offen, was an dieser Privatschule eigentlich wirklich passiert ist – und als Zuschauer bleibt man auch nach Ende des Stücks dem Zweifel ausgesetzt, wem man glauben soll…
Fazit: ein ganz starkes Stück über Verdacht, Verurteilung, Schuld und Zweifel, ein absolut sehenswertes Stück, bei dem jeder Lacher im Halse stecken bleibt…

Andrea Flückiger


Weitere Vorstellungen:
Mittwoch, 27. Februar 2019, 6., 13. und 20. März 2019; Freitag, 1., 8., 15. und 22. März 2019; Samstag, 9., 16., 23. März 2019, jeweils 20.15 Uhr; Sonntag, 3. und 17. März 2019, jeweils 17.00 Uhr.
www.schlosskellerfraubrunnen.ch.


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