Die Techno-Mama aus Burgdorf

  30.09.2020 Burgdorf, Foto, Kultur, Gesellschaft

«D’REGION» sprach mit DJ Manon, eine der ersten weiblichen DJs und Mitinitiantin der elektronischen Musik in der Schweiz. Die gebürtige Burgdorferin, welche seit rund 20 Jahren in Uster (ZH) wohnt, sieht sich heute hauptsächlich als nationale Künstlerin, ist jedoch schon in den bekanntesten Clubs (z.B. Panormabar/Berghain) und Festivals (z.B. Time Warp Festival) der Welt aufgetreten.

Im Burgdorfer Technokeller
Angefangen hat alles in Burgdorf. Und zwar Mitten in Burgdorf: «Ganz am Anfang haben wir in der Mühlegasse gewohnt», erinnert sich die heute 50-Jährige. «Mit 15 oder 16 sind wir in ein schönes altes Haus in der Rütschelengasse gezogen.» In diesem Alter machte sie bereits die ersten Erfahrungen am DJ-Pult. Als sie einen Familienfreund begleitet hat, als dieser Platten aufgelegt hat, war er einmal so betrunken, dass sie spontan eingesprungen ist. Der Clubchef war begeistert und engagierte sie direkt für weitere Abende. «Erst nach vier oder fünf Auftritten haben sie bemerkt, dass ich noch gar nicht 18 bin», erinnert sich Manon Maeder zurück und lacht.
Doch beruflich hatte Manon Maeder damals noch andere Sachen als Musikmachen im Sinn: Eine erste Lehre als Hochbauzeichnerin bei ihrem Vater brach sie nach zwei Jahren ab und ging stattdessen ins Gastgewerbe. Auch dort hatte sie bereits Erfahrungen; ihre Mutter Antoinette Maeder führte das Restaurant Hofstatt in der Burgdorfer Oberstadt. Im Berner Pop-up-Lokal «Bluelight» stiess sie erstmals auf elektronische Musik. «Ab dann reiste ich jedes Wochenende diesen Partys nach», schmunzelt DJ Manon. Später führte sie im Keller der Hofstatt eine eigene Bar und baute ein DJ-Pult ein. Dort begann sie selbst Musik zu machen. Ende 1993 zog sie mit dem damals schon bekannten DJ Mas Ricardo nach Zürich und arbeitete neben ihrer Musik in einem Plattenladen und später als stellvertretende Geschäftsführerin der Bar «2. Akt». «Erste Bookings erreichte ich über meinen Musikstil und eigene Beziehungen», so die Künstlerin. Ihre ersten Gigs hatte sie bei den bekannten Partylabels Massive, Ursive und Dekadance und bald darauf legte sie in angesagten Clubs wie dem Kaufleuten, Groodonia, Sensor und Oxa auf.

Wechselnde Prioritäten
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere musste sie aber etwas zurücktreten: 1999 wurde ihre Tochter geboren und 2001 ihr Sohn. «Ich habe dann selber zurückgesteckt, da die Familie einfach wichtiger war. Das war auch gut so», weiss Manon. «Musik ist und bleibt meine Passion.» Nun, fast 20 Jahre später, begleitet ihr Sohn sie auf Events und hilft mit. «Sobald er alt genug war und Interesse gezeigt hat, habe ich ihn mitgenommen. Er legt mittlerweile auch selber im Bereich Hip-Hop auf.» Eine geplante Lehre als Veranstaltungstechniker fiel bei ihm dieses Jahr durch die Coronakrise aber leider aus.

Boom der elektronischen Musik
«Die elektronische Musik ist der am grössten wachsende Wirtschaftszweig», erklärt Manon Maeder. Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 ist die elektronische Musik hinter Pop und Rock das drittpopulärste Genre. Nach einer Hochrechnung würden so umgerechnet 1,5 Milliarden Menschen elektronische Musik hören. «Ich glaube viele Menschen in der Gesellschaft realisieren gar nicht, wie gross diese Industrie ist», so DJ Manon. «Da sind Millionen von Arbeitsplätzen involviert.» Mittlerweile sind Musik­richtungen wie Techno und House im Mainstream angekommen, doch Manon Maeder erinnert sich noch gut an die Anfangszeiten: «Ich bin sehr dankbar, diese Zeit erlebt haben zu dürfen. Wir waren damals Leute aus jeder Gesellschaftsschicht, ganz ohne Wertung und mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ging uns allen nur um die Musik.» 2014 gründete Manon schliesslich ihr eigenes Label «ManonMania», um «vielen kleineren Projekten einen grösseren Rahmen zu geben». Sie nutzt diese Plattform auch, um jüngere DJs und andere Künstler zu fördern. «Ich möchte ihnen eine Plattform und Basis bieten. Es ist für junge Künstler oft nicht einfach, in der Szene Fuss zu fassen.» Einer ihrer Schützlinge, DJ Aaron Khaleian, ist heutzutage Resident-DJ (ein DJ der regelmässig in einem «Stammclub» auftritt) in Zürcher Clubs. Selbst tritt DJ Manon noch rund 50 bis 60 Mal im Jahr auf und organisiert jährlich circa 10 Events. Als Teil der Event- und Musikbranche hat die Lage um Corona auch Manon Maeder hart getroffen. Dass alle ihre Veranstaltungen verkleinert werden mussten, war nicht das Schlimmste. «Das Voneinander-sozial-getrennt-werden, war schlimmer. Der Gedanke an Leute, die einsam sterben mussten, Familienmitglieder, die ohnmächtig keine Besuche oder Pflege gewährleisten durften, bewegt mich sehr», so die Künstlerin. «Auf der anderen Seite hat es auch seine positiven Seiten, etwa, dass ich mehr Zeit für mich und meine Familie habe. Jetzt hat man Zeit, in sich zu gehen und sich etwas Gutes zu tun, etwas, dass ich früher wohl zu wenig gemacht habe. Das gibt einem eine gewisse Kraft zurück.»

Back to the Roots
Dieses Jahr hätte ausserdem die 29. Ausgabe der Street Parade in Zürich, welche jährlich Hunderttausende von Technofans nach Zürich lockt, stattfinden sollen. Auch dieses riesige Fest musste abgesagt werden. Als Ersatz organisierte Virgin Radio Switzerland ein digitales Ersatzkonzert. Am 8. August 2020 spielten verschiedene DJs ein elfstündiges Live-Set. Auch DJ Manon, welche seit der ersten Street Parade dabei ist und noch nie eine verpasst hat, legte eine Stunde im Radio auf. «Es war schon ganz anders. Ohne das Feedback vom Publikum fehlt einfach etwas. Dieser soziale Kontakt zu den Menschen ist für mich ein sehr wichtiger Teil bei meinen Auftritten.»
Mittlerweile können wieder Feste und Auftritte im kleinen Rahmen stattfinden und DJ Manon fühlt sich fast an die Zeit vor rund 30 Jahren erinnert: «Es ist wieder viel familiärer geworden, früher an den Wochenenden war das auch so. Leute, die diese Musik hören wollen, treffen sich bewusst und geniessen es. Durch den Mainstream hat sich das etwas verändert.» Trotz einiger positiven Aspekte hofft Manon, dass irgendwann wieder eine friedliche Normaliät eintreten wird. DJ Manon blickt positiv in die Zukunft: «Unsere Musikindustrie wird sich verändern. Das bedeutet, umzudenken und wieder aufrichtiger mit der Kunst umzugehen, sich kleinere Massstäbe zu setzen und den Menschen ein Ventil zu geben, damit sie sich auf diese neue Lebensweise einlassen können. Es ist auch eine Chance, dass die Menschen wieder kreativer werden und nach neuen Lösungen suchen. An jedem Ende steht ein Neuanfang.»

Erinnerung an Burgdorf
«In Burgdorf habe ich eine super coole, wenn auch manchmal nicht ganz einfache Jugend erlebt. Die Stadt hat damals vor Leben gebrummt», so Manon Maeder. «Wenn ich jetzt da bin, merke ich, wie schön die Stadt ist. Ich komme immer gerne zurück.»

David Kocher

www.manonmania.com


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