Über den Rawilpass – Unterwegs mit Ger Peregrin

  26.01.2022 Aktuell, Foto, Kultur, Region

Politisch, weil das umstrittene Vorhaben mit einem Baustopp belegt wurde. Technisch, weil die Auswirkungen des Sondierstollens auf die Staumauer des Lac de Tseuzier ein Weiterbohren kaum rechtfertigen ...

Es gab Gruppen hüben und drüben, die den Bau vorantrieben und hintertrieben. Die Vereinigung Pro Rawil wollte das Loch. Die Vereinigung Pro Simmental wollte das Loch und vor allem die Betonpiste nicht. Was will der Wanderer, Berggänger, Naturfreund?
Ich will vom Wandern schreiben, von naturnahen Stunden, die uns von Sion über den alten Saumpfad hinaufführen zum Rawilpass und hinunter ins Pöschenried, an die Lenk. Eine Autostrasse führt von Sion zum Lac de Tseuzier auf 1800 Meter, ein Geschenk der Energiewirtschaft an die vorher kaum erschlossene Talschaft. Eine Autostrasse führt von der Lenk zur Iffigenalp. Wenn wir also wollen, können wir die Wanderung über den Rawilpass am Lac de Tseuzier beginnen und auf der Iffigenalp beenden. Der Rawilpass ist ein herrliches Erlebnis von etwa viereinhalb Wanderstunden. Wenn wir in Sion beginnen, nehmen wir die Wanderroute durch die sonnigen Rebberge hinauf nach Champlan und Grimisuat. Hier verlassen wir die Reben, ziehen durch die Dörfer Blignou, Saxonne, St. Romain. Jetzt sind wir schon tief im Tal der Lienne, auf rund 1000 Metern Höhe. Von St. Romain bis La Giète Délé sind wir leider auf die Autostrasse angewiesen, die allerdings verkehrsarm ist und uns kaum lästig wird. Nach La Giète Délé geht es in engen Serpentinen den waldigen Steilhang empor, dann entlang der Bisse de Sion hinauf zum Lac de Tseuzier auf rund 1800 Meter. Wenn die Sonne in die Südhänge des rechten Rhoneufers brennt, ist der Aufstieg eine schweisstreibende Sache. Aber es gibt Dörfer an unserem Weg, und da, wo die Pintes und Bistros rar werden, beginnt der schattige Wald. Sion – Lac de Tseuzier, das ist eine Steigung von etwa 1300 Metern und eine Wanderung von etwa sechs Stunden. Wenn wir unsere Rawiltour zur Zweitagewanderung ausbauen, können wir am Lac de Tseuzier übernachten.
Anderntags geht es dann weiter dem südwestlichen Ufer des Sees entlang nach Lourantse, steil bergan zum Plan des Roses. Als breite Furche zieht sich der Alpage du Rawil zwischen dem Wettsteinhorn und dem Rohrbachhorn auf der rechten, dem Mittagshorn und dem Schnidehorn auf der linken Seite. Im Westen grüssen Wildhorn und Six des Eaux Froides, während am Horizont im Süden die majestätische Kette der Walliser Viertausender funkelt.
Kaum steigend führt unser Weg zum Rawilpass. Unter uns öffnet sich das Iffigenhochtal; in kräftigen Mäandern fliesst der Iffigbach talwärts, stürzt sich im tosenden Fall ins Pöschenried und zieht beruhigt der Lenk entgegen. Im Norden weitet sich das Simmental. Wenn ich mir vorstelle, dass hier nach dem Willen der Rawilprojektoren eine ganze Talschaft in eine Betonschlange hätte gelegt werden sollen, dass hier dann schon bald ein megalomanischer Nord-Süd-Verkehr durch die Stille rumoren würde, dann wird mir weh ums Herz.
Der Abstieg vom Rawilpass zur Iffigenalp ist kurz und steil. Unser Weg windet sich im Zickzack zur Blattihütte, fällt scharf den Flühen entlang hinunter zur Alp. Eine Sache von knapp zwei Stunden. In weiteren zwei Stunden führt der Wanderweg über die zum Glück nicht stark befahrene Strasse durchs Pöschenried an die Lenk.

Ger Peregrin


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