350 Jahre Barock – der Kirchenumbau von 1671

  27.10.2021 Aktuell, Wynigen, Kultur, Gesellschaft

Aus seinen umfangreichen Recherchen über den barocken Kirchenumbau von 1671 gab der einheimische Pfarrer Cicco Rossi in seinem Vortrag in Wort und Bild Einblick in eine längst vergangene Zeit. Er schaute 350 Jahre zurück, als Bern der mächtigste Stadtstaat nördlich der Alpen war. Damals gehörten das Waadtland und auch noch ein Teil des heutigen Aar­gaus dazu. Ringsum war praktisch alles katholisch und die Gegensätze der Konfessionen sehr stark. Der Dreissigjährige Krieg von 1618 bis 1648 war vor allem ein Glaubenskrieg zwischen den Katholiken und den Protestanten. Er entvölkerte grosse Teile von Deutschland und forderte Millionen von Todesopfern. Die Schweiz blieb weitgehend davon verschont. Als grösste Krise des Staates erwähnte der Redner den Bauernkrieg von 1653, dessen Ausbruch den Beziehungen zwischen den städtischen Obrigkeiten und ihren ländlichen Untertanen zuzuschreiben war. Deren Anführer war Niklaus Leuenberger von Rüderswil, der noch im selben Jahr enthauptet wurde. Er hatte jedoch bewirken können, dass die Obrigkeit im Bernerland nie so hemmungslos regieren konnte wie anderswo in Europa. Noch heute steht sein 1903 errichtetes Denkmal in seinem Heimatort.
Im Jahr 1671, erst 150 Jahre nach der Reformation, wurde die Kirche Wynigen in ein reformiertes Gotteshaus mit einem Chorraum im Barockstil umgebaut. Im Mittelalter stand der Altar im Zentrum der katholischen Kirche, wo das Messopfer gefeiert wurde. 1671 wurde in Wynigen die Kanzel in die Mitte gerückt, von wo das Wort Gottes verkündet wurde. In späterer Zeit wurden noch vermehrt Änderungen vorgenommen. Ebenfalls aus dieser Zeit stammen die schönen Verzierungen unter der Decke des Chors und rings um die Fenster, die sogenannten Grisailles oder Graumalereien. Als Architekt in der Wyniger Kirche war der Berner Münsterbaumeister Abraham Dünz tätig, der die Kanzel mit der Jahrzahl 1671 und ebenso den Abendmahlstisch entwarf. Er prägte noch etliche andere Kirchenbauten auf dem Berner Staatsgebiet. Massgeblich finanziell beteiligt am Kirchenumbau war Tobias Wild, der damalige Amman und reichste Bauer von Wynigen, dem ein Drittel des Ackerlandes gehörte und der ausserdem auch noch eine Gastwirtschaft betrieb. Er scheint eine wichtige Persönlichkeit gewesen zu sein. Seine Initialen stehen auf dem Dorfbrunnen und ebenso vorne am Abendmahlstisch. Seine Position, sein ganzes Leben und die umfangreiche Familiengeschichte würden Seiten füllen. Ebenso jene des Wyniger Pfarrherren Daniel Seidensticker in der Zeit um 1670, dessen Wappen vorne an der Kanzel zu sehen ist, und das bewegte Leben von Wolfgang Christen. Die Dorfgewaltigen waren froh, Letzteren wegen schlampiger Amtsführung und vielen Streitereien endlich losgeworden zu sein. Zum allgemeinen Verständnis: Das Wort «Barock» stammt aus dem Portugiesischen und heisst auf Deutsch «unregelmässige Perle».
Cicco Rossi beeindruckte seine Gäste sehr mit seinem grossen Wissen. In seinem Vortrag erzählte er von weiteren Persönlichkeiten wie Louis XIV, der sich gerne als Sonnenkönig inszenierte, von Samuel Frisching, Schultheiss von Bern, von Katharina von Wattenwyl und Johannes Erb. Der Vortrag war spannend und zugleich unterhaltsam. Für Interessierte wird er in absehbarer Zeit unter www.kirchewynigen.ch zu finden sein. Ein weiterer Vortrag zu diesem Thema wird am Donnerstag, 2. Dezember 2021, nach der Kirchgemeindeversammlung zu hören sein.  

Rosmarie Stalder

 


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