Gastgewerbliche Aussenbewirtungsflächen werden nicht vergrössert

  24.05.2022 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Politik

Stadtratspräsidentin Esther Liechti-­Lanz begrüsste 39 Stadträte/-innen zur Maisitzung. Zuerst berichtete sie über die verschiedenen Anlässe, die sie im vergangenen Monat als Vertreterin der Stadt Burgdorf besuchen durfte. Diese hätten ihr gezeigt, dass in beruflichen und freiwilligen Bereichen grosse Hilfsbereitschaft der Burgdorfer/innen zu beobachten sei. Das erfülle sie mit Dankbarkeit.
Ein Höhepunkt war die Preisverleihung für die velofreundlichste Kleinstadt der Schweiz. Burgdorf stand zum vierten Mal in Folge auf dem ersten Platz. Bewertet werden die Städte anhand von Umfragen in der Bevölkerung, die zu einer Benotung führen. Bestnote bekam demnach Burgdorf mit 4,7 (Noten zwischen 1 und 6). Bewohnende der Stadt hätten erkannt, dass Velofahren eine effiziente und platzsparende und ausserdem die günstigste Mobilität sei, ergänzte Gemeinderat (GR) Theophil Bucher. Durch Temporeduktionen seien nun in allen Quartieren Fussgängerzonen entstanden. Weiter wurden Einbahnstrassen für Velofahrende aufgehoben und Veloparkplätze errichtet oder erweitert. Der Hauslieferdienst per Fahrrad sensibilisiere die Bevölkerung zusätzlich. In unserer Stadt herrsche eine andere, rücksichtsvollere Mobilitätskultur als in anderen Städten, ergänzte Bucher.
 
Der neue Leiter der Sozialdirektion heisst Andreas von Wartburg
GR Charlotte Gübeli begrüsste den neuen Leiter der Sozialdirektion. Andreas von Wartburg absolvierte das Studium in sozialer Arbeit an der Berner Fachhochschule. Er leitete verschiedene Sozialdienste und arbeitete zehn Jahre bei der Kesb (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde). Zusammenarbeit habe bei ihm einen hohen Stellenwert. Das motivierte Burgdorfer Team stimme ihn diesbezüglich zuversichtlich, erklärte er.

Das Mindestalter für Jugend-/Ausländeranträge wird gesenkt
Die SP beauftragte den GR, Artikel 26 in der Gemeindeordnung zu ändern. Sie möchten damit den Jugendlichen ermöglichen, bereits im Alter von 12 Jahren – statt wie bis anhin mit 14 Jahren – einen Jugendantrag stellen zu können. Das Gleiche gilt für ausländische Personen mit Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung (Ausländerausweis C und B). Für einen solchen Antrag braucht es mindestens 30 Personen.
Die SP möchte den Jugendlichen damit die Möglichkeit bieten, sich aktiv an der Gesellschaft zu beteiligen und politisch mitzubestimmen. Die Stadt Burgdorf signalisiert damit, dass die Meinung der jungen Bewohner/innen wichtig ist und stärkt somit ihr Vertrauen in demokratische Prozesse.
Stadtpräsident Stefan Berger unterstützt im Namen des Gemeinderates das Anliegen der SP Fraktion. Er freut sich, dass die Jugendlichen bereits zwei Anträge gestellt haben. Die Senkung des Mindestalters für Jugend-/Ausländeranträge bedarf jedoch einer Anpassung der Gemeindeordnung und somit einer Volksabstimmung. Diese soll zusammen mit bereits vorgesehenen Anpassungen in den nächsten zwei Jahren zur Abstimmung kommen. Der Stadtrat (SR) stimmte dem Antrag mit einer Zweidrittelmehrheit zu. Lediglich die FDP-Fraktion – Sprecher war Jürg Kämpf – stand dieser Änderung kritisch gegenüber und bezeichnete die Argumentation als dürftig. Sie sieht in diesem Auftrag eher eine politische Werbung der SP bei den 7.-Klässlern.

Keine Verlängerung der Bewilligung für vergrösserte Aussenbewirtungsfläche
Der GR solle prüfen, ob die Bewilligung für vergrösserte Aussenbewirtungsflächen für mindestens neun Monate verlängert werden könne, verlangte die SP-Fraktion in einem dringlichen Postulat. Seit 2020 galt diese Regelung aufgrund der Corona-Abstandsregeln. Mit der Verlängerung dieser Praxis könnten die durch die Pandemie entstandenen Ertragsausfälle wettgemacht werden.
GR Peter von Arb erklärte, dass durch die Aufhebung aller Covid-Massnahmen auch die gastgewerblichen Aussenflächen wieder eingeschränkt und auf das ursprüngliche Mass zurückgesetzt würden. Öffentlicher Grund stehe allen Personen vorbehaltlos zur Verfügung. Möchte eine Organisation oder ein Betrieb diesen für sich beanspruchen, bedarf dies einer Interessenabwägung. Dafür brauche es eine Baubewilligung und eine Bewilligung für einen gesteigerten Gemeingebrauch. Eine öffentliche Möblierung ohne Konsumzwang erfordere hingegen in den meisten Fällen keine Bewilligung.
Der GR habe kaum Handlungsspielraum. Für öffentliche Flächen halte er sich an die baurechtliche Grundordnung der Stadt, für formell-rechtliche Zuständigkeiten an den Kanton. Gastgewerbliche Bewilligungen unterliegen den Regierungsstatthalterämtern des Kantons Bern. Konkret bedeute das, dass die Betriebe in der Schmiedengasse von Mai bis September ihre Aussenbewirtung erweitern dürfen, wie es bereits vor der Pandemie erlaubt war. Zudem hat das Regierungsstatthalteramt Emmental ein Baugesuch für eine unbefristete Bewilligung für die Bewirtung auf der Gebrüder-Schnell-Terrasse gutgeheissen. Bereits in diesem Sommer soll die Hofstatt begrünt und mit zwanzig Stühlen und vier Tischen möbliert werden. Diese stehen der Öffentlichkeit unbewirtet zur Verfügung.
Bei all diesen Projekten dürfe die Auswirkung auf Anwohnende bezüglich Lärm, Littering und engen Zugängen nicht vergessen werden. Eine möglichst verträgliche und angenehme Lösung verlange breites Abwägen für Politik und Behörden. Die Fraktionen unterstützten mit ihren Voten die grosszügigere Nutzung der öffentlichen Plätze. Julia Blaser (EVP) weiss, dass diese von Privatpersonen mit eigenen Kübelpflanzen und Spielsachen für Kinder unterstützt würden. Lediglich Jonas von Allmen (SVP-EDU-Fraktion) sprach sich dagegen aus. Endlich seien die Corona-Massnahmen aufgehoben. Die Rechtsunsicherheit unter Corona könne nun durch die Prinzipien der Rechtsordnung wiederhergestellt werden. Wer grössere Aussenflächen bewirtschaften wolle, könne wie früher ein Baugesuch einreichen. Der Antrag wurde mit 32 Stimmen angenommen und abgeschrieben.

Strategie für den raschen Ausstieg aus dem Erdgas als städtischer Energieträger
Die SP und die Grünen fordern den GR auf, im Rahmen seiner Klimastrategie aufzuzeigen, wie und in welchen Schritten der Ausstieg aus dem Erdgas/Biogas für die Erzeugung von Wärmeenergie bis 2030 erfolgen kann. Für dieses Anliegen spreche nicht nur die Verabschiedung des Klimanotstandes, sondern neben den ökologischen auch geopolitische Aspekte. Der GR solle in der Eigentümerstrategie der Localnet AG den schnellstmöglichen Ausstieg aus dem Erdgasgeschäft festschreiben.
Stadtpräsident Stefan Berger wies auf die im vergangenen Jahr verabschiedete neue Legislaturplanung hin, die unter anderem den städtischen Energierichtplan im Sinne der KlimaVision 30 überprüfe und aktualisiere. Wie ein Ausstieg aus Erdgas/Biogas für die Wärmeerzeugung bis 2030 konkret erfolgen könne, liege im Aufgabenbereich der Localnet AG. Ein Teil des Erdgases will sie durch Biogas ersetzen. Sie erarbeite ein längerfris­tiges Szenario für die Entwicklung der Fernwärme und die Reduktion der Gasversorgung. Der GR erklärte, er nehme die von der Postulantin gemachten Überlegungen in die laufende Diskussion und den Prozess zur neuen Eigentümerstrategie mit.
SP und Grüne unterstützten das Postulat. Adrian Merz (Grüne) betonte, dass die Stadt ganz vom Gas als fossiler Energiestoff wegkommen müsse, und Philipp Schärf (GLP) stösst sich daran, dass Erdgas in gewissen Kreisen fälschlicherweise als «grüne Energie» verkauft wird. Wärmepumpen und Wärmeverbünde sollen die fossilen Brennstoffe ersetzen. Zudem verstehe er nicht, dass die Stadt den Wechsel von Öl- auf Gasheizungen immer noch subventioniere. Roger Aebi (Die Mitte) verlangt einen kundenverträglichen Ausstieg aus dem Erdgas und setzt auf Freiwilligkeit der Hauseigentümer. Thomas Gerber (SVP) und Elias Maier (FDP) betonen, dass der SR kein Recht habe, sich ins operative Geschäfte der Localnet AG einzumischen. Das Postulat wurde mit 24 Ja-Stimmen deutlich angenommen.

Humanitäre Hilfe im Ukrainekonflikt und Willkommensklassen
Die Stadt Burgdorf nahm und nimmt nach wie vor viele Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Sie leben in Gastfamilien, in Wohnungen am Uferweg oder in der Notunterkunft Lindenfeld.
Die SVP-EDU-Fraktion gelangte mit verschiedenen Fragen zur humanitären Hilfe und rechtlichen Rahmenbedingungen an den GR. Sie erkundigte sich, ob allenfalls diverse Entschlüsse in die Kompetenz des SR fallen, was der GR verneinte.
Der Gemeinderat erklärte in seiner Antwort, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Flüchtlinge in verschiedenen eidgenössischen und kantonalen Erlassen geregelt seien. Im Rahmen dieser Vorgaben sei es den Gemeinden jedoch möglich, humanitäre Hilfe für Betroffene zu leisten. Zu diesem Zweck setzte die Stadt die «Task­force Ukraine» ein, die sich seit Mitte März wöchentlich trifft. Ihre Hauptthemen liegen bei der Unterbringung und Unterstützung von Schutzsuchenden und im Bereich Schule.
Seit dem 25. April 2022 führt die Stadt Burgdorf zehn Willkommensklassen ausschliesslich für ukrainische Kinder. 15 ukrainische Lehr- und Hilfskräfte unterrichten. 16 weitere Personen unterstützen diese im Deutschunterricht und eine ukrainische Psychologin hilft in schwierigen Situationen. Die Organisation und Führung dieser Schulklassen an vier verschiedenen Standorten fordert hohe Flexibilität. Mit Heinz Begré als Schulleiter hätte die Stadt einen flexiblen Schulleiter gefunden, rühmte GR Christoph Grimm.

«Burgdorfer Entsorgungsstrategie» in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft
Wertvolle Burgdorfer Landreserven würden vom Stadtbauamt für die Entsorgungsdienste der Stadt benutzt, stellte die GLP-Fraktion fest. Ob allenfalls eine Zusammenarbeit mit dem Ökihof, einem privaten Anbieter, möglich sei? Oder wäre sogar eine komplette Privatisierung zu prüfen?
Der Gemeinderat bedankte sich bei den Interpellanten und sagte, dass ihre Fragen sich mit den Überlegungen in der Baudirektion decken. Der regelmässige Austausch mit dem Ökihof habe dazu geführt, dass die Stadt den Sammelsack für die Kunststoffsammlung eingeführt habe. Auch andere Synergien würden genutzt. Eine Auslagerung der Entsorgungsdienste bedürfe jedoch einer öffentlichen Ausschreibung und könnte darum nicht einfach an den Ökihof übertragen werden.
 
Wichtig für den Stadtrat
Die GPK übergab dem Stadtratsbüro den Auftrag für eine Teilrevision des Reglements über die Organisation und das Verfahren des SR. Das Stadtratsbüro sieht aus gemeinde- und organisationsrechtlicher Sicht keinen Anlass für Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Änderungen. Diese seien rechtlich zulässig. Der SR unterstützte die Teilrevision einstimmig.
GR Beatrice Kuster informierte den SR über eine Budgetprozessklausur, welche aufgrund des unbefriedigenden Budgetprozesses 2022 organisiert wurde. Der GR verlangte ein positives Ergebnis vor Auflösung der Finanzreserven. Daraus ergebe sich zwangsläufig ein Leistungs- und Wirkungsabbau, folgerte Kuster. Die verschiedenen Direktionen hätten Bereitschaft gezeigt, Vorschläge unterbreitet und versprochen, ihre Massnahmen umzusetzen. Das Ziel sei erreicht, meinte Kuster, ohne jedoch konkrete Angaben zu machen. Die Massnahmen werden an der Budgetsitzung im Oktober besprochen und in der SR-Sitzung vom 7. November 2022 vorgestellt. Zum Schluss liess Kuster ein kleines «Aber» einfliessen: «Die Kosten, welche durch den erklärten Klimanotstand und durch die Verwaltungsraumplanung B move entstehen, sind dabei nicht eingeschlossen.»
Seit der Jugendtreff im Bahnhof Steinhof rückgebaut wurde, steht den Jugendlichen kein Raum mehr zur Verfügung. Für den Umbau am Wald­eggweg bekam die Stadt keine ausreichende Bewilligung. Die Situation sei unbefriedigend, doch die Suche nach einem Jugendtreff laufe weiter, erklärte Grimm.
Verschiedene Vorstösse und Aufträge wurden eingereicht. Die nächste Sitzung – wie immer öffentlich – findet am 20. Juni 2022 statt.

Helen Käser


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