Von Vögeln, Fledermäusen, Reglementen und Verordnungen – Stadtratssitzung im September

  29.09.2021 Aktuell, Foto, Burgdorf, Politik

Stadtratspräsidentin Karin Fankhauser teilte mit, dass Tabea Bossard-Jenni (EVP) per sofort demissioniert. Sie wurde im Alter von 24 Jahren als Stadträtin gewählt und übte dieses Amt während fast 10 Jahren aus. Der Stadtrat (SR) erlebte sie als engagierte und kritische Politikerin. Mit ihrem Einsatz und ihrer Gesinnung habe sie die Stadt mitgeprägt. Als Nachfolgerin wurde Julia Blaser ernannt.

Coronaforce Burgdorf
Stadtpräsident Stefan Berger informierte, dass die Stadt alle Schulkinder nach den Herbstferien hätte testen wollen. Doch der Kanton hatte anders entschieden. Eine eigenständige Lösung für die Burgdorfer Schulen wurde geprüft, ist aber nicht umsetzbar.
Der Impftruck des Kantons Bern
wird auf Antrag der Coronaforce erfreulicherweise auch in Burgdorf Halt machen. Im Lastwagen wird am 2. November 2021 die erste Impfung und am 30. November 2021 die
zweite Impfung verabreicht. Eine Anmeldung für Impfwillige ist nicht nötig. Jede Person muss einen amtlichen Ausweis, die Krankenkassenkarte und falls vorhanden einen Impfausweis mitbringen.

Sicherung der Gewässerräume
Die baurechtliche Grundordnung (BO) besteht aus Baureglement, Zonenplan und Hinweisplan. Durch Veränderungen in der übergeordneten Gesetzgebung drängte sich eine Teilrevision der kommunalen Vorschriften auf. Dazu gehört eine neue Gefahrenkarte, die Harmonisierung der Begriffe und Messweisen im Bauwesen, das neue Gewässerschutzgesetz des Bundes, das neue kantonale Strassengesetz, der neue kommunale Richtplan Energie und neue Anforderungen an kommunale Landschaftsplanungen.
Letzten Sommer wurde die Sicherung der Gewässerräume zusammen mit der Revision des Baureglements öffentlich aufgelegt. Gegen Letzteres gab es keine Einsprachen. Darum wurde es unabhängig weitergeführt. Gegen die Gewässerräume gab es 16 Einsprachen, die zum Teil noch hängig sind. Da die Artikel über die Gewässerräume und Gefahrengebiete nicht bei der Revision des Baureglements beschlossen werden konnten, lag auch die Änderung des Baureglements zum Beschluss vor.
Die eidgenössische Gewässerschutzgesetzgebung verlangt, dass bei sämtlichen Gewässern ein Gewässerraum ausgeschieden und gesichert wird. Burgdorf ist reich an Fliessgewässern. Jahre mit intensiven Regenfällen zeigen, wie wichtig gerade der Hochwasserschutz ist. Es liegt also im Interesse der Stadt, die Gewässerräume zu sichern.
Der SR sagte zu beiden Anträgen einstimmig Ja. Das Amt für Gemeinden und Raumordnung wird nun prüfen, ob die Änderungen rechtmässig sind, und entscheidet im Genehmigungsverfahren erstinstanzlich über hängige Einsprachen.

Verordnungen über verwaltete Zuwendungen und Spezialfinanzierungen
Für Vermögenswerte bestehen Verordnungen, in welchen der Zweck, die Zuständigkeit und die Verwendung geregelt sind. Auf das Jahr 2010 wurden die Fonds grundlegend überarbeitet und wo möglich zusammengelegt. In Zusammenarbeit mit der städtischen Revisionsgesellschaft BDO AG analysierten die Verantwortlichen den aktuellen Bestand der Fonds und erarbeiteten einen Vorschlag über die Weiterführung.
Roger Aebi (Die Mitte) vertritt die Meinung, dass solche Spezialfinanzierungen (SF) reglementiert werden müssen. Sie führen zu Reservenbildung und verhindern den Schuldenabbau. Genau darum lägen 33 Millionen Franken für SF brach, ergänzte er. Elias Maier (FDP) ist der Überzeugung, dass bei den SF Prioritäten gesetzt werden müssen und eventuelle Einsparungen ins Budget zurückfliessen sollten. Der SR stimmte den neuen Reglementen (Instandhaltung von Grabenaufbrüchen, Frühe Sprachenförderung, Ersatzkunststoffrasen) mit 35 Stimmen zu.

Anpassungen von technischen Einrichtungen im Kornhaus Burgdorf
GR Beatrice Kuster erklärte, dass die Nutzniessung des Kornhauses seit dem Konkurs der «Stiftung Kornhaus Burgdorf» 2006 bei der Stadt liege. Sämtliche Räumlichkeiten sind vermietet. 290 000 Franken jährliche Miet­einnahmen stehen 174 000 Franken Ausgaben gegenüber.
Die technischen Einrichtungen sind zum Teil 30 Jahre alt und entsprechen nicht mehr den heutigen Anforderungen. Anpassungen und teilweise Erneuerungen bei der Heizung, der Lüftung, der Gebäudeautomation, der Elektroinstallationen und der Beleuchtung sollen vorgenommen werden. Mit diesen altersbedingten Anpassungen werde eine Stromreduktion von rund 50 000 kWh beziehungsweise rund 9000 Franken pro Jahr erzielt. Der SR genehmigte das Projekt und einen Inves­titionskredit in Höhe von 1 256 000 Franken. Er begrüsste den Vorschlag, die Kosten aus der Spezialfinanzierung «Unterhaltsfond Liegenschaften» zu begleichen. Bis 10 Prozent des Mehrwerts seien auf die Mietzinsen abwälzbar. Kuster betonte, dass mit diesen Investitionen keine Gesamterneuerung des Gebäudes stattfinde.
Anette Vogt (SP) befürwortet die Anpassungen, ebenso Philipp Schärf (GLP). Seine Fraktion sowie Tabea Bossard-Jenni (EVP) hätten eine Ausschreibung gewünscht. Reto Liechti (Leiter Immobilien) erklärte als Auskunftsperson für den GR, die Stadt hätte sich für jene Firma entschieden, die bereits 2013 für die Teilsanierung involviert war. Diese kenne die spezielle Technik des Kornhauses, was finanzielle und zeitliche Einsparungen zur Folge habe. Alle anderen Arbeiten seien ausgeschrieben worden. Die Anträge wurden einstimmig angenommen. Die Umbauphase soll drei Monate – von August bis Oktober 2022 – dauern.

Schutz für gebäudebrütende, gefährdete Vogelarten und Fledermäuse
Der überparteiliche Auftrag wurde von den Grünen, der SP und der EVP gemeinsam eingereicht. Sie beauftragen den GR, ein Inventar der Standorte der gebäudebrütenden, gefährdeten Vogelarten sowie Fledermäuse zu erstellen.
GR Theophil Bucher erklärte, dass bei den Abbrucharbeiten an einem AEBI-Gebäude eine Mauersegler-Kolonie entdeckt wurde. Baubehörden haben keine Kenntnis von Gebäuden, in denen gefährdete Vogelarten oder Fledermäuse hausen. Ein Inventar bildet die Grundlage zur Beurteilung von Bauvorhaben und der Verfügung von Ersatzmassnahmen.
Mit der im Vorstoss vorgeschlagenen Unterstützung des Natur- und Vogelschutzvereins Burgdorf sollte laut Bucher ein Inventar für gebäudebrütende Vögel und Fledermäuse mit überschaubarem Aufwand möglich gemacht werden. Burgdorf sei schliesslich ein regionaler Hotspot für Mauer- und Alpensegler. Die Stadt habe eine 100-Prozent-Stelle für nachhaltige Entwicklung geschaffen, die das Projekt mitbetreuen könnte. Bei der Velostation und beim Bahnhof wurden bereits Nistkästen installiert, ohne Extrakredit.  
Christian Hedinger (Grüne) überbrachte die Botschaft, dass zusammen mit dem Natur- und Vogelschutzverein Burgdorf bereits über 160 Nistkästen aufgenommen und katalogisiert worden seien, ein Zeichen, dass NGOs (Nichtregierungs Organisationen) und Politik gut zusammen arbeiten. Jürg Grimm (FDP) unterstützt die Sensibilisierung der Bevölkerung, fragt sich jedoch, ob ein solches Inventar für Immobilienbesitzende von Interesse sei. Es wäre denkbar, dass sich Eigentümer dafür einsetzten, Vögel und Fledermäuse von ihren Anwesen fernzuhalten, aus Angst vor Konsequenzen bei einem möglichen Umbau. Hermann Dür (SVP) äusserte betreffend der Inventarisierung dieselben Bedenken. GR Bucher will das Inventar nicht öffentlich machen und auch keine Umbauten verhindern. Er empfehle lediglich, Sanierungen sinnvoll zu terminieren und Alternativen für die Vögel oder Fledermäuse anzubieten. Der Auftrag wurde mit grossem Mehr angenommen.

Überparteilicher Auftrag zur langfristigen Reduktion von CO2
Mit einem überparteilichen Auftrag wollen die Grünen, SP, EVP und GLP erreichen, dass der GR die Localnet AG verpflichtet, die ökologischen Gesichtspunkte in ihren Geschäftsfeldern verstärkt zu gewichten. Was die Stromversorgung der Stadt betrifft, ist die Localnet AG mit 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen vorbildlich unterwegs. Was die Fraktionen jedoch stört, ist das Propagieren des Umstiegs von Erdöl auf Erdgas oder Biogas als Energieträger für die Wärmeproduktion. Berechnungen hätten gezeigt, dass die Biogasproduktion in der Schweiz das Erdgas mengenmässig nicht ersetzen kann. Um die Klimaziele der Stadt Burgdorf zu erreichen, muss der Ausstieg aus dem fossilen Gas zur Wärmeproduktion ein langfristiges Ziel sein.
GPK-Präsident Gerber zeigte sich äusserst aufgebracht über den Wortlaut der Forderung. Es sei nicht das erste Mal, dass sich die Politik in die operativen Geschäfte einer städtischen AG einmische. Das gehöre nicht in den Kompetenzbereich des SR. Darum sei der Auftrag abzulehnen. Der vom GR abgeänderte Wortlaut könnte jedoch angenommen werden.
GR Bucher erklärte, dass der Einflussbereich der Politik auf die Localnet AG hauptsächlich in der Eigentümerstrategie (die Stadt Burgdorf ist Alleinaktionärin) sowie in den Aktionärsrechten (Einsitz im Verwaltungsrat) bestehe. Der GR nutze diese Einflussmöglichkeiten. Es herrsche ein vertrauensvolles und respektvolles Verhältnis mit der Localnet AG. Die Eigentümerstrategie klammert jedoch operative Belange aus.
Nachhaltigkeit, Ökologie und die Verminderung von CO2 sei für die Localnet AG seit ihrer Ausgliederung aus der Stadtverwaltung im Jahr 2000 ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensstrategie. Das bewiesen diverse konkrete Projekte. Verschiedene Wärmeverbunde (Holzschnitzel, Gas, Wärmepumpe, Biogas, Pellets) und die Umstellung der Stromversorgung der Stadt Burgdorf auf 100 Prozent erneuerbare Energie wurden realisiert. Die Localnet AG hat sich eingesetzt für die Gründung der Solarstadt. Mit dem Bau der Erdgasleitung Emmental 2014 konnten 3 000 000 Liter Öl durch Erdgas ersetzt werden, was CO2-Einsparungen von rund 2000 t/Jahr zur Folge hat. Die Localnet AG unterstützt zusätzlich Energieeffizienzmassnahmen wie Dämmungen/Isolationen, Erweiterung ökologischer Fernwärme, Wärmepumpen, Solaranlagen und vieles mehr.
Sämtliche Fraktionen würdigten die Bemühungen der Localnet AG und die CO2-Reduktionen, die in den letzten Jahren erzielt werden konnten. Fabian Käsermann (SP), Tabea Bossard-Jenni (EVP) und Adrian Merz (Grüne) zeigten sich enttäuscht über die finanziellen Anreize, welche die Localnet AG für die Umstellung von Öl- auf Gasheizungen in Aussicht stellt. Die fossilen Gase müssten sukzessive reduziert und zeitnah durch CO2 neutrale Massnahmen ersetzt werden. Yves Greisler (Die Mitte) und Elias Maier (FDP) wollen nicht ins operative Geschäft der Localnet AG eingreifen. SVP sowie GLP sprachen sich für den abgeänderten Wortlaut des GR aus, der mit 34 Stimmen gutgeheissen wurde. Er lautet: «Der GR unterstützt die Localnet AG in ihrem Bestreben, die ökologischen Gesichtspunkte in ihren Geschäftsfeldern längerfristig verstärkt zu gewichten, damit die von der Stadt Burgdorf definierten Klimaziele der CO2-Reduktion bis 2030 erreicht werden können. In diesem Sinne wird er in der laufenden Legislatur die Eigentümerstrategie überarbeiten und den neuen Anforderungen der übergeordneten nationalen und kantonalen sowie den strategischen Zielen der Stadt anpassen.»

«Nutzungsideen für die bisher von der Jugendarbeit benützten Räume»
Die Legislaturplanung 2017 – 2020 sieht vor, dass die Jugendarbeit die städtische Liegenschaft am Waldeggweg zur Optimierung ihrer Aufgaben übernimmt. Die SP Fraktion stellte dem GR Fragen zu den aktuell noch benützten Räumen. Sie erhoffte, damit ein Gesamtbild über die Jugendarbeit zu erhalten und zeigte sich enttäuscht über die sachlichen Antworten: Die Räume am Kirchbühl werden als Büro der JuBu genutzt, die Räume im alten Jugendhaus stehen verschiedenen Vereinen zur Verfügung und der Kulturschopf wird längstens bis Ende November genutzt und dann abgerissen.

Informationen und Anregungen
Roger Aebi informierte über die Namensänderung der BDP, die sich nun «Die Mitte Burgdorf» nennt. Für Gabi Bannwart (SP) wäre eine Zertifikatspflicht im SR denkbar, denn sie vertritt die Meinung, dass Politiker/innen mit gutem Vorbild vorangehen sollen.

Helen Käser

 


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