In letzter Sekunde verkauft

  24.01.2015 Aktuell, Wirtschaft, Kirchberg, Region, Gesellschaft

42 Gemeinden sind in der ausser­ordentlichen Regionalkonferenz Emmen­tal vertreten, deren Präsident Samuel Leuenberger sich an der 7. Regional­versammlung primär dem Traktandum «Verkauf unserer 51 Prozent Beteiligung in Form von Aktien an Emmental Tours AG» widmet. Er fasst die Vorgeschichte, die an diesem Abend zu einem möglichst für alle Beteiligten zufriedenstellenden Ergebnis führen sollte, wie folgt zusammen: «Als die Regionalkonferenz im Juli 2011 die Mehrheit von 51% der Aktien Emmental Tours AG (ETAG) übernahm, ging es darum, die Vermarktung des Emmentals nicht in auswärtige Hände gelangen zu lassen. Schon damals war klar und wurde entsprechend kommuniziert, dass es nicht unsere Aufgabe sein kann, sich zu sehr firmenintern zu binden, sondern dass wir uns nach einer ‹Gesundung› wieder zurückziehen werden.»

Eine Sekunde vor zwölf
Leuenberger spricht von «einer Sekunde vor zwölf», wenn jetzt der 51-Prozent-Anteil an Kurt Schär verkauft werden soll, der als ehemaliger Verwaltungsratspräsident und CEO der Biketec AG bereits im Besitz von 49% der ETAG-Aktien ist. «Denn personelle Veränderungen bei der ETAG haben dazu geführt, dass jetzt Entscheidungen getroffen werden müssen. Zudem entspricht der Geschäftsverlauf nicht mehr den ursprünglichen Erwartungen, auch wenn die Werbe-Anstrengungen für das gesamte Emmental mit Intensität betrieben werden.» Gemäss Leuenberger ist «das Tourismusgefühl im unteren Emmental vielleicht ein Prozent weniger ausgeprägt als im oberen», scherzt er, trotzdem werde die gesamte Region «schmerzfrei» gleichmässig beworben.

Die ETAG-Geschäftsleitung hat sich wegen rückläufiger Zahlen mit der strukturellen Organisation des Emmentaler Tourismus auseinandergesetzt und erkannt, dass «die ETAG mehr Entscheidungsfreiraum benötigt, um sich als Firma weiterentwickeln zu können». Der Aktienverkauf an den versierten Touristiker Kurt Schär bietet hier die Gewissheit für einen Erfolg. Laut Leuenberger kann das Destinationsmarketing für das Emmental entsprechend dem bis Ende 2015 laufenden Vertrag bezüglich Leistungsvereinbarungen wahrgenommen werden; anschliessend muss dieses Mandat ab 2016 gesetzes­konform ausgeschrieben werden.

Alles hat sich verändert
Kirchbergs Gemeinderatspräsidentin Marianne Nyffenegger stellt als Hausherrin ihre Gemeinde Kirchberg und den renovierten Saalbau vor und liefert weitere Präzisierungen des geplanten Aktienverkaufs an Kurt Schär. Als in der Geschäftsleitung der Regionalkonferenz für das Ressort Tourismus Zuständige erinnert sie daran, dass bis 2009 das Destinationsmarketing im Emmental durch Pro Burgdorf wahrgenommen worden, der operative Bereich jedoch Ende 2009 eingestellt worden ist. Grund war die Einstellung von Geldern aus der Beherbergungsabgabe. Man musste sich also entscheiden, entweder die Tourismusförderung im Emmental für jährlich Fr. 4.– pro Einwohner jeder Gemeinde an BernTourismus auszulagern oder ein eigenes Destinationsmarketing für Fr. 2.– / Einwohner und Jahr für den Bereich Tourismus zuzüglich Fr. 1.– / Einwohner und Jahr für Events und Marketing aufzubringen. «Wir wollten die Zügel in der Hand behalten und wählten die zweite Variante», erinnert sie. «Als die BLS AG Anfang 2011 informierte, dass sie ihren 100%-Anteil an der ETAG abstossen wolle, übernahm der Vorstand von Region Emmental die Aktienmehrheit. 41 der 42 angeschlossenen Gemeinden haben sich damals dafür ausgesprochen, der Kauf kam zustande. Biketec AG kaufte die restlichen 49%. Anfang 2012 startete der operative Betrieb.»

Die heutige Situation im Tourismus­geschäft macht es nötig, das Geschäftskonzept der ETAG strategisch neu auszurichten. Daher sei bereits am 30. Oktober 2014 der Verkauf an Kurt Schär beschlossen worden, der allerdings von der Regionalversammlung autorisiert werden muss. Als «unschön» bezeichnet sie den ETAG-Betriebsverlust von Fr. 66 550.– für das Jahr 2014, den «man zur Kenntnis nehmen muss».

50 000 Franken Kapitalerhöhung
Der zahlreichen Anwesenden bekannte Kurt Schär – er ist Gründer der Herzroute – teilt als erstes mit, dass er nach einer Kaufgenehmigung der Aktien durch die Versammlung bereits per Ende Februar 2015 eine Kapital­erhöhung um 50 000 Franken vornehmen werde, um das Unternehmen besser auf Kurs zu bringen. Zudem wolle er den zirka 180 bis 220 im gesamten Sektor Tourismus Emmental tätigen Mitarbeitenden eine gesicherte Zukunftsperspektive bieten. «Ich will die ETAG jetzt gesundstossen», blickt er in die Zukunft. «Und als Unternehmer will ich unternehmen, nicht unterlassen!» Er informiert, dass er Christian Billau, den operativen Chef von Emmental Tours, «zum Rücktritt vom Rücktritt» bewegen konnte, der nun wieder in seiner alten Funktion tätig ist.

Aus der Versammlung kommt die Frage, ob es bei den bisherigen Gemeindebeiträgen von Fr. 2.– pro Person und Jahr bleiben oder ob er künftig Fr. 4.– verlangen werde. Hier will sich Schär nicht festlegen, das werde die Zukunft weisen. Die Anwesenden müssen zur Kenntnis nehmen, dass bei einem Aktienverkauf mit dem vorgestellten Rechnungsmodell jede Gemeinde Fr. 0.40 pro Person Verlust abschreiben muss. Trotzdem sei man mit weniger als einem blauen Auge davon gekommen.

Beim anschliessenden von der Gemeinde Kirchberg gespendeten Apéro bleibt ausreichend Zeit für die Diskussion anstehender Themen.

Gerti Binz


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