Starke Premiere von «Volpone, dr Fuchs»

  23.11.2013 Aktuell, Burgdorf, Kultur

 

Die 1960 gegründete Emmentaler Liebhaberbühne (ELB) bringt abwechselnd Emmentaler Stoffe – vor einem Jahr Jeremias Gotthelfs «Der Geltstag» – sowie ins Berndeutsche übersetzte heitere und ernste Stücke der Weltliteratur auf die Bühne. Die Messlatte liegt jeweils hoch. Vom Bühnenbild über Kostüme und Maske bis zur Technik muss alles bis ins Detail stimmen. Die ELB wird ihren hohen Ansprüchen auch diesmal mit der aktuellen Produktion «Volpone, dr Fuchs», inszeniert von Ulrich Simon Eggimann, vollauf gerecht. Ein uneingeschränktes Kompliment gebührt vorweg den für Kostüme und Maske zuständigen Lisa Eggimann, Françoise Mumenthaler und Sandra Schubert. Sie sorgen dafür, dass die Eigenschaften der Schauspielerinnen und Schauspieler – ob als Fuchs, Krähe oder Löwe – auch visuell voll zur Geltung kommen. Zwar ist die Premiere vom Freitagabend im Casino Theater Burgdorf nicht ganz ausverkauft, der grosse und herzliche Schlussapplaus – durchmischt mit vielen Bravo-rufen – lässt aber keine Zweifel offen: «Volpone, dr Fuchs» ist vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen worden. Insgesamt sind in Burgdorf bis am 8. Dezember 2013 zwölf Vorstellungen vorgesehen, im Rüttihubelbad in Walkringen ab Silvester bis 9. Februar 2014 deren 13.

Das ELB-Ensemble legt bei dieser berndeutschen Bühnenfassung des 1605 vom Engländer Ben Jonson geschriebenen Klassikers der Weltliteratur gleich los, dass es eine Freude ist. Dafür, dass die Sittenkomödie mit Schauplatz Venedig im 17. Jahrhundert sofort Fahrt aufnimmt, sorgt der von Hans Rudolf Kummer vortrefflich gespielte reiche Levantiner Kaufmann Volpone (Fuchs). Er mimt – im Nachthemd im noblen Bett liegend – den Todkranken, ist aber in Wirklichkeit putzmunter. Wie der schlaue Fuchs in der Tierfabel stellt er sich quasi tot, um Aasfresser anzulocken, die ihm zur leichten Beute werden. In «Volpone, dr Fuchs» sind drei habgierige Venezianer diese Aasfresser: Remy Pfirter als Kaufmann Corvino (Rabe), Peter Eggimann als Notar Voltore (Geier) und Franz Mumenthaler als alter Wucherer Corbaccio (Krähe). Als Erbschleicher umschwirren diese den vermeintlich todkranken Volpone und überhäufen ihn mit Geschenken. Dies mit dem einzigen Ziel, vom steinreichen Volpone in dessen Testament als Alleinerbe eingesetzt zu werden.

Während Katrin Haueter in ihrer Rolle als Volpones Dienstmädchen Civetta (Eule) für Handreichungen wie das Ziehen des Bettvorhanges zuständig ist, spielt Stefan Zurflüh als Volpones junger Gehilfe – und Schmarotzer – Mosca (Fliege) eine (erfrischende) Hauptrolle. Er hetzt die habgierigen Venezianer gegeneinander auf. Zur Freude des schlauen Volpone übertrumpfen sich die Erbschleicher mit Gaben an den – wie sie vermuten – auf dem Totenbett Liegenden. Dieser wiederum setzt die sein Ableben herbeisehnenden Besucher, die in immer kürzeren Abständen bei ihm auftauchen, zeitlich unter Druck. Er röchelt und verkündet mit dünner Stimme: «Mit mir kann es nicht mehr lange dauern.» Die vielen Gold-münzen, die ihm die Erbschleicher zustecken, legt Volpone behutsam in seine Schatulle, die er immer nur zum Hineinlegen von Gold öffnet, nie zum Herausnehmen des Edelmetalls.

«Ich sehe mir gerne Sterbende an», sagt der zum Publikumsliebling avancierende 76-jährige kauzige Wucherer Corbaccio zum Volpone-Gehilfen Mosca. «Es geht ihm sehr schlecht», verrät Letzterer, was der am Stock gehende Corbaccio mit einem «sehr gut» kommentiert. Der Wucherer setzt noch einen drauf. «He da, du Kadaver», schreit dieser als Reaktion auf die Aussage Moscas, der Todgeweihte Volpone höre bereits nichts mehr. Volpone hingegen ist weder todkrank noch schwerhörig, sondern heckt  sich weitere Spässe aus. Tatsächlich gelingt es ihm, die von Christine Haller verkörperte schöne Colomba (Taube), Gattin des eifersüchtigen Corvino, in sein Bett zu locken. Dass das Handauflegen von Colomba aus dem todkranken Volpone einen feurigen Stier macht, hat Folgen und löst einen Gerichtsfall aus, bei dem Dominik Müller als Capitano Leone (Löwe) und enterbter Sohn Corvinos eine tragische Hauptrolle spielt. Beim Prozess vor Ort ist auch Franziska Röthlisberger als Kurtisane Canina (Kaninchen), die ihre Liebesdienste jeweils für fünf Dukaten – zuweilen auch gratis – anbietet. «Verworren die ganze Geschichte», findet der überforderte Richter (Kurt Zahm) in Richter-Perücke. Er lässt sich von Dominik Zürcher, Oberst der Wache, erzählen, welche Beobachtungen dieser zur Tatzeit bei seinem Rundgang gemacht hat.

Ob aufgrund des Prozesses letztlich der visuell an Ivan Rebroff erinnernde Leone oder gar der todkranke Volpone an den Schandpfahl gebunden wird, sei an dieser Stelle ebenso wenig verraten wie das Ergebnis der Testamentseröffnung. Auf diese haben alle Erbschleicher gierig gewartet. Jeder Einzelne ist davon überzeugt, in Volpones Testament als Alleinerbe eingesetzt worden zu sein. So oder so: Regisseur Ulrich Simon Eggimann hat es verstanden, auch bezüglich Mimik und Gestik das Maximum aus den Darstellern und ihren Charakteren herauszuholen. Das Ensemble überzeugt ebenso als Kollektiv. «Ein wunderbarer Theaterabend», lautet nach der Premiere der auf einer Fabel beruhenden Sittenkomödie der Grundtenor des entzückten Publikums.            Hans Mathys

«Volpone, dr Fuchs» im Casino Theater Burgdorf am 22., 23., 24., 29. und 30. November sowie am 1., 6., 7. und 8. Dezember; im Rüttihubelbad vom 31. Dezember bis 9. Februar. Reservationen: Telefonnummer 031 741 60 20 oder via E-Mail reservation@elb.ch


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