Keine Solennität im 2020

  28.04.2020 Aktuell, Kultur, Burgdorf, Gesellschaft

Der Gemeinderat hat auf Antrag des Solennitätsausschusses und der Volksschulkommission mit Bedauern diesen Entscheid gefällt. Die verordneten Einschränkungen des Bundesrates im Zusammenhang mit COVID-19 und der Respekt gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung verunmöglichen die Durchführung der Solätte dieses Jahr.

Die 289. Solätte wäre am 29. Juni 2020 gefeiert worden
Jedes Jahr am letzten Montag des Monats Juni herrscht in Burgdorf Ausnahmezustand. Bereits Wochen zuvor werden Vorbereitungen getroffen: In den Schulhäusern proben Kinder bis zur vierten Klasse Tänzli, die Schülerinnen und Schüler Zyklus 3 üben geordnetes Gehen in Quartierstrassen, die Tambouren schlagen ihre Trommeln, die verschiedenen Musikvereine proben. Mütter und Väter besprechen die floristischen Arbeiten für Blumenbögen, Körbe und Huttli, für Sträusse und Ansteckblumen. Es ist eine betriebsame Zeit, welche Burgdorfer/innen zusammenschweisst. Dieses Jahr ist alles anders.

Der Ablauf der Solätte wiederholt sich jedes Jahr
Historisch handelt es sich bei der Solätte um ein Schul- und Kinderfest, das zum ersten Mal auf Anregung von Dekan Johann Rudolf Gruner 1729 abgehalten wurde. Doch längst ist es zu einem allgemeinen Volksfest geworden. Burgdorferinnen und Burgdorfer erinnern sich darum gerne an frühere Solätten mit ihren Höhepunkten: Das Fest hat sich im Verlauf seiner Geschichte nur wenig verändert. Am Montag um 7.00 Uhr läutet die grosse Glocke der Stadtkirche zur Tagwache der Kadettenmusik. Der offizielle Teil beginnt mit dem Morgenumzug der Schulkinder. Dieser führt von der Gebrüder-Schnell-Terrasse durch die Oberstadt zur Stadtkirche. Die Erstklässler erhalten dort einen Solätte-Taler, eine symbolische Münze. In früheren Zeiten bezeugten die Mädchen mit einem Knicks und die Buben mit einer Verbeugung ihren Respekt vor der Obrigkeit, bevor sie den Solätte-Pfennig in Empfang nahmen. Die Erstklässler, die dieses Jahr leer ausgehen, erhalten den Taler nächstes Jahr. In der Stadtkirche findet anschliessend eine Verabschiedung der Neuntklässler/innen aus der Volksschule statt.
Das grösste Highlight ist wohl der Nachmittagsumzug, der durch die Oberstadt und über die Staldenbrücke in die Unterstadt führt. Er endet auf der Schützematt. Die Mädchen sind alle weiss gekleidet, früher in langen Kleidern. Sie tragen einen Blumenkranz auf dem Kopf, die Jungen schwarze Hosen und weisse Oberteile. Ansteckblumen und Blumensträusse, Blumenkörbe und Blumenbögen vervollständigen das frühsommerliche, farbenprächtige Bild. Neben den Schulkindern begleiten jeweils mehrere Musikvereine den Festzug. Früher zogen auch unser Nationalheld Wilhelm Tell, sein Sohn Walterli und die drei Eidgenossen mit.
Auf der Schützematt führen die jüngeren Schulkinder verschiedene Tänzli auf, machen Stafetten und spielen Fussball. Das Schlendern durch die Marktstände, das Fahren mit dem Rösslispiel und gemütliches Plaudern mit Bekannten machen das Stadtfest zu einem wichtigen gesellschaftlichen Ereignis, welches sich am Abend von der Schützematt in die obere Altstadt verlagert.
In früheren Zeiten durften Jugendliche nach 19.00 Uhr nicht mehr dabei sein. Ein Erlass der kantonalen Erziehungsdirektion verbot es ihnen. Doch heute geht so richtig die «Post ab». Schulkameradinnen und Schulkameraden treffen sich alljährlich hier, auch wenn sie das Jahr über in anderen Städten, Ländern oder auf anderen Kontinenten leben. Sie zelebrieren ihre Freundschaft, trinken zusammen Burgdorfer Bier und essen eine Bratwurst vom Grill. Verliebte Paare zeigen sich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit, flanieren Hand in Hand. Nur dieses Jahr finden keine zufälligen Treffen statt, weil die Solätte nicht durchgeführt werden kann. Dafür dürfen sich alle Burgdorfer ein Jahr länger auf die nächste Solennität freuen. Sie findet am Montag, 28. Juni 2021, statt. Vielleicht verabreden sie sich mit ihren Kameraden und Freundinnen einfach unter dem Jahr im kleinen Rahmen, wie es erlaubt ist.

Die Solätte sorgte mehrmals für Diskussionen
Als eine Lehrerin erstmals in weissen Hosen statt in einem Kleid am Umzug mitmachte, erhitzten sich viele Gemüter. Zweimal hatten die Sicherheitsdienste Probleme mit Rechtsextremen und einmal goss es während beiden Umzügen wie aus Kübeln. Das war umso erstaunlicher, weil Einheimische behaupten, Petrus sei Burgdorfer, da an der Solätte traditionsgemäss schönes Wetter herrsche. Auch als die Solennität zum ersten Mal von zwei Frauen organisiert wurde, ging das nicht ganz ohne Diskussionen vonstatten. Und es werden weitere Diskussionen über Traditionen folgen, denn auch die Mädchen möchten entscheiden können, ob sie statt einen Reigen zu tanzen, Fussball spielen dürfen.

Die Solätte wurde nicht zum ersten Mal abgesagt
1918 forderte die Spanische Grippe Tausende Todesopfer und verhinderte dadurch die Durchführung der Solätte. Nur zwei Jahre später war die Maul- und Klauenseuche Anlass daür, das Stadtfest von Burgdorf zu streichen. Im Mai 1940 wurden bei der zweiten Generalmobilmachung 700 000 Soldaten einberufen. Dies war wahrlich kein Grund, um Feste wie die Solennität zu feiern.

Helen Käser

 


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