Das Leben des Kindergarten-Begründers Friedrich Fröbel

  20.04.2021 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf, Gesellschaft, Region

Der 21. April wird in den USA, aber auch im deutschsprachigen Raum als Tag des Kindergartens gefeiert. Das Datum erinnert an den Geburtstag des deutschen Pädagogen Friedrich Fröbel, der am 21. April 1782 in Oberweissbach in Thüringen das Licht der Welt erblickte und als Erfinder des modernen Kindergartens gilt. Fröbel lebte mehrere Jahre in der Schweiz – unter anderem in Burgdorf.

Schwierige Kindheit
Fröbels Kindheit lässt sich keineswegs als unbeschwert bezeichnen. Er wurde als sechstes Kind des Pfarrers Johann Jakob Fröbel und dessen Ehefrau Friederike geboren. Seine Mutter verstarb am 7. Februar 1783, als er noch nicht einmal ein Jahr alt war. Als heranwachsender Knabe und Jugendlicher litt er schwer unter dem Verlust. Seine Beziehung zum streng religiösen Vater und dessen zweiter Ehefrau erwies sich als schwierig und konfliktbeladen. Im Alter von zehn Jahren zog er schliesslich zum Bruder seiner Mutter nach Stadtilm nahe bei Erfurt. Dort begann der zuvor verschlossene Junge aufzublühen. Rückblickend schrieb er über jene unbeschwerte Zeit: «Ich trank hier frischen Lebensmut in langen Zügen; denn die ganze Gegend war mir nun ein Tummelplatz. Ich gewann Freiheit des Gemüts und erstarkte körperlich.»

Zum Pädagogen geboren
Über Umwege, nach rastlosen Wanderjahren, der Absolvierung einer Landwirtschafts- und Försterlehre, einem Studium der Naturwissenschaften und Anstellungen als Landmesser und Privatsekretär, fand Fröbel im Jahre 1805 in Frankfurt am Main seine Berufung als Pädagoge durch eine Bekanntschaft mit Gottlieb Anton Gruner. Gruner, ein begeisterter Anhänger von Johann Heinrich Pestalozzi, stand einer Musterschule vor, in welcher nach den Lehrmethoden des Schweizer Schulreformers unterrichtet wurde. Gruner ermutigte den damals 23-jährigen Fröbel, der mit einer Laufbahn als Architekt liebäugelte, den Lehrerberuf zu ergreifen und eine Stelle an seiner Schule anzunehmen. Rasch stellte sich heraus, dass Fröbel seine Bestimmung entdeckt hatte. Er schrieb: «Es war mir, als wäre ich schon längst Lehrer gewesen und eigentlich zu diesem Geschäfte geboren, es schien mir, als hätte ich nie in einem anderen Verhältnis als diesem leben wollen.»

Bekanntschaft mit Pestalozzi
1805 machte er auf einer Ferienwanderung erstmals die flüchtige Bekanntschaft mit Pestalozzi. Von 1808 bis 1810 weilte Fröbel in Pestalozzis Institut in Iferten, in Yverdon-les-Bains. Obwohl er den Schweizer Pädagogen verehrte, zeigte er sich enttäuscht von den Spannungen unter den Lehrern. Fröbel glaubte, in der Erziehungslehre von Pestalozzi eine Lücke zu entdecken. Er gelangte zur Überzeugung, dass die früheste Kindheit eine entscheidende Bedeutung in der Entwicklung eines Menschen spiele. Dieser Phase widmete er fortan bei seinen pädagogischen Bestrebungen besondere Aufmerksamkeit.

Gründung einer Erziehungsanstalt
Im Jahre 1816 gründete Fröbel mit pädagogischen Mitstreitern die «Allgemeine Deutsche Erziehungsanstalt» in Griesheim in Thüringen, deren Sitz 1817 nach Keilhau verlegt wurde. Die Zahl der Zöglinge wuchs kontinuierlich an: Während die Anstalt 1820 15 Jungen und Mädchen zählte, lebten dort fünf Jahre später bereits 56 Kinder, die aus unterschiedlichen sozialen Verhältnissen stammten. Auf diese Blütezeit folgten aber immer wieder neue Krisen. Dennoch existierte die Keilhauer Erziehungsanstalt weiter.
Schon damals legte Fröbel grossen Wert auf eine altersgerechte Betätigung der Zöglinge und wollte bei der Erziehung «Denken und Tun, Erkennen und Handeln, Wissen und Können» miteinander in Einklang bringen. Im Jahr 1826 publizierte er die Schrift «Die Menschenerziehung», in der er seine grundlegenden Ansichten festhielt.

Einladung in den Kanton Luzern
Im Juli 1832 folgte Fröbel einer Einladung des Musikers und Pestalozzi-Anhängers Franz Xaver Schnyder in die Schweiz, um eine Schule mit Internat – analog dem Vorbild der Anstalt in Keilhau, die er seinen Mitstreitern überliess – im Schloss Wartensee in Neukirch im Kanton Luzern ins Leben zu rufen. 1833 verlagerte er das Projekt nach Willisau. Trotz Anfeindungen von der katholischen Geistlichkeit erwarb sich der Protestant Fröbel in der Eidgenossenschaft rasch den Ruf eines engagierten und fortschrittlichen Lehrers. Auch im Kanton Bern wurden pädagogisch Interessierte, die sich für eine Reform des Schul- und Erziehungswesens einsetzten, auf ihn aufmerksam. Am 18. September 1833 fand in Willisau ein öffentliches Examen der Zöglinge statt, dem auch der Berner Regierungsrat Johann Schneider aus Langnau, Vizepräsident des Erziehungsdepartements, beiwohnte. Dieser äusserte sich enthusiastisch über das Geleistete. Schneider zeigte sich überzeugt, dass der Kanton Bern von den Fähigkeiten Fröbels profitieren könnte. Das Berner Erziehungsdepartement entschloss sich deshalb, einige Zöglinge in das Institut nach Willisau zu entsenden, um sie als Armen-Lehrer auszubilden. Der Staat übernahm die anfallenden Kosten. Am 25. April 1834 betraute das Departement Fröbel zudem mit
der Leitung eines Fortbildungskurses für Primarlehrer auf Schloss Burg­dorf.

Liebliches Emmental
Fröbel erkundete im Juni 1834 die Stadt Burgdorf sowie das Schloss, in welchem er wohnen und wirken sollte. Vom Charme der Zähringer-Anlage zeigte er sich begeistert. Seiner Nichte Emilie beschrieb er seine ersten Eindrücke folgendermassen: «Fast jedes Eckchen ist zu einem Gärtchen oder Sitz oder Hüttchen von Laub und Blumen umgeben benutzt, selbst die Bogen-Hallen und das Treppengemäuer im Inneren des Schloßhofes ist von rankenden Gewächsen belebt, daß auch der von steinernen Gebäuden nach 3 Seiten hin eingeschlossene Hof etwas reizendes und feenartiges hat.» Das Emmental erschien Fröbel bei seiner Ankunft ebenfalls als idyllisches Paradies: Aus allen Gärten seien ihm «in gleichmäßiger Fülle weiße und rothe Rosen entgegengeblüht, und sie drängten sich an die Zäune um über und durch dieselben mich durch Duft und Blick willkommend zu begrüßen».

Ein Wespennest
Fröbel gab sich allerdings trotz aller romantischen Vorstellungen nicht der Illusion hin, dass der Kanton Bern ein paradiesisches und friedliches Eiland sei. Er war sich bewusst, dass ihn nicht alle willkommen hiessen. Insbesondere der einflussreiche Pädagoge Philipp Emanuel von Fellenberg, der Gründer der Bildungsanstalten von Hofwil bei Münchenbuchsee, betrachtete Fröbel als unliebsamen Konkurrenten. Fellenberg strebte danach, die Leitung der Lehrerausbildung im Kanton zu übernehmen und focht mit dem Erziehungsdepartement, das ihm sein Ansinnen verweigerte, einen erbitterten Konflikt aus. Auch gegen Fröbel begann er in Broschüren, Zeitungen und Zeitschriften zu hetzen. «Ich komme in die Nähe eines Wespennestes, ich bin sehr begierig, nach einigen Wochen mein zerstochenes Kontrefait zu sehen», schrieb Fröbel in einem Brief.

Der Burgdorfer Fortbildungskurs 1834
Am Burgdorfer Fortbildungskurs nahmen insgesamt 60 Lehrpersonen teil. Fröbel unterrichtete die Fächer deutsche Sprachlehre, Mathematik und Zeichnen. Für die Erteilung des Religionsunterrichts verpflichtete das Erziehungsdepartement Karl Steinhäuslin, Pfarrer in Aetigen, für die Fächer Gesang und Geografie den Burgdorfer Helfer Ludwig Müller und für vaterländische Geschichte Albert Bitzius, Pfarrer in Lützelflüh. Die Kursteilnehmer waren im Alter zwischen 16 und 50 Jahren. «Denke Dir diese Männer und Jünglinge, groß und klein, schlank und dick aber alles einfache, doch glaube ich, in größern oder geringerm Umfang, alles strebende Naturen, mein Schullehrerheer», teilte er seiner Nichte mit. «Ich sage mein, weil ich mit ihnen allein im gleichen Raum lebe und ihnen die meisten Unterrichtsstunden gebe.» Er begleitete sie auch auf den Turnplatz, zum Spiel und beim Spazieren. Der Sommer 1834 in Burgdorf bezeichnete Fröbel als einen Höhepunkt in seinem pädagogischen Schaffen, als Zeit des «reinsten Glücks». Da ihn der Burgerrat der Stadt Burgdorf im September 1834 als Leiter des Waisenhauses im neu erbauten Gebäude der heutigen Musikschule an der Bernstrasse 2 verpflichtete, schien sich ein längeres Engagement Fröbels in der Zähringerstadt anzubahnen.

Gotthelf über Fröbel
Das öffentliche Abschlussexamen des Fortbildungskurses am 11. September 1834 fiel im Grossen und Ganzen zur Zufriedenheit des Erziehungsdepartements aus. Auch Albert Bitzius, der als Schriftsteller Jeremias Gotthelf Welt­ruhm erlangte, äusserte sich positiv über den deutschen Pädagogen. Ziel des Fortbildungskurses sei es keineswegs gewesen, den Lehrern möglichst viel Stoff einzutrichtern, sondern sie zum eigenen Nachdenken anzuregen und sie dadurch vor dem «Versauren und Versumpfen» zu bewahren. Die dafür notwendige Gabe bringe Fröbel zweifellos mit. Es sei ihm gelungen, die Lehrer zu begeis­tern und zu motivieren. Sein Fazit lautete: «Ich halte Herrn Fröbel für einen ausgezeichneten Erzieher, der in unserm Kanton von unendlichem Nutzen sein kann, indem er neues Leben bringt.»

Kontroversen und der Abgang aus Burgdorf
Dennoch löste der Fortbildungskurs für Lehrer auf Schloss Burgdorf eine Kontroverse aus. Fellenberg und seine Anhänger verunglimpften den Unterricht Fröbels in aller Öffentlichkeit mit ätzendem Spott und Hohn, stellten ihn als unpraktischen, arroganten Träumer dar und griffen auch die übrigen Dozenten heftig an. Das Departement hielt vorerst an Fröbel fest und engagierte ihn 1835 für die Durchführung eines zweiten Kurses. Die Stimmung war angesichts der Feindseligkeiten nun merklich angespannt. Erneut attackierten Fellenberg-Anhänger, aber auch andere Pädagogen, die Leistungen Fröbels. Dessen Motivation, weiterhin im Kanton Bern zu wirken, litt darunter – zumal sich auch das Vorhaben zerschlug, ihn mit der Leitung der neu gegründeten Armenerziehungsanstalt auf Bättwyl in Burgdorf zu betrauen. Das Erziehungsdepartement gab den gegnerischen Anfeindungen nach und liess Fröbel fallen: Es entzog ihm die Leitung des Fortbildungskurses für 1836. Zudem wurde ihm die Wohnung auf Schloss Burgdorf gekündigt. Enttäuscht kündigte Fröbel seine Stelle als Leiter des Burgdorfer Waisenhauses – dieses Amt übernahm sein Mitarbeiter Heinrich Langethal. Ähnlich erging es Pestalozzi rund
30 Jahre zuvor, als er 1804 sein Schulinstitut in der zähringischen Burganlage schliessen musste. Fröbel kehrte 1836 nach Deutschland zurück, um sich neuen pädagogischen Projekten zu widmen.

Kindergarten-Gründung
Im Jahr 1840 gründete Fröbel in Bad Blankenburg den ersten Kindergarten, den er als geschützten Hort konzipierte, in dem Mädchen und Knaben die Gelegenheit erhalten sollten, sich zu entfalten und ihre individuellen Gaben und Talente zu entwickeln. Dabei mass er dem kindlichen Spiel, das andere Pädagogen als Zeitverschwendung betrachteten, eine entscheidende Bedeutung bei. Er entwickelte verschiedene Spielgaben wie Würfelkästen, Bälle und Bauklötze, welche die Kreativität, Motorik und Abstraktionsfähigkeit der Kinder fördern sollten. Er erwies sich als Pionier der Vorschulerziehung und revolutionierte den Umgang mit Kleinkindern. Fröbel bildete auch Kleinkindererzieherinnen aus. Er starb am 21. Juni 1852.
In der Schweiz entstand der erste Kindergarten fröbelscher Prägung im Jahre 1845. Vielleicht wäre das Emmental als Geburtsstätte des Kindergartens in die Pädagogikgeschichte eingegangen, wenn Fröbels Aufenthalt in Burgdorf einen glücklicheren Verlauf genommen hätte.

Markus Hofer


Quellen: Geppert Lotte: Friedrich Fröbels Wirken für den Kanton Bern, 1976; Gesamtedition der Briefe Fröbels, https://editionen.bbf.dipf.de/briefedition-friedrich-froebel; Guggisberg Kurt: Friedrich Fröbel und Albert Bitzius am Burgdorfer Lehrerfortbildungskurs von 1834, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern; Bd. 39, Heft 2.


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