Gastrecht im Wohn- und Pflegeheim St. Niklaus nach Altersheimbrand

  31.05.2022 Aktuell, Gesellschaft, Koppigen

Es ist schwer vorstellbar für jemanden, der dies nicht selbst erlebt hat, wenn Bilder von Familie und Freunden, Briefe, Andenken, Lieblingskleidungsstücke, einfach all das, was Menschen bei sich haben möchten, verbrannt ist. So geschehen den Bewohnenden im Alters- und Pflegeheim Thüringenhaus in der Altstadt von Solothurn am 7. März 2022. Am frühen Abend brach das Feuer aus. Viele der Bewohner/innen waren schon zur Ruhe gegangen und im Nachtgewand. Teils ohne Schuhe standen sie buchstäblich auf der Strasse. Von den Wohn- und Büroräumen, der Haustechnik bis hin zu Telefon- und Computeranlagen war alles lahmgelegt. Glücklicherweise kamen keine Personen zu Schaden und die nun Obdachlosen konnten in den umliegenden Altersinstitutionen untergebracht werden.

Ein neues Zuhause
Im Wohn- und Pflegeheim St. Niklaus in Koppigen hatten verschiedene Umstände dazu geführt, dass freie Betten vorhanden waren. Aus einer Radiomeldung vernahm Res Gygax, der Leiter des Wohn- und Pflegeheims St. Niklaus, am folgenden Morgen von diesem Brand. Warum nicht Hilfe anbieten, wenn die Möglichkeit besteht? Dass dies ein sehr guter Gedanke war, ist nicht von der Hand zu weisen. In direktem Kontakt mit der Behörde von Solothurn und mit dem Einverständnis des Vereinsvorstandes vom St. Niklaus entstand das Konzept, einer Wohngruppe vom Thüringenhaus Asyl zu bieten, dessen Umsetzung nur mit dem spontanen Einsatz aller Beteiligten möglich war. Res Gygax ist es ein Anliegen, an dieser Stelle seinen Mitarbeitenden zu danken und ihren grossartigen Einsatz bei dieser Blitzaktion zu würdigen. Ansonsten wäre dies innerhalb weniger Stunden niemals möglich gewesen.
Was tun, wenn das digitale Netzwerk nicht mehr funktioniert und nichts mehr abgerufen werden kann? Dann heisst es, Bleistifte spitzen und alte, noch vorhandene Karteien aus dem Keller holen. Das Pflegeteam vom Thüringenhaus trug die wichtigen Daten und Merkmale ihrer Bewohnenden ein. Bereits knapp zwei Tage nach dem Brand durften die Gäste einziehen. Elf Personen mitsamt ihrem vertrauten Pflegeteam fanden in der Wohngruppe 0 in Koppigen vorübergehend ein neues Zuhause.
Heidi Ruefer ist eine der Bewohnerinnen vom Thüringenhaus. Seit gut zwei Monaten lebt sie nun im Wohn- und Pflegeheim in St. Niklaus. «Wir wurden mit offenen Armen in St. Niklaus empfangen und auf unsere Zimmer gebracht. Blitzblank waren Zimmer und Bad, das Bett bezogen und sogar ein Blumenstrauss als Willkommensgruss stand auf dem Tisch. Wir erhielten Kleider aus dem Fundus des Hauses, die wir behalten dürfen, und das Essen ist sehr gut.» Sie gibt zu, dass sie zwar die Stadt Solothurn vermisst, jedoch auch die ländliche Umgebung in Koppigen geniessen kann. Was sie noch besitzt von ihrem Eigentum sind einzelne Bilder ihrer Familie, die allerdings deutliche Brandspuren aufweisen.
Yvonne Wyder, Pflegefachfrau HF, ist die Abteilungsleiterin der Wohngruppe. Sie bezeichnet die Situation als sehr tragisch und schwierig für die Bewohnenden. Etliche unter ihnen hätten alles verloren, für andere gab es gewisse Gegenstände, die aus der Brandruine, zwar beschädigt, herausgeholt und zurückgegeben werden konnten. Doch der Glücksfall, als Wohngruppe in St. Niklaus aufgenommen zu werden, sei im ersten Moment kaum fassbar gewesen. Ein Stück weit hätten sie sich nun erholt, denn die herzliche Aufnahme im Wohn- und Pflegeheim St. Niklaus hätte einen grossen Teil dazu beigetragen. Die Arbeit für sie und ihr Team während dieser Zeit bezeichnet sie als sehr anspruchsvoll. «Seit bald drei Monaten sind wir nun hier, haben uns eingelebt, fühlen uns gut und sind in der grossen Wohngemeinschaft vom Wohn- und Pflegeheim St. Niklaus angenommen und integriert.» Ein grösseres Kompliment kann das Haus kaum erhalten. Der Zeitrahmen des Aufenthalts ist noch offen. Entschieden wird dies je nach Situation von der Bürgergemeinde Solothurn. Es gibt sogar Anzeichen dafür, dass der eine oder andere Gast definitiv im St. Niklaus bleiben möchte.


 Rosmarie Stalder

 


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