Die Wahl des Stadtratsbüros 2023 und bezahlbares Wohnen standen auf der Traktandenliste des Stadtrats

  20.12.2022 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Politik

Braucht die Stadt Burgdorf ein Gesetz für bezahlbares Wohnen?
2016 reichte die SP Burgdorf die «Initiative für bezahlbares Wohnen in Burgdorf» ein. Diese verlangte eine Ergänzung des Baureglements. Sie sollte festlegen, dass ein Drittel des für den Wohnungsbau bestimmten Bauvolumens für preisgünstigen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden muss. Der Gemeinderat (GR) hat sich mit der Initiative auseinandergesetzt und gemeinsam mit den Initianten einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, mit dem beide Seiten einverstanden sind.
Der Gegenvorschlag präzisiert, dass bei Ein- oder Umzonungen mit einem zusätzlichen Nutzungsmass von mindestens 3000 Quadratmetern Geschossfläche ein Drittel der zusätzlichen Wohnnutzung als preisgünstiger Wohnraum erstellt und dauerhaft in Kostenmiete vermietet werden muss. Möglich wäre auch die Abgabe im Baurecht an eine gemeinnützige Organisation, welche dieselben Ziele verfolgt.
Auch für die FDP sei günstiger und vor allem qualitativ hochstehender Wohnungsbau wichtig, erläuterte Elias Maier. Initiative und Gegenvorschlag seien das falsche Instrument, um die Wohnungsmieten zu regulieren. Investoren würden abgeschreckt und darum weniger Wohnraum schaffen. Eine sinnvolle Arealentwicklung wäre mit der neuen Bauordnung kaum noch möglich. Unternehmen müssten sich anpassen, doch der Gegenvorschlag löse eine Verteuerung der Wohnungspreise in Burgdorf aus. Durch eine Quersubventionierung würde es einmal mehr den Mittelstand treffen, die guten Steuerzahlenden. Wohnbaugenossenschaften seien ein sinnvolles Instrument. Schlecht verdienende Personen können sich jedoch keine Mitgliedschaft leisten und oftmals seien in dieser Beziehung auch Ausländer/innen benachteiligt. Diese und weitere Argumente lassen die FDP-Fraktion Initiative und Gegenvorschlag klar ablehnen. Sie schliessen es nicht aus, eventuell ein Referendum zu ergreifen.
Für die SVP-Fraktion erklärte Barbara Lüthi-Kohler, dass es Investoren gebe, die ohne zusätzlichen Artikel im Baureglement günstigen Wohnraum erstellen (Uferweg). Ihre Fraktion vertritt die Meinung, dass beide Vorschläge ein Eingriff ins Eigentums- und Wirtschaftsrecht bedeuten, was die SVP klar ablehne. Darum sollte der Souverän das letzte Wort haben.
Gabriela Bannwart (SP) sprach über eine bittere Realität: Schon heute sei für die meisten Leute die Wohnungsmiete der höchste Ausgabenposten. Eine Studie habe aufgedeckt, dass 2021 in einer durchschnittlichen Mietwohnung monatlich 370 Franken zu viel Miete bezahlt wurde, pro Jahr also 4440 Franken, welche zu Unrecht an die Vermieter/innen flossen. Der Gegenvorschlag sei kein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, denn zweit Drittel der Wohnfläche würden weiterhin zu höheren Preisen vermietet. Der Kostendruck habe zudem keine Auswirkungen auf die gestalterische und bauliche Qualität.
Die Initiative der SP wurde aktuell noch nicht zurückgezogen. In einem ersten Schritt stimmte der Stadtrat über den Gegenvorschlag ab. Dieser wurde mit 22 Ja-, 14 Neinstimmen und zwei Enthaltungen angenommen.

Ein Regenbecken im Gyrischachen
Über die heute bestehende Mischwasserentlastung im Gyrischachen werden bei Niederschlägen grosse Mengen an stark verschmutztem Regen- und Schmutzwasser ungereinigt in die Emme geleitet. Dieses Problem kann mit dem Bau eines Regenbeckens behoben werden. Durch diese Massnahme werden die Auflagen und Bedingungen des Gewässerschutzes erfüllt.
Christian Hedinger (Grüne) bedauert, dass die rege Bautätigkeit zu immer mehr versiegelter Fläche führe. Die erste Priorität sei darum, das Regenwasser versickern zu lassen und nicht in die ARA (Abwasserreinigungsanlage) zu leiten. Das Ausführungsprojekt für das Regenbecken Gyrischachen mit Kosten von 3 895 000 Franken wurde einstimmig genehmigt.

Sanierung Abwasserleitung Polieregasse / Gysnauweg
Die Überbauung Bucherareal löst im angrenzenden Quartier verschiedene Werkleitungssanierungen und Erneuerungen aus. Dazu kommen Platzbedürfnisse für den neuen Wärmeverbund der Localnet AG und der allgemeine Sanierungs- und Erneuerungsbedarf der übrigen Werkleitungen. Aus Sicht Abwasserentsorgung zeigt der Generelle Entwässerungsplan (GEP) auf, dass die Leitung in der Polieregasse und dem Gysnauweg den heutigen Anforderungen an eine sichere Ableitung des Schmutzwassers nicht mehr genügt. Diese umfangreichen Werkleitungsarbeiten erfordern zudem eine komplette Erneuerung der Strassenoberfläche. Die einzelnen Werke beteiligen sich finanziell an den Grabarbeiten. Durch diese wird das Grundwasser vor möglichen Verunreinigungen geschützt und die Rückstausicherheit erhöht. Für Belags- und Kofferarbeiten werden nach Möglichkeit Recyclingbaustoffe verwendet. Das Projekt «Polieregasse / Gysnauweg, Sanierung Abwasserleitung» mit einem Ausführungskredit von 600 000 Franken wurde einstimmig genehmigt.

Der Gemeinderat informiert den Stadtrat (SR) über Petitionen
Die FDP-Fraktion hat den GR beauftragt, das Stadtratsreglement so zu ergänzen, dass der GR über eingereichte Petitionen rapportieren muss. Damit will sie sicherstellen, dass Anliegen aus der Bevölkerung dem SR zur Kenntnis gebracht werden.
Der GR zeigte grundsätzlich Verständnis für dieses Anliegen, doch das Stadtratsreglement sei formaljuristisch nicht der richtige Ort, um dies zu regeln. Die Stadtverwaltung erstelle zurzeit ein Kommunikationskonzept. Der Austausch der politischen Behörden sei da auch ein Themenbereich. Der GR riet zur Ablehnung des Originalwortlauts und zur Annahme des geänderten Wortlauts: «Der GR wird beauftragt, sicherzustellen, dass dem SR in geeigneter Form über eingereichte Petitionen an den GR rapportiert wird.» Alle stimmten diesem Wortlaut zu.

Auftrag der Grünen Burgdorf betreffend Energiesparmassnahmen
Die Fraktion der Grünen Burgdorf gab dem GR den Auftrag, wirksame und effiziente Massnahmen für die Einsparung von Energie zeitnah umzusetzen und die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Gemeinderätin Beatrice Kuster Müller erläuterte die Massnahmen, welche die Stadt ergriffen hat. Dazu gehören Energiesparmassnahmen innerhalb der Stadtverwaltung, die mit gutem Beispiel vorangehe. Die Mieterschaft städtischer Liegenschaften wurde sensibilisiert und die Heizungseinstellungen und nötige
Anpassungen durch die Hauswarte wurden durchgeführt. Gleichzeitig habe die Stadt weitere Vorkehrungsmassnahmen für den Fall einer Strommangellage getroffen.
Für die Grünen würdigte Franca Maurer die Bemühungen der Stadt zum Energiesparen. Zur Sensibilisierung der Bevölkerung könnte durch gezielte Information mehr getan werden, beispielsweise unter dem Motto «Tue Gutes und sprich darüber!». Der Auftrag wurde einstimmig überwiesen und mit 30 Jastimmen aufrechterhalten.

Informationen der Geschäftsprüfungskommission und Personelles
Thomas Gerber, Präsident der Geschäftsprüfungskommission (GPK), informierte den Stadtrat über die Verwaltungskontrolle, welche sie jährlich durchführt, dieses Jahr bei der Bildungsdirektion. Dazu gehören die Befragung von Mitarbeitenden jeder Stufe sowie eigene Beobachtungen. Bei einer gemeinsamen Sitzung werden die Ergebnisse besprochen und möglicher Handlungsbedarf diskutiert. Auch der Datenschutz wird einer Prüfung unterzogen. Durch die Bearbeitung einiger Gesetze ist eine stete Anpassung
erforderlich, was in der Verantwortung der zuständigen Stellen liegt.
Julia Blaser (EVP) demissionierte nach nur einem Jahr im SR aus familiären Gründen. David Hirschi wird ihre Nachfolge antreten.

Der neue Stadtratspräsident heisst Yves Greisler
Der einstimmig gewählte Stadtratspräsident gehört der Mitte-Fraktion an. Er ist in Burgdorf aufgewachsen, seit 2015 im Stadtrat und dort Mitglied der GPK.
Zur ersten Vizepräsidentin wurde Anette Vogt (SP) gewählt. Die Lehrerin setzt sich als Migrationsfachfrau seit Jahren für die Anliegen der Flüchtlinge in Burgdorf ein. Der in Baselland geborene Philipp Schärf (GLP) lebt seit fast 20 Jahren in Burgdorf und war massgeblich am Aufbau der GLP Burgdorf beteiligt. Der Automatiker wurde zum zweiten Vizepräsidenten gewählt.
Die Stimmenzählerin Franca Maurer hat aus dem Büro Stadtrat demissioniert. An ihrer Stelle wird Mirjam Bucher (Grüne) mit dem im Amt verbleibenden Urs Wüthrich (EDU) im kommenden Jahr die Stimmen im SR zählen.

Kultureller Höhepunkt und politischer Abschied
Cantabellini, eine Kleinformation von Cantabella Burgdorf, sorgte für einen kulturellen Leckerbissen. Vier Frauen und zwei Männer verzauberten die Anwesenden mit mehrstimmigen Gesangseinlagen.
Der frischgewählte SR-Präsident ehrte die abtretende Präsidentin Esther Liechti-Lanz mit einer berührenden Rede und einem originellen Abschiedsgeschenk. Ein langer, kräftiger Applaus und Standing Ovations würdigten ihre Leistungen. In einer Abschiedsrede brachte Liechti zum Ausdruck, dass es ihr eine Ehre war, die Stadt zu präsidieren und zu vertreten. Sie empfindet grossen Respekt und Wertschätzung für die Arbeit, die auf allen Ebenen in dieser Stadt geleistet wird. Sie sprach über politische Veränderungen durch den Krieg, der Auswirkungen bis nach Burgdorf hat. Es sei eine Herausforderung, wenn man nicht die gleiche Ursprungssprache spreche. Aber auch im SR, wo die politischen Ansichten unterschiedlich sind, seien das Verstehen und das Zuhören wichtig. Zum Abschluss zündete sie im dunklen Saal eine Kerze an und wünschte allen Anwesenden und ihren Angehörigen wunderbare Weihnachtstage und ein gesegnetes 2023.

 

Informationen aus dem Gemeinderat
Gemeinderat (GR) Christoph Grimm informierte über die aktuelle Situation in den Schulen. Zurzeit werden in elf Willkommensklassen 115 ukrainische Schüler/innen an vier Standorten unterrichtet. Ab Sommer 2023 sollen diese sukzessive in Regelklassen integriert werden. Das ist jedoch nicht für alle Kinder gleichzeitig möglich. In Zusammenarbeit mit den verschiedenen Schulleitungen wird das Vorgehen entschieden und umgesetzt. Dies führt zu einer Reduktion der Willkommensklassen. Genauere Informationen folgen zu einem späteren Zeitpunkt.
GR Theophil Bucher erläuterte die neue Eigentümerstrategie über die Localnet AG. Da die Stadt Burgdorf Alleinaktionärin, also Alleinbesitzerin der Localnet AG ist, legt sie fest, welche Absichten sie verfolgen will. Die am 5. Dezember 2022 vom Gemeinderat verabschiedete und neu formulierte Strategie ersetzt die bisherige aus dem Jahr 2012. Als Grundlagen gelten die Gemeindeordnung, das Versorgungsreglement, der kommunale Richtplan Energie und die energie- und klimapolitisch relevanten Vorgaben der Stadt Burgdorf. Damit bezweckt die Eigentümerin eine nachhaltige Energieversorgung, langfristige Versorgungssicherheit, effiziente Energienutzung, hohe
Standortattraktivität und wenn möglich finanzielle Erträge für die Stadt. Sie hat also unternehmerische, wirtschaftliche, finanzielle, soziale und ökologische Ziele, die sie erreichen will.
Die Eigentümerstrategie dient der Localnet AG als Grundlage und Leitplanke für die
Festlegung der Unternehmensstrategie und für die Entwicklung des operativen Geschäfts.

Helen Käser

 


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