Ein Herz für Esel
04.06.2025 Aktuell, Region, GesellschaftSchon seit über 30 Jahren sind das Wohl von Eseln und die korrekte Haltung der Tiere ein zentrales Anliegen des Ehepaares Müller. Edith Müller erinnert sich: «In den 1990er-Jahren hat mein Mann Wolfgang sich den ersten eigenen Esel angeschafft. Mich selbst begleiteten Esel bereits während meiner ganzen Kindheit und so entdeckte ich die Leidenschaft für die Tiere wieder.» «Schon als Kind hatte ich mir immer einen Esel als Haustier gewünscht», ergänzt Wolfgang Müller und unterstreicht damit die Faszination des Ehepaares für die sanftmütigen Tiere. Mit der Zeit eigneten sich Edith und Wolfgang Müller grosses Wissen an. Nach jahrelanger privater Tätigkeit zum Wohl von Eseln gründete das Ehepaar im Jahr 2020 schliesslich die Eselmüller-Stiftung. Diese setzt sich für die Würde und das Wohlergehen der Tiere ein. «Der Wert und die richtige Haltung von Eseln werden oft verkannt», weiss Expertin Edith Müller. Die Stiftung ermögliche es, die Kräfte zu bündeln, Netzwerke auszubauen und die Mission, das Wohlergehen der Tiere zu sichern und zu fördern, nachhaltig umzusetzen. «Durch die Stiftungsgründung haben wir ein gewisses Gewicht erhalten», so Wolfgang Müller.
Das Bild des sturen Esels
Der Ausruf «Du sturer Esel!» hat sich längst im umgangssprachlichen Wortschatz integriert. Er kommt daher, dass Esel – ganz anders als beispielsweise Pferde – bei Gefahr oftmals Ruhe bewahren und an Ort und Stelle bleiben. «Dieser Ausruf bedient ein typisches Klischee. Das besagte Verhalten stellt für einen Esel eine wichtige Überlebensstrategie dar. Bei ihm unbekannten oder gefährlich anmutenden Situationen bleibt der Esel stehen und wägt die Risiken ab, ehe er über sein weiteres Vorgehen entscheidet. Esel sind keine Fluchttiere», erklärt die Expertin das von der Gesellschaft oftmals falsch interpretierte Verhalten der Tiere.
Auch aufgrund des Klischees vom dummen, störrischen Esel wird der Wert dieses Vierbeiners leider oft verkannt. Zudem werden Tiere, die oftmals in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, unter ihrem Preis gehandelt. «Esel werden häufig als Herdenschutz oder als Rasenmäher für steile Hänge missbraucht. Sie sind weitaus günstiger als ein Hund oder ein Pferd, weshalb ihnen oftmals nicht die korrekte Haltung zugutekommt», so Edith Müller weiter. Weiter sei der Irrglaube, Esel würden dieselbe Behandlung wie Pferde benötigen, weit verbreitet. Zwar können Esel viele Tätigkeiten des Pferdes ausführen, benötigen dafür aber auch mehr Ausbildungszeit und Geduld. Aufgrund ihres Ursprungs sind sie es sich jedoch nicht gewohnt, stundenlang auf einer Weide zu sein und zu grasen. Auch Regen mögen die Tiere in der Regel nicht, so die Eselexpertin weiter. Zahlreiche falsche Klischees, die zum falschen Umgang mit Eseln führen, sei schon seit langer Zeit in den Köpfen vieler Menschen. Dieses falsche Bild will die Eselmüller-Stiftung richtig stellen und die Gesellschaft für das Wohl der Tiere sensibilisieren. «Die nicht artgerechte Haltung hat letztlich auch negative Folgen für die Landwirtinnen und Landwirte, da sie vermehrt für tierärztliche Betreuungen aufkommen müssen», meint Wolfgang Müller. Die unangemessene Haltung sorgt dafür, dass ein Esel in der Schweiz im Schnitt ein Alter von 16 Jahren erreicht. Bei korrekter Haltung können die liebenswürdigen Tiere hingegen bis zu 40 Jahre alt werden.
Aufklärungsarbeit, Pflege und Vermittlung
Die Aufklärungsarbeit, welche durch die Eselmüller-Stiftung betrieben wird, soll präventiv wirken. «Aufklärung ist mit Prophylaxe gleichzusetzen. Dadurch können Tierschutzfälle reduziert werden. Denn solche sind jeweils auch für uns als Stiftung, welche die in Not geratenen Tiere aufnimmt, sehr arbeits- und kostenintensiv», hält Wolfgang Müller fest. Diese Aufklärung erfolgt auf verschiedenen Ebenen. So bietet die Eselmüller-Stiftung einmal pro Monat einen Tag an, an dem Interessierte den Hof in Grasswil besuchen können, einen Einblick in die richtige Haltung und Fütterung erhalten und mit den sanftmütigen Tieren in Kontakt treten können. «Esel können schnell die Herzen erobern, so erging es auch mir», sagt Aline Brönnimann, Mitarbeiterin der stiftungseigenen Eselfachstelle, lächelnd. Weiter finden auch verschiedene Aktivitäten, beispielsweise in Form von Schulungen oder Ferienpass-Angebot, statt. Hinzu kommen das Angebot von Eselpatenschaften sowie das Amt als Eselbotschafters/in. «Bei Ersterem kann eine Patenschaft für ein sich in unserer Obhut befindendes Tier übernommen werden. Dieses kann besucht werden, wodurch eine Bindung zwischen Mensch und Tier entstehen kann», erklärt Aline Brönnimann. «Mit Zweiterem suchen wir schweizweit gezielt nach Leuten, die sich mit Eseln auskennen und so auch als Ansprechspersonen bei potenziellen Tierschutzfällen agieren oder Fragen von Interessierten beantworten können», ergänzt Edith Müller.
Erfolgreiche Weiterentwicklung
Alleine letztes Jahr konnten in der Schweiz 74 Esel, die in unwürdigen Verhältnissen ihr Dasein fristeten, umplatziert werden. Dabei war auch die Eselmüller-Stiftung in zahlreichen Fällen mit Fachwissen, als Vermittlungsstelle oder als Zwischenort involviert. «Es ist teilweise schlimm, in welchen Zuständen sich die geretteten Tiere befinden», sind sich Edith Müller und Aline Brönimann einig.
Was als private Leidenschaft von Edith und Wolfgang Müller in einem Bauernhaus im Gürbetal begann, wurde immer sinnstiftender und grösser. Mittlerweile sind sechs ältere Esel ständig auf dem Hof der Stiftung zu Hause. Hinzu kommen mehrere Pflegeplätze, die wenn nötig eine sofortige Rettung eines Esels möglich machen. Auch die Stiftung selber wächst: Ab September 2025 wird die Eselfachstelle nicht mehr im ehemaligen Stall, sondern in einem eigenen Gebäude inklusive Schulungsräumen einquartiert. Damit sich die Stiftung auch weiterhin für das Wohl und die Würde von Eseln einsetzen kann, ist sie auf Spenden sowie ehrenamtliches Engagement angewiesen. «Es gibt viele Möglichkeiten, sich in unserer Stiftung einzubringen und einen Beitrag zu leisten», so Wolfgang Müller. Auf Anfrage dürfen Interessierte der Stiftung und vor allem den Tieren in Grasswil gerne einen Besuch abstatten. Mit Sicherheit wird sich da das eine oder andere Herz für die Esel öffnen.
Joel Sollberger
www.eselmuellerstiftung.ch