Mezzosopranistin Stephanie Szanto im Fokus

  18.07.2014 Aktuell, Region, Oberburg, Kultur, Bildung / Schule

«D’REGION»: Über alle grossen Sänger/innen wird gesagt, dass sie sangen, bevor sie reden konnten. War das bei Ihnen auch so?
Das weiss ich ehrlich gesagt gar nicht. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich zum Leidwesen meiner Eltern schon sehr früh zu reden anfing. Und ich redete sehr viel. Es gibt auch Bilder, auf denen ich als Baby in den Armen meines Vaters liege und er mir auf seiner Gitarre etwas vorspielt.

«D’REGION»: Dann kommt die Faszination für die Musik also vor allem vom Vater?
Das könnte man wohl so sagen, ja. Mein Vater ist Musiker oder genauer gesagt Kontrabassist und so kam ich schon früh in Kontakt mit der Musik. Meine Mutter liebt die Musik auch, sie lebt die Leidenschaft aber übers Zuhören aus.

«D’REGION»: Sie haben ja ausbildungsmässig den Schwerpunkt sehr stark auf die klassische Musik gelegt. Hören Sie ausschliesslich klassische Musik oder ertönt bei Ihnen zu Hause ab und zu auch mal was anderes?
Nein, nein, ja nicht nur klassische Musik! Selbstverständlich höre ich auch jegliche anderen Arten von Musik. Klassische Musik zu spielen oder zu singen, war für mich lange Zeit etwas, das ich einfach gemacht habe, weil man es macht. Ich rutschte da so ein wenig rein.

Im Alter von vier Jahren fing ich als «kleine Geige» mit dem Musizieren an. Später kam dann der Klavierunterricht  an der Musikschule Burgdorf bei Hans-Ulrich Fischbacher dazu. Zudem sang ich im Berner Kinderchor und später dann als Kindersolistin am Berner Stadttheater. Dort schlug man mir dann vor, dass ich die Prüfung am Gymnasium Hofwil zur Aufnahme in die Talentförderungsklasse machen könnte. Diese bestand ich und schon studierte ich klassischen Gesang.
Ich wuchs aber mit sehr vielen Musikstilen und -richtungen auf. Michael Jackson ist zum Beispiel nur einer von vielen. Ich ging eine Zeit lang auch Richtung Jazz, produzierte elektronische Musik (z.B. Drum’n’Bass und Trip-Hop) und sang damit Live-Acts mit verschiedenen Produzenten. Musik ist für mich Musik. Ich glaube, es kommt nur darauf an, wie man auf ein Musikstück reagiert. Egal, ob ich ein Stück von Haydn oder Michael Jackson höre, ich reagiere beide Male gleich: Wow, das ist ein cooler Song!

«D’REGION»: Kommt das vielleicht nicht auch davon, dass Sie das Verständnis für beide Musikstile haben? Viele junge Menschen können mit klassischer Musik ja gar nichts anfangen.
Doch, ich denke schon. Klassische Musik ist ja sehr oft nicht gerade einladend. Ich denke, man müsste versuchen, viel mehr Brücken zur klassischen Musik zu schlagen. Simon Bucher und ich sind das Duo «Petting goes Classic». Dort spielen wir Bravo-Hits, interpretieren diese aber klassisch. Die jungen Leute finden
das super und wir bekommen sehr viele Anfragen für Auftritte. Dadurch dass jeder die Songs, welche wir
klassisch interpretieren, kennt, ist der Zugang zur klassischen Musik auch viel einfacher. Die Menschen können sich mit den Songs identifizieren
und haben sie schon oft gehört. Deshalb spielt es dann keine Rolle mehr, ob es jetzt klassische Musik ist oder nicht.
Ein Junge auf einem Töffli kam einmal nach einem meiner klassischen Konzerte zu mir und sagte, dass er eigentlich gar nicht hätte kommen wollen. Irgendwie sei er aber trotzdem hier gelandet und die Musik hätte ihn berührt, ohne dass er es gewollt habe. Das war das bisher schönste Kompliment, das ich je bekommen habe.

«D’REGION»: Sie sind ja Mezzo­sopranistin. Haben sie sich für diese Stimmlage entschieden oder ist das gottgegeben?
Das ist gottgegeben, denn es hat mit der Länge der Stimmbänder zu tun. Die Lage des Mezzosoprans ist etwas tiefer als jene des Soprans, kann aber zum Teil auch in die unteren Höhen des Soprans gelangen. Zudem ist die Farbe dunkler.

«D’REGION»: Mezzosoprane werden deshalb ja auch dazu eingesetzt, um in Opern junge Männer zu verkörpern, sogenannte Hosenrollen. Haben Sie das auch schon gemacht?
Ja, das habe ich auch schon gemacht und mache es eigentlich gerne. Ich habe zum Beispiel schon den Pagen Cherubino in Mozarts «Le Nozze di Figaro» oder Octavian aus der Oper «Der Rosenkavalier» von Richard Strauss gespielt.

«D’REGION»: Welche Rolle oder welcher Auftritt hat Ihnen bis zum heutigen Zeitpunkt am besten gefallen?
Uff, das ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich der erst kürzliche Auftritt am Solistenkonzert der Luzerner Hochschule anlässlich der «Master of Solo Performance»-Abschlüsse. Ich durfte dort eines meiner Herzensstücke, «Urlicht» von Mahler, singen, an welches ich mich all die Jahre noch nicht herangewagt hatte. Dieses Stück im KKL Luzern mit einem Symphonieorchester singen zu dürfen, war überwältigend. Es sind jedoch zwei völlig verschiedene Dinge, ob man eine Rolle in der Oper spielt oder an einem Konzert singt. In der Oper spielt man eine Figur und ist nicht sich selbst. Man singt nicht direkt zum Publikum, sondern spielt zusammen mit den anderen Sängern die Oper. Am Konzert muss man ganz sich selbst sein und den Kontakt mit dem Publikum suchen. Deshalb sind es für mich ganz verschiedene Auftritte, die man auch nur schwer vergleichen kann.

«D’REGION»: Wie lange üben Sie eigentlich pro Tag, oder wie sieht ein «normaler» Tagesablauf bei Ihnen aus?
Ein Grossteil des Übens ist nicht das eigentliche Singen, sondern geschieht mehr im Kopf. Beim Lernen eines neuen Stückes befasse ich mich zuerst mit dem Text oder dem Gedicht und spiele es danach am Klavier. Wahrscheinlich spiele ich sogar mehr Klavier, als dass ich singe. Man kann halt nicht vier Stunden am Stück singen. Ich singe meistens halbstundenweise. Danach lerne ich den Text des Stücks oder spiele es wieder auf dem Klavier. Nach einiger Zeit kommt dann die zweite halbe Stunde des Singens etc.

Der Tagesrhythmus ist bei mir etwas nach hinten verschoben, da ich oftmals abends noch Proben habe und dadurch erst nach Mitternacht ins Bett komme. Nach dem Aufstehen am Morgen übe ich, gebe Gesangsunterricht, gehe spazieren und probe.

«D’REGION»: Gibt es bei Ihnen auch Momente der Ruhe ohne Musik?
Nur wenn ich krank bin. Dann brauche ich Abstand zur Musik und einfach meine Ruhe. Besonders bei Erkältungen ist dies wichtig, da die Stimmbänder von Personen mit einer ausgebildeten Stimme automatisch mitschwingen, wenn Musik ertönt. Das ist für die Genesung natürlich nicht förderlich. Beim Spazierengehen verwende ich dann sogar manchmal Ohropax.

«D’REGION»: Sie sind ja in Oberburg aufgewachsen, wohnen aber jetzt in Bern. Haben Sie immer noch eine Verbindung zum Emmental oder zu Burgdorf?
Klar. Ich gehe sehr viel nach Oberburg zu meinen Eltern nach Hause. Auch der Grossteil meiner Freunde stammt aus der Region und so bin ich immer noch ziemlich stark verwurzelt hier. Auch die innere Verbindung zum Emmental habe ich noch. Das Emmental ist für mich wie ein Rückgrat oder eine Stütze. Ich denke, im Emmental aufgewachsen zu sein, vermittelt gute Bodenständigkeit.

Interview: Felix Glauser


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