Eine Königskrone für drei Häupter

  12.03.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Als der sprach- und musikbewanderte Moderator Flurin Caviezel am Freitagabend das Publikum fragt, wer schon an einer Krönung Gast gewesen sei, strecken sehr viele den Arm hoch. «Also muss ich den Ablauf nicht mehr erklären», zieht Caviezel Bilanz und setzt zur musikalischen Begrüssung des Duos Christian Weiss (Liedermacher) und Ralph Weibel (Texte von nachtschwarzer, skurriler Farbenfülle) an. Caviezel widmet jedem Auftritt ein neues Instrument mit passender Musik.

Blick in den Spiegel
Nicht wenigen im Saal gefriert bei der Schilderung der dörflichen Metzgete das Lächeln im Gesicht, wenn der Vater die neue türkische Freundin des Sohnes fragt, warum sie kein «Schwynigs» isst und kein Kopftuch trägt. Auch beim Eiervergleich zählt nicht die braune oder weisse Schale, sondern der Inhalt.
Die zierliche Lehrerin Martina Hügi findet sich «klein wie ein Adjektiv, kann sich aber noch steigern – auf der Bühne». Auf der endlosen Suche nach dem Glück weicht sie konsequent vom Weg ab, würde sich aber auch mit einer günstigen Wohnung begnügen. Ihr Motto: Realität ist, was man daraus macht.
Dem Österreicher Da Berrer gelingt es, seine Mundarttexte und -lieder dem Emmentaler Publikum verständlich zu machen. Sei es, wenn Manuel über die miesen Fahrkünste seiner Gattin lästert, ein Reh anfährt und am Strassenrand stecken bleibt. Oder wenn er die Partnerin falsch versteht und statt den Staubsauger-Roboter zurückzubringen die Katze einschläfern lässt. Auch die Bitte um eine kleine Spende oder eine Niere fehlt nicht.
Der Pantomime Christoph Stärkle spricht ohne Worte Bände und füllt mit seiner Körpersprache die Bühne. Seine vielseitigen Tätigkeiten aus dem Alltag und als Personen sind bildhaft, mit Schalk dargestellt und gut erkennbar.

Fantasie ist alles
Nach der Pause verzaubern die Drummer Kay Rauber und Christian Gschwend das Publikum inmitten zahlloser Gegenstände aus Küche und Keller, die sie für die Drum-Performance und den Electronic-Live-Act benötigen. Mit Tempo und Rhythmus bearbeiten sie Eimer, Kübel, Porzellan, Glas, Holz, Stühle und weitere zahllose Gegenstände mit Händen, Ellbogen, Füssen, Schwingbesen und anderen Geräten.
Dem Radiomoderator und Nachwuchskabarettist Mike Baader gefällt seine Welt, hier herrscht Chaos pur. Die Bühne lebt, so viel Plunder liegt herum. Nur die Abwartin Frau Giezendanner leidet und nervt, spioniert und reklamiert.
Nikita Miller kann seine russischen Wurzeln nicht verleugnen. Das pres­tigeträchtige Amt als Klassensprecher gibt er zurück, da ihn Onkel Victor deshalb als «verräterische Ratte» bezeichnet. Wodka-Konsum, Autofahrt und Bestechung der Polizei sind Alltag.
Das Duo Crazy Pony zeigt eine gelungene Show aus Musik, Zirkus und Komödie, wobei die Akrobatik nie Gesehenes zu rhythmischen Klängen bringt. Vor allem, wenn sich die Herzdame durch einen nicht bespannten Tennisschläger schlängelt.

Ihr gebührt die Kaiserkrone
Der Samstag mit Moderatorin Patti Basler entwickelt sich zu einer Hochleistungsshow der Moderatorin. Schon ihr Begrüssungsapplaus ist rekordverdächtig – und berechtigt, wie sich im Verlauf der zwei Showblöcke zeigt. Sie protokolliert sämtliche acht Auftritte der Gruppen und weist mit spitzer Feder auf die Highlights hin. Auch verbal hält sie nicht hinter dem Berg: «Männer sind genetisch verkümmerte Frauen.» Man hätte sie zur Kaiserin krönen sollen.
Schönholzer und Rüdisüli tauchen ein ins menschliche Scheitern und die Kunst, fremdes Leid zu ignorieren. Bis es einen – oftmals – selber trifft. So lernt man den Weg durchs Leben.
Der zwei Meter grosse, bärtige Jurist Sven Ivanic mit jugoslawischen Wurzeln und perfektem Schweizerdeutsch nimmt das Publikum mit in den Gerichtssaal und an den Kebabstand, wo er im Alltag entweder als Angeklagter oder Schaschlikverkäufer angesprochen wird. Subtil entlockt er dem Burgdorfer Kinobesitzer Manuel Zach – in der ersten Reihe – einen mündlichen Arbeitsvertrag, «der juristisch gilt».
Sibylle Äberli und Stefanie Grob verbringen bei der Vorbereitung aufs Erbschleichen schlaflose Nächte und klagen: «Ich wach mich tot.»
Starjongleur Kaspar Tribelhorn verblüfft als virtuoser Strassenkünstler und Gaukler. Dänu aus Lützelflüh und Pascal aus Schönbühl lockt er auf die Bühne, wo sie erst die hohe Leiter halten, dann loslassen und er zum Todessprung ansetzt.
Nach der Pause entführt das Trio Herrensalon in den menschlichen Zoo, wo wir Schwein haben, eine Kröte schlucken und vieles mehr. Auch der Lobgesang auf das Schnarchen der Gattin ist allseits bekannt.
Chrissi Sokoll hat einen Secondo aus Sizilien geheiratet und spricht, singt und klagt über den ganz normalen Alltagswahnsinn mit einem gottgleichen Macho, den viele von uns zu Hause pflegen. Sie hätte Lust auf eine Nahtod­erfahrung.
Micha Marx wirbt mit seinen Kritzelzeichnungen um Nachsicht für Pech und Pannen im Alltag, die uns alle schon getroffen haben. Sein Humor liegt zwischen dunkelschwarz und grellbunt, er bringt sein Publikum spontan zum Lachen.
Als einziger «asymmetrischer» Komiker (mit nur einem halben linken Arm seit der Geburt) darf hier einer pointierte Witze über die Situation «Besser Arm ab als arm dran!» machen. Und er macht es, nach Anlaufschwierigkeiten traut sich das Publikum zu lachen. Denn «eine Hand wäscht die andere».
Die königlichen Gewinner geben nach der Krönung nochmals ihr Bestes und ernten tosenden Applaus.

Gerti Binz

Hofstaat vom Freitag: König Bubble Beatz, (Kay Rauber und Christian Gschwend, CH), Scharfrichter Weibel/Weiss (CH), Burgfräulein Martina Hügi (CH), Hofnarr Mike Baader (CH), Herzog Christoph Stärkle (CH), Barde Da Berrer (A), Gräfin und Graf Duo Crazy Pony (CH & GB), Prinz Nikita Miller (D).
Hofstaat vom Samstag: König Micha Marx (D), Scharfrichter Sven Ivanic (CH), Ritter Martin Fromme (D), Hofnarr Kaspar Tribelhorn (CH), Herzoginnen Sibylle Äberli und Stefanie Grob (CH), Bardin Chrissi Sokoll (CH), Grafen Schönholzer und Rüdisüli (CH), Prinzen Herrrensalon (D).


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