85. Geburtstag von Franz Gertsch
10.03.2015 Aktuell, Wirtschaft, Region, Burgdorf, Kultur, Gesellschaft«Rings ums Haus spriesst manchmal schon im Januar die Pestwurz. Ein unbedeutendes Unkraut. Aber eines Morgens im Mai liegt auf ihren Blättern goldig-ockerfarbener Sahara-Staub. Da entdeckte ich die Schönheit der Pestwurz und erkor sie zur Akteurin meiner Holzschnitte.» Mit diesen Worten umschrieb der Künstler Franz Gertsch den Werdegang hin zum vergangenen Sonntag erstmals präsentierten neuen Gemälde «Pestwurz». Flankiert wird das Werk im Museum Franz Gertsch in Burgdorf denn auch von zwei grossformatigen Holzschnitten – von «Pestwurz (Ausblick)» aus den Jahren 2004/05 und dem Hochformat «Pestwurz» von 1993. So ist für den Museumsbesucher erlebbar, wie sich Franz Gertsch seinem Motiv immer intensiver annäherte.
Vom Holzschnitt zur Malerei
«In der vergangenen Ausstellungsperiode feierten wir die Schenkung des gesamten Holzschnittwerks von Franz Gertsch durch den Künstler und seine Frau Maria mit einer grossen Ausstellung in allen Räumen dieses Museums. Gezeigt wurden nahezu alle Drucke ab 1986 sowie drei Gemälde, die einen Einblick in das malerische Schaffen von Franz Gertsch erlaubten», liess Kuratorin Anna Wesle die Vernissage-Besucher wissen. «Zur Eröffnung der aktuellen Ausstellungsperiode am heutigen 8. März 2015, dem 85. Geburtstag von Franz Gertsch, erlebt das Gemälde ‹Pestwurz› seine Weltpremiere und die Malerei steht nun wieder ganz im Fokus des Ausstellungsprogramms», ergänzte sie.
Vier-Jahreszeiten-Zyklus
Im zweiten Ausstellungsraum des Museums Franz Gertsch sind die Vier-Jahreszeiten-Gemälde von Franz Gertsch zu sehen. Im Jahr 2007, damals 77-jährig, habe Gertsch mit der Arbeit am Zyklus der «Vier Jahreszeiten» begonnen, Anfang 2011 habe er ihn mit dem Werk «Frühling» beendet, war von Anna Wesle weiter zu vernehmen. Dank der Präsentation der Vier-Jahreszeiten-Gemälde in einem Raum wird dem Besucher eindrucksvoll aufgezeigt, wie die Werke farblich harmonieren. Gertsch beschränkt sich auf eine reduzierte Farbpalette, auf wenige aus Mineral-, Erd- und anderen Pigmenten selbst hergestellte Farbtöne. Kunstkennerin Wesle ergänzte: «Bei der Betrachtung der vier Gemälde verbinden sich die Farbklänge der einzelnen Gemälde miteinander, bestimmte Farbtöne werden von einem Werk zum anderen wieder aufgenommen.» Das Wechselspiel, das in jedem einzelnen Gemälde zwischen Sujet, Malweise und Farbgebung, zwischen Wahrnehmung und Wirkung stattfinde, werde im Zusammenspiel der vier Gemälde noch einmal verstärkt.
«Franz Gertsch. Gewachsen»
Der geschäftsführende Direktor des Museums Franz Gertsch, Arno Stein, war überwältigt vom Besucheraufmarsch am vergangenen Sonntag. Er dankte der anwesenden Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch für den grossen finanziellen Beitrag, den die Stadt an die Geburtstagsfeier geleistet hat. Stein hielt in seiner Eingangsrede auch Rückschau auf die Entstehung des Museums. Im Sommer 1998 sei es gewesen, als Willy Michel die Idee zum Bau des Museums gehabt habe. Im Jahr 2002, bei der Eröffnung, habe niemand gewusst, wohin die Reise gehe, denn Franz Gertsch sei damals schon 72-jährig gewesen. Nun 85-jährig, sei Gertsch bereits mit einem weiteren Holzschnitt beschäftigt. Arno Stein berichtete auch, dass sich Michel und Gertsch darauf einigen konnten, sowohl «Pestwurz» als auch den «Vier-Jahreszeiten-Zyklus» in die Dauerausstellung im Museum Franz Gertsch aufzunehmen. «Franz Gertsch. Gewachsen», das Motto der aktuellen Ausstellung, drücke aus, dass alles zu einem wunderbaren Ganzen gewachsen sei. Dr. Tobia Bezzola, Direktor Museum Folkwang, Essen, und «jüngstes Mitglied des Stiftungsrates des Museums Franz Gertsch», wie er sich an der Eröffnung bezeichnete, liess wissen, dass Gertsch selber sein Werk erst ab dem Jahr 1969 gelten lasse. Mit, durch und jenseits der Fotografie lasse sich die Malerei entwickeln: Das sei Gertsch damals bewusst geworden.
Musikalische Umrahmung
Klarinettist Stephan Siegenthaler, welcher für die seit acht Jahren sechs Mal jährlich stattfindenden «Klangartconcerts» im Museum Franz Gertsch verantwortlich ist, umrahmte mit Olivier Darbellay (Horn) und Kolja Lessing (Klavier) die Geburtstagsfeier. Sie spielten unter anderem zwei Sätze aus einer Sonate von Max Reger. Siegenthaler geriet ins Schwärmen über die Wechselwirkung zwischen den Tönen und den Farben im Museum Franz Gertsch. Am Abend liessen die Musiker Hornfanfaren zum
85. Geburtstag von Franz Gertsch ertönen.
Barbara Schwarzwald