Die ganz grossen Schäden sind bisher ausgeblieben

  20.07.2021 Aktuell, Foto, Kultur, Burgdorf, Region

Sowohl der Bevölkerung als auch den kantonalen Wasserbau-Fachleuten und den Mitgliedern der verschiedenen Feuerwehr-Stützpunkte sind die Hochwasser der vergangenen Jahrzehnte noch in bester Erinnerung. Respektive in schlechter Erinnerung, denn 1987 und 2000 sind durch entsprechende Überflutungen sehr grosse Schäden an Strassen, Gebäuden und am Mobiliar entstanden. Geradezu harmlos muten dagegen die starken Regenfälle vom 23. und 24. Juni sowie 13. Juli 2021 an, welche dank der realisierten Schutzmassnahmen ohne grössere Schäden verkraftet werden konnten.
 
Rückhaltedamm für den Luterbach
Eines der Gewässer, das bei starken Regenfällen bedrohliche Ausmasse annehmen und Verwüstungen verursachen kann sowie einmal einen Todesfall zur Folge hatte, ist der Luterbach. 1987 ist das der Fall gewesen. Später richten weitere Unwetter beträchtliche Schäden an. Die Situation wird zunehmend kritisch, wenn grosse Wassermengen auch noch durch den Krauch­thalbach eingangs Oberburg in den Luterbach fliessen, welcher schliesslich in den Oberburgbach mündet. Diese Wassermengen ergiessen sich später in das Burgdorfer Kanalsystem.
Sogar das in den 1990er-Jahren erstellte vierteilige Poldersystem für den Krauchthalbach im Underbärgetal erweist sich bei massiven Hochwassern als nicht ausreichend, um die Überflutungen in Oberburg und dem Schlossmattquartier von Burgdorf zu verhindern. Der Gemeinderat von Oberburg beschliesst daher, zusammen mit Burgdorf unter Federführung des Kantons ein Konzept für einen angemessenen Hochwasserschutz auszuarbeiten. Dieses sieht den Bau eines Rückhaltebeckens mit einem 11 Meter hohen und 80 Meter breiten Damm sowie die Revitalisierung des in früheren Zeiten stark eingeengten Luterbaches zwischen dem Rückhaltebecken und der Einmündung in die Hauptstrasse nach Oberburg vor.
 
Praktisch risikolos
Die veranschlagten Kosten werden auf 12,9 Millionen Franken beziffert; die Gemeinde muss für 10 Millionen Franken Sicherheit gewähren. Das hat der Oberburger Souverän am
21. Mai 2017 mit 76 Prozent Jastimmen bewilligt. Es geht nicht um Kosten, die aus der Gemeindekasse zu bezahlen sind, sondern um die Sicherung der Zahlungsfähigkeit für die anfallenden Unternehmerrechnungen während der Bauzeit. Da Bund und Kanton beträchtliche Summen an das Rückhaltebecken zahlen, bleibt für die Schwellenkorporation nur noch ein Anteil von rund zwei Millionen Franken. Um bis zum Eintreffen der zugesagten Beträge liquid zu bleiben, benötigt die Korporation dieses Darlehen.
Der Baustart für das Hochwasser-Rückhaltebecken beziehungsweise den Damm erfolgt 2018 und ist nun abgeschlossen; das Bauwerk ist betriebsbereit und bewährt sich. Die Bauarbeiten für die Revitalisierung des Luterbaches sind derzeit voll im Gange.
Wenn man die Schäden früherer Hochwasser, die für den 1. Juli 1987 rund 7,5 Millionen Franken (und ein Todes­opfer) sowie im Jahr 2000 sogar 20 Millionen Franken betragen haben, mit den Baukosten für den Luterbach-Damm und die seither ausbleibenden Überflutungsschäden vergleicht, fasst der Burgdorfer Feuerwehrkommandant Martin Rutschi die Situation wie folgt zusammen: «Der Rückhaltedamm für den Luterbach ist eigentlich schon amortisiert.»
 
Im Dauereinsatz
Rutschi und sein aus 80 Personen bestehendes Burgdorfer Feuerwehrteam – davon sind rund zehn Prozent Frauen – befinden sich infolge der heftigen Niederschläge der letzten Zeit fast im Dauereinsatz. «Besonders am 23. und 24. Juni 2021 gingen zahlreiche Meldungen bei der Feuerwehr wegen überfluteter Keller, Autoeinstellhallen, Strassen usw. bei uns ein. Bäche traten über die Ufer, Brücken wurden durch mitgerissene Äste und Bäume blockiert. So auch der Lochbach beim Weiher oberhalb des früheren Restaurants. Trotzdem kam es zu keinen wirklich gravierenden Schäden.»
Beim Ziegelgut ist die Heimiswilstrasse eine Zeit lang nicht passierbar; der Heimiswilbach ist verstopft und tritt über das Ufer. Die Feuerwehr räumt das Ge­röll zur Seite, die Situation beruhigt sich nach einiger Zeit. Die Überbauungen Woodside und Weidli (vis-à-vis der Localnet) sind unterhalb eines Hanges gebaut worden, der bei starken Regenfällen viel Wasser austreten lässt. Das bedeutet auch jetzt wieder überflutete Einstellhallen, die ausgepumpt werden müssen.
 
Kleinere Sintflut
In der Nacht vom 12. auf den 13. Juli 2021 öffnet Petrus alle Schleusen und prüft die Bevölkerung von Burgdorf und Umgebung mit lang anhaltendem Starkregen in Kombination mit parziell auftretenden Gewittern. Am Morgen wird bekannt, dass die Polder im Underbärgetal sowie das Luterbach-Rückhaltebecken ihren Zweck erfüllen. Die Feuerwehren sind in Alarmbereitschaft. Die Messstation Emmenmatt, zuständig für die Pegelmessung der Emme, hat am 13. Juli um 11.20 Uhr den ersten Alarm ausgelöst. Das geschieht, wenn in der Emme 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde gemessen werden. «Der Hochwasseralarm geht an sämtliche Feuerwehren entlang der Emme sowie an die entsprechenden Stellen im Kanton Solothurn», erläutert Rutschi. «Erfahrungsgemäss kommt nach dem ersten Alarm schon recht schnell die nächste Meldung. Um 12.30 Uhr wurden bereits 237 m3/s gemeldet, was für diesen Tag das Maximum bleiben sollte. Um 15.50 Uhr hatte sich die Situation bereits beruhigt, die Emme führte nur noch eine Wassermenge von 128 m3/s.»   
Polder und Rückhaltebecken haben keinen direkten Zusammenhang mit der Emme, dieses Wasser fliesst nicht in die Emme, sondern wird durch den Oberburgbach später Teil des Burgdorfer Kanalsystems. Die Wassermassen der verschiedenen Bäche kommen vom Tal gedrosselt durch Oberburg Richtung Burgdorf und haben ihre frühere Zerstörungskraft weitgehend eingebüsst. Bewährt hat sich auch das Rückhaltebecken unterhalb des Burgdorfer Viehmarktplatzes, das bei Hochwasser die Kanalisation entlastet und das Wasser gesteuert in die Emme abgibt.
Bei der Schwelle neben der Burgdorfer Badeanstalt schiesst die Emme schäumend und tosend über die jetzt nicht sichtbaren Felsbrocken. Genau wie bei den Polderfeldern spazieren auch hier Fussgänger mit Fotoapparaten umher und schiessen Erinnerungsfotos.

Wasser in Lyssach, Oberburg und Niederösch
Am 13. Juli 2021 muss die Schachenstrasse in Lyssach wegen Überflutung bis am Mittag gesperrt werden. Dann räumt ein genervter Chauffeur eines grossen Lkws mit Anhänger die Absperrung zur Seite und fährt durch das wenige Zentimeter hohe Restwasser auf der Strasse Richtung Burgdorf. In Oberburg müssen verschiedene Liegenschaften ausgepumpt werden; aus den Schläuchen sprudelt das Wasser in die öffentliche Kanalisation.
Die Feuerwehr Ersigen steht in Niederösch wegen Überflutungen im Einsatz; der Chänerechbach ist über das Ufer getreten und hat die Strasse überflutet. Urs Reist, Kommandant der Feuerwehr Ersigen, bestätigt den Einsatz seiner Männer in Niederösch nach der Schadensmeldung um 11.00 Uhr, worauf Sandsäcke gegen die Überflutung angrenzender Häuser platziert werden müssen. Gegen 13.30 Uhr ist das Schlimmste überstanden, die Feuerwehrmänner spritzen noch den Schlamm von der Strasse und dann kann der Verkehr wieder rollen.
Nach und nach werden immer mehr Vorkommnisse aus den umliegenden Gemeinden gemeldet, aber erfreulicherweise bleibt es bei Sachschäden und relativ schnell zu behebenden Verkehrsbeeinträchtigungen.

Aufruf der Feuerwehr
Martin Rutschi, Leiter Feuerwehr / Zivilschutz der Stadt Burgdorf, weist die Bevölkerung auf folgende Tatsache hin: «Die Feuerwehr ist eine Milizorganisation, bei der alle Mitglieder einem Beruf nachgehen. Sie kommt zum Einsatz, um beispielsweise einen Brand zu löschen oder Geschiebe aus einem Hochwasser führenden Bach zu entfernen. Die Frauen und Männer können nicht für Putzarbeiten in einem überfluteten Keller oder ähnlichen Arbeiten aufgeboten werden. Hier sind die Bewohner selber gefragt.»
Bei wiederkehrenden Überflutungen fordert er die Betroffenen auf, Sandsäcke zu kaufen oder andere Schutzmassnahmen zu ergreifen. «Meist ist der finanzielle Aufwand nicht besonders gross, dafür hilft die vorbeugende Massnahme umso mehr. Bei drei Zentimetern hohem Wasser im Keller sollten Betroffene nicht die Feuerwehr kontaktieren, sondern selber zum Wasserstaubsauger oder zu Eimer und Lappen greifen und die Telefonleitung für stärker Betroffene freihalten. Wir stehen nur so lange im Einsatz, bis die Gefahr behoben ist.»

Gerti Binz


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