Drei Referate zum Thema «Demenz und Gewalt»

  07.07.2014 Aktuell, Bildung, Burgdorf, Gesellschaft

Gastgeber Walter Cassina, Vorsitzender der Geschäftsleitung, lud ein zu einem Thema, von dem man weiss, es aber zu wenig kennt und wenn, dann nur über Negativschlagzeilen, die jedes Mal erschrecken und betroffen machen. Pius Müller, Spitex Burgdorf-Oberburg, Dr. Jürg Zühlke, Facharzt Psychiatrie, und Helmut Mazander, dipl. Gerontologe vom «Demenzladen» Basel, waren die Referenten zum Thema «Demenz und Gewalt» im Zentrum Schlossmatt in Burgdorf.In den Referaten wurde versucht, viele Facetten von Gewalt auszuleuchten, zu definieren.

«Bereits die Missachtung oder Verhinderung eines Bedürfnisses ist Ausdruck von Gewalt seitens der Pflegenden», gab Jürg Zühlke zu bedenken. Auf der Seite des dementen Menschen hingegen können der Verlust der Selbstbestimmung, strukturelle Zwänge in Heimen, das Erleben der Endstation oder der nicht selbst gewählte Mitbewohner Auslöser sein, um Spannungen oder Gewaltbereitschaft aufzubauen. Geduld und Sorgfalt, Achtsamkeit, das Einhalten von Körper- und Schamgrenzen seien ethische Voraussetzungen, um den Menschen mit Demenz – dem Verlust der Perspektiven, der Angst vor dem Wertlossein – in Vertrauen «auffangen» zu können.

Erschreckend ist Zühlkes Feststellung, dass die Misshandlung von Betagten ein berechenbares Phänomen ist. Daraus zog er den Schluss, dass die Qualität der Pflege und Lebensqualität der Betagten im Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit der Pflegenden stehen. Zühlke appellierte an die gesellschaftliche und kulturelle Wertschätzung des Alters.

Fallbeispiele
Wie die Spitex-Betreuer/innen dieses Ziel erreichen wollen, brachte Pius Müller auf den Punkt: Wahrung der Würde des Demenzkranken, Information über die Biografie der Menschen, Erhaltung und Rehabilitation seien Leitlinien. So kann eine Überfürsorge, aber auch Überforderung vermieden werden und Betagte können möglichst lange in ihrem Umfeld betreut werden.

Mit Fallbeispielen aus Presseberichten sensibilisierte Helmut Mazander. Er gab zu bedenken, dass mangelnder Respekt gegenüber Betagten bereits ein Ansatz zu «schleichender» Gewalt sei. «Es gibt keinen Grund für Gewalt in der Pflege. Auch wenn ein Klient halt die Medikamente nicht nehmen will oder trotz Zeitdruck der Pflegenden seine Schuhe selber anziehen will: Lasst ihm die Freiheit, selbstständig zu ‹fuuschte›.» In enger Zusammenarbeit mit Ärzten und Fachpersonal sollen die Pflegenden lernen, echt zu sein, das Verhalten soll mit den eigenen Gefühlen identisch und keine Fassade sein, war sein Appell.

Walter Cassina schloss sich in seinem Dank an Referenten und Publikum den Betrachtungen, Überlegungen und Anregungen an. Für die Zuhörer boten sich neue Perspektiven zum Thema, ein neues Verständnis und Verstehen der Betagten.

Sylvia Mosimann


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