Abschied nehmen von alltäglichen Dingen

  26.10.2021 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft

Im Leben eines jeden Menschen kommt eine Zeit, in der es heisst, von Gewohntem Abschied zu nehmen. Es ist sozusagen eine Zeit der «letzten Male». Das letzte Mal in den Urlaub fliegen. Das letzte Mal Auto fahren. Auch Fritz Muster, der wohl fitteste Senior der «Ämmestadt», ist vor diesem Lauf der Zeit nicht sicher. Am 27. Oktober 2021, feiert Fritz Muster seinen 95. Geburtstag. Noch bis vor einem Monat fuhr er täglich mit seinem Fahrrad. Für ihn war die Fahrt mit dem geschätzten Drahtesel jahrzehntelang eine seiner Lieblingsbeschäftigungen: «Seit 1941 bin ich mit dem Fahrrad unterwegs», erinnert sich Muster. «Davon bin ich 50 Jahre lang bei jedem Wetter zur Arbeit gefahren.» Doch nun ist auch diese Ära vorbei. Muster schildert, dass er langsam Gleichgewichtsstörungen entwickelt habe und seine Doktorin sowie seine Enkelkinder ihm geraten haben, besser mit dem Fahrradfahren aufzuhören. «Einmal kommt immer der Zeitpunkt, an dem man aufhören sollte», so Fritz Muster. Ihm sei es dabei sehr wichtig, etwas früh genug und aus eigener Entscheidung zu beenden und nicht darauf zu warten, bis man es ihm verbiete. «Wenn man mit etwas aufhören ‹muss›, ist es viel schlimmer, als wenn man aufhören ‹darf›», schildert der (fast) 95-Jährige. Er wisse selbst, dass solche Erfahrungen andere ältere Personen richtiggehend kaputt gemacht haben. Seiner 90-jährigen Frau Vreni Muster fiel mit dieser Entscheidung  ein Stein vom Herzen. «Die letzten Jahre hatte ich teilweise schon Angst, ob er wieder heil von seinen Ausflügen zurückkommt», sagt Vreni Muster.
Jetzt unternimmt das Ehepaar Muster zusammen – GA sei Dank – kleinere Ausflüge in der Schweiz. Denn, und da sind sich beide sicher: «Ohne Auto und ohne Velo geht es gut, aber der ÖV muss sein.» Seit mittlerweile 71 Jahren sind die beiden ein glückliches Paar und beschreiben die letzten 30 Jahre seit der Pensionierung als ihre «goldene Zeit». «Ich bin sehr glücklich, dass ich meinen Mann noch habe und hoffe auch, dass er mir noch eine Weile bleibt», schwärmt Vreni Muster und ergänzt, mit einem Blick über den Wohnzimmertisch zu ihrem Mann Fritz: «Du warst immer ein so lieber Mann zu mir. Ich würde dich wieder heiraten.»

David Kocher


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