Engagiert und lokal, national und international vernetzt – auch mit 90 Jahren

  28.09.2021 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft

Dieses Jahr werden 50 Jahre Frauenstimmrecht und 100 Jahre Soroptimist International – eine auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene tätige Organisation für berufstätige Frauen – gefeiert. Und am 30. September 2021 wird die Burgdorferin Trudy Köhli 90-jährig, die sich ihr Leben lang für soziale und frauenpolitische Anliegen engagiert und nicht nur den Soroptimist International Club Burgdorf stark mitgeprägt hat, sondern auch weit über die Landesgrenzen hinaus stark engagiert war und bis heute freundschaftliche Beziehungen quer durch ganz Europa pflegt.
Die «D’REGION» konnte im Vorfeld des runden Geburtstags ein Interview mit der lebenssprühenden Jubilarin machen.

«D’REGION»: Trudy Köhli, Sie haben in Ihrem Leben unglaublich viel gemacht und sich sehr für die Frauen und deren Vernetzung engagiert …
Trudy Köhli (lacht): Nun, das meiste hat sich einfach so ergeben. So kam ich wahrscheinlich 1977 zum Soroptimist International Club Burgdorf, weil ich einerseits langjährige Präsidentin des Gemeinnützigen Frauenvereins Burgdorf und andererseits Mitglied der Kommission war, die für das damals in der Planungsphase befindliche Alters- und Pflegezentrum zuständig war. Dazu übrigens ein interessantes Detail: Weil ich zu dieser Zeit nicht auf meinem gelernten Beruf als diplomierte Kauffrau arbeitete, sondern neben meinen vielen ehrenamtlichen und freiwilligen Tätigkeiten zu unserer Familie schaute, wurde mir zuerst gesagt, ich könnte nur als «membre amie» in den Soroptimist International Club aufgenommen werden – das ist ein Mitglied ohne Stimm- und Wahlrecht. Deswegen war ich mir zuerst alles andere als sicher, ob ich diesem Club wirklich beitreten wollte … Als ich jedoch kurz darauf erfuhr, dass Soroptimist International «Hausfrau» als vollwertigen Beruf anerkannte – und das bereits in den 1970er-Jahren! – und ich als «Hausfrau» vollwertiges Mitglied werden konnte, war das für mich der Grund, Ja dazu zu sagen. Und so bin ich bis heute als Hausfrau aufgeführt, obwohl ich ja eigentlich eine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen habe …

«D’REGION»: Wie ist das mit diesen Berufen? Sind denn diese wichtig für eine Mitgliedschaft?
Trudy Köhli: Ja, Soroptimist International möchte Frauen aus möglichst vielen Bereichen und Berufen zusammenbringen und vernetzen. Grund dafür ist, dass auf diese Art umfassendes Know-how und Netzwerke auf verschiedensten Ebenen zusammenkommen, damit wir Soroptimists diejenigen Frauen, die Wegbegleitung benötigen, breit unterstützen können.

«D’REGION»: Sie waren in Ihrer «aktiven Zeit» nicht nur lokal tätig, sondern schweiz- und europaweit.
Trudy Köhli: Nun ja, durch verschiedene Rochaden, die aufgrund der Wahl von Marie Jeanne Bosia zur Präsidentin der Europäischen Föderation gemacht werden mussten, wurde mir 1985 auf nationaler Ebene die Koordination im Bereich «Goodwill and international understanding» zugeteilt. Meine Aufgabe war es unter anderem, die europäischen Wünsche und Aufträge an die Schweizer Clubs weiterzuleiten und Clubs im In- und Ausland, die sich miteinander enger verbinden wollten, zu vermitteln.
Besonders gefiel mir die Vermittlung von Ferienplätzen für Kinder und Jugendliche. Eine meiner schönsten Erinnerungen an diese Zeit war das Angebot eines Mitglieds des Clubs Lugano: Diese Soroptimistin war Besitzerin eines Hotels und trat an mich heran, weil sie «einer Schulklasse aus einem Bergdorf» einen Aufenthalt im Tessin ermöglichen wollte. Dank einer Lehrerin konnte ich schliesslich eine Klasse aus dem Gadmental vermitteln und die Hotelière schenkte diesen Kindern den gesamten Aufenthalt im Tessin.
Später wurde ich als Mitglied der Stipendienkommission gewählt, wo wir die zahlreichen Gesuche um Ausbildungs-, Start-up- und Umschulungsbeiträge zuhanden des Vorstands der Schweizer Union zu prüfen hatten.

«D’REGION»: Sie waren auch offizielle NGO-Vertreterin von Soroptimist International bei den Vereinten Nationen in Genf.
Trudy Köhli: Genau, ich wurde für die Jahre 1991 und 1992 von Soroptimist
International – das ist die oberste Ebene unserer Organisation, die alle Kontinente vereint – auf diesen Posten beordert. Eine spannende, sehr lehrreiche Zeit für mich – meine Aufgabe war es ja, neben dem Mitwirken in verschiedenen Gremien auch immer an die verschiedenen Ebenen von Soroptimist International zu rapportieren, was diskutiert und wie entschieden worden war. Und Internet und Handys gab es ja damals noch nicht so wie heute – ich schickte also meine Résumés stets per Fax, ich habe mir sogar eigens dafür einen privaten Fax zugelegt … (lacht).
Allerdings machte ich in dieser Zeit auch die Erfahrung, dass vor allem in grossen Gremien manchmal endlos und ohne handfeste Resultate diskutiert wurde – und nicht selten wurden Sitzungen abgesagt, ohne dass dies rechtzeitig im Voraus kommuniziert wurde. Nachdem ich etliche Male vergeblich von Burgdorf nach Genf gereist war, entschied ich, dass ich meine Zeit lieber anders einsetzen wollte – und so übernahm ich nach Ende der Amtszeit als NGO-Vertreterin das Präsidium des Clubs Burgdorf, wo ich auf viele ganz wunderbare, engagierte Frauen zählen konnte.

«D’REGION»: Sie gingen also quasi wieder zu Ihren Wurzeln zurück – in den Club, in dem Sie zu Hause waren.
Trudy Köhli: Ja genau. Allerdings wurde ich bereits vor meinem Amtsantritt darauf angesprochen, ob ich nicht wieder auf Unions-Ebene kandidieren würde – als Unionspräsidentin. Diverse Mitglieder des schweizerischen Vorstands führten lange Telefongespräche mit mir, um mich für dieses Amt zu gewinnen. Da damals jedoch die Pensionierung meines Mannes kurz bevorstand, hatte ich eigentlich im Sinn, mich ebenfalls «pensionieren» zu lassen. Nach vielen Gesprächen entschied ich mich schliesslich trotzdem, zu einer Kandidatur Ja zu sagen. Und ich habe diesen Entscheid und diese Zeit mit all ihren verantwortungsvollen Aufgaben nie bereut.

«D’REGION»: Sind Ihnen bestimmte Erlebnisse aus Ihrer Zeit als Unionspräsidentin besonders in Erinnerung geblieben?
Trudy Köhli: Oh ja, ganz viele … Einer der Höhepunkte war sicher das 75-Jahr-Jubiläum von Soroptimist International, das in meiner Amtszeit stattfand. Da unsere Union bereits viel in den Bereichen Gesundheit, Sport und Bildung gemacht hatte, entschloss ich mich, meine Präsidialzeit der Kultur zu widmen. So luden unter anderem die Schweizer Clubs Absolventinnen der Musikhochschulen ein, sich als Ensembles für die Jubiläumskonzerte zu melden, die wir in der ganzen Schweiz durchführen wollten. Die Union gab als Starthilfe für jedes Konzert eine finanzielle Starthilfe, die Clubs bezahlten die Honorare der jungen Kunstschaffenden und kümmerten sich um die Organisation und Vermarktung der Konzerte. Ich habe selber 18 von insgesamt 20 Konzerten persönlich besucht. Und ich war absolut begeistert vom Einsatz der Clubs, der Clubmitglieder und von der hohen Qualität der Konzerte. Besonders freute mich im Nachhinein, dass dieses Jubiläumsprojekt auf europäischer Ebene als «Best practice» ausgezeichnet wurde.
Ein weiterer Höhepunkt war die Zusammenarbeit mit den Unionen in Bulgarien, Ungarn und Rumänien. Unter dem Motto «Freundschaft ohne Grenzen» erhielten wir von der europäischen Föderation den Auftrag, gemeinsame Projekte zu erarbeiten – und wir organisierten neben ganz konkreten Projekten und Patenschaften auch Symposien in Budapest, in Fribourg und in Craiova (Rumänien).
Das Schöne daran ist, dass etliche Projekte aus dieser Zeit bis heute fortbestehen. Ich habe auch nach meiner Zeit als Unionspräsidentin die Clubs und Orte, wo wir Patenschaften übernommen oder Projekte durchgeführt hatten, besucht – und ich war immer wieder beeindruckt, wie sehr sich die Soroptimists vor Ort ins Zeug legten, um mit möglichst wenig finanziellem Aufwand das Bestmögliche herauszuholen, und wie nachhaltig die Projekte waren, die wir ausgewählt hatten. Und auch die Freundschaften aus dieser Zeit haben bis heute Bestand – auch international.

«D’REGION»: Sind Sie immer noch so viel unterwegs?
Trudy Köhli: Nun ja, meinen letzten offiziellen Besuch machte ich im Oktober 2019 beim Soroptimist
Club Brig. Dieser feierte damals sein 25-Jahr-Jubiläum und ich war als ehemalige Unionspräsidentin zu den Feierlichkeiten eingeladen – die Gründungsversammlung dieses Clubs war nämlich meine erste Amtshandlung als Unionspräsidentin gewesen. Leider machen sich aber in letzter Zeit neben der Sehbehinderung, die ich ja bereits seit vielen Jahren habe, auch andere Altersbeschwerden bemerkbar. Aber das hindert mich nicht daran, meine nationalen und internationalen Freundschaften und Kontakte weiterzupflegen …

«D’REGION»: Wir danken Ihnen herzlich, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben und wünschen Ihnen von Herzen alles Gute!

Interview: Andrea Flückiger


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