«Gotthelf Zentrum Emmental Lützelflüh» wurde feierlich eröffnet
14.08.2012 Aktuell, Lützelflüh, Kultur, GesellschaftMit einem feierlichen Festakt in der vollbesetzten Kirche in Lützelflüh, von deren Kanzel Albert Bitzius als Pfarrer von 1832 bis 1854 seinen Schäfchen ins Gewissen gepredigt hatte, wurde am vergangenen Freitagnachmittag das Gotthelf Zentrum Emmental Lützelflüh eröffnet. Regierungsrat Hans-Jürg Käser, Vorsteher der Polizei- und Militärdirektion (POM), und Christoph Pappa, Präsident der Jeremias Gotthelf-Stiftung, liessen in ihren Ansprachen die wechselvolle Geschichte des Projekts nochmals Revue passieren.
Vor sieben Jahren beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern, 6,5 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds an die noch zu gründende Jeremias Gotthelf-Stiftung für eine kritisch-historische Gesamtausgabe der Werke des berühmten Schriftstellers zu sprechen. In einem vorbehaltenen Entschluss wurden zudem rund drei Millionen Franken für die Errichtung eines Gotthelf Zentrums in Lützelflüh in Aussicht gestellt. In der Folge galt es, verschiedene Hürden zu meistern. Zunächst musste ein Grobkonzept erarbeitet und von der POM genehmigt, danach ein Detailkonzept samt Businessplan erstellt werden. Letzteres erlitt zunächst Schiffbruch. «An einem denkwürdigen Augustabend im Jahre 2008 wurde das Projekt der Gemeinde und den Interessierten vorgestellt», erinnerte sich Christoph Pappa. «Ich gestehe, dass ich mich schon wohler gefühlt habe. Die kritischen Einwände überwogen, und der Bedenken waren viele: Zu gross, zu unsicher, zu wenig verankert sei das Konzept, so die Argumente der Anwesenden.» In der Folge setzte sich eine neue lokale Arbeitsgruppe nochmals mit dem Detailkonzept auseinander und überarbeitete und redimensionierte es. Hans-Jürg Käser erläuterte: «Es entstand ein Erfolg versprechendes Projekt, welches meines Erachtens im Emmental breit verankert war und von der Region getragen wurde. Mehrere Anläufe wurden benötigt, weil gut Ding eben Weile haben will, aber das Projekt konnte umgesetzt werden, weil es die nötige Akzeptanz gefunden hatte.» Erst nachdem das neue Detailkonzept von der POM grünes Licht erhalten hatte, wurde die Vorlage im November 2010 zum definitiven Entscheid nochmals vor das Berner Parlament gebracht und mit 133 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und ohne Gegenstimme gutgeheissen. Damit war der Weg offen, um das Pfarrhaus zu kaufen, die nötigen baulichen Massnahmen zu realisieren, um ein Gotthelf Zentrum zu errichten.
Regierungsrat Käser dankte im Namen der Regierung allen Personen, die sich für das Projekt eingesetzt haben: «Wenn wir heute und in Zukunft das Werk und die Bedeutung von Jeremias Gotthelf den Menschen näherbringen wollen, ist ein solches Zentrum hier in Lützelflüh ein Muss. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit ist es wichtig, dass die Wertediskussion immer wieder auf allen Ebenen geführt wird. In diesem Zusammenhang sind Gotthelfs Werke und seine darin unmissverständlich ausgedrückten Wertvorlstellungen sehr wichtig.»
Die Eröffnungsfeier wurde musikalisch umrahmt vom Orgelspiel von Suzanne Bieri mit Kompositionen aus dem Elsass um 1850. Samuel Schüpbach trug verschiedene Passagen aus den Werken des grossen Schriftstellers vor. Begleitet wurde er dabei von Werner Aeschbacher auf seinem Langnauer Örgeli. Eine Delegation aus Velike Lašcˇe, der slowenischen Partnergemeinde von Lützelflüh, überbrachte eine Grussbotschaft. Am Ende der Feier lud Projektleiter Heinrich Schütz die geladenen Gäste zu einem ersten Rundgang durch das Zentrum und einem abschliessenden Apéro ein: «Wir freuen uns, das Gotthelf Zentrum nun der Öffentlichkeit übergeben zu können, und warten gespannt auf die Reaktionen des Publikums.»
Die zahlreich erschienenen Gäste besichtigten anschliessend das ehemalige Pfarrhaus, den prächtigen Renaissance-Putzbau aus dem Jahr 1655. Für die Besucherinnen und Besucher gab es vieles zu entdecken, zu erkunden, zu lesen und zu diskutieren. Das Erdgeschoss wird museal genutzt und soll gemäss Kurator Beat Gugger die Neugier wecken, sich dem Phänomen Gotthelf von verschiedenen Seiten anzunähern: «Die Ausstellung zeigt den Theologen mit all seinen Stärken und Schwächen, gibt Einblicke in sein Privatleben, fokussiert auf den unermüdlichen Schreiber von Zeitungsartikeln und Briefen und führt schliesslich über sein politisches und wohltätiges Engagement hin zum Schriftsteller, der unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf Weltberühmtheit erlangte.» Der grosszügige Dachraum dient als Forum für Referate und weitere Veranstaltungen rund um Gotthelf.
Stiftungsratspräsident Christoph Pappa äusserte folgende Hoffnung: «Möge das Zentrum dem Namen Gotthelf zur Ehre gereichen, dem Emmental noch mehr Ausstrahlung verleihen und eine würdige Stätte sein, die ein bedeutendes kulturelles Erbe beherbergt.» Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Pappas Wunsch in Erfüllung gehen wird. Die Eröffnung stimmt jedenfalls optimistisch.
Markus Hofer