Mit Lichtgeschwindigkeit durch Raum und Zeit
23.06.2015 Aktuell, Wirtschaft, Region, Burgdorf, Kultur, GesellschaftAls Moderator muss man Roland Jeanneret dem Burgdorfer Publikum nicht mehr vorstellen; die von ihm geleiteten Anlässe sind höchst interessant und er überzeugt durch fach- und sachkundige Fragen. Wenn ihm dann noch eine Gesprächspartnerin wie Frau Professor Dr. Kathrin Altwegg gegenübersitzt, kann man sich selber zur Anwesenheit an diesem Anlass nur beglückwünschen. Frau Altwegg ist promovierte Physikerin und amtet als Dozentin für Weltraumforschung und Planetologie an der Universität Bern.
Zahlreiche Kinder im Weltall
Die Präsidaldirektion schreibt in ihrer Einladung, «man könnte Frau Altwegg stundenlang zuhören, wenn sie die Vorgänge im Weltall erklärt». Das ist keinesfalls übertrieben, denn die Wissenschaftlerin versteht es hervorragend, unter anderem die kompliziertesten Abläufe betreffend «ihr Kind Rosina» (ein von ihr mitentwickeltes Messgerät) und die Landung der Sonde Philae auf dem Kometen Tschury (kurzperiodischer Komet; voller Name 67P/Churyumov-Gerasimenko) im Herbst 2014 zu erklären. Lachend weist sie darauf hin, dass «mehrere Kinder von ihr im All unterwegs sind», wer sonst kann so etwas von sich behaupten. In Fachkreisen nennt man sie respektvoll «Kometenjägerin».
Die Physikerin erklärt den Sinn der Weltraumreise zu Tschury damit, dass die internationalen Fachleute das Material des knapp vier Kilometer Durchmesser aufweisenden Kometen Tschury analysieren sollen, was wiederum zum Verständnis der seinerzeitigen Entstehung des Sonnensystems beitragen dürfte. Ganz besonders interessiert die Wissenschaftler, ob die Erde ihr Wasser und erste Biomoleküle von Kometen erhalten haben könnte. «Wir wissen heute, dass unser Wasser auf der Erde nicht von dort kommt», sagt sie. Sie fügt noch bei, dass diese Spezialisten erst seit 13. Juni 2015 wieder mit Philae kommunizieren können, da sich die Sonde infolge ihrer «ungewollt schattigen Landung» im Schlummermodus befunden habe und nun dank zusätzlicher Sonneneinstrahlung in der kürzlich begonnenen «Sommerperiode» (zunehmende Sonneneinstrahlung auf diesen Landeplatz) zu neuem Leben erwache. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass die Bohrexperimente für Gesteinsproben demnächst nachgeholt werden können.
Über die Vorstellung vieler hinaus
Laut Altwegg können solche Weltraum-Expeditionen unter Umständen Fragen beantworten, aus welchen Materialien die unter fast unvorstellbar niedrigen Minustemperaturen gebildeten Kometen bestehen, die in ihrer heutigen Substanz bereits vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind. «Die Sonne ist jünger, die Kometen sind vorher entstanden. Aus vielen Kometen hat’s die Sonne gegeben und aus den Resten Planeten. Das sind Urbausteine.» Hier muss sogar Jeanneret leicht schlucken, ist doch alles so sonnenklar.
Dann spricht er von den zwei Schweizer Messgeräten, die inzwischen an der Mission beteiligt sind. Altwegg erläutert offene Fragen wie folgt: «Derzeit versucht man zu messen, ob auf Kometen die Grundbausteine vorhanden sind, aus denen Leben entstehen kann. Das wäre für die Wissenschaft ein grosser Schritt vorwärts. Dann müssten wir davon ausgehen, dass wir nicht allein im Universum sind.» Dennoch hält sie solche Vorstellungen «nicht für sehr wahrscheinlich, was für von Däniken mit seinen Theorien eine grosse Enttäuschung sein dürfte». Jeanneret weist noch darauf hin, dass sein Gast extra ein viertägiges Meeting aller an Rosina beteiligten internationalen Wissenschaftler verlassen habe, um vor den Burgdorfern zu sprechen.
Herzlicher Dank
Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch dankt den zahlreichen Anwesenden für ihren engagierten Einsatz für den Wirtschaftsstandort Burgdorf und erläutert die vielversprechenden Projekte der Stadt, die demnächst realisiert werden sollen. Sie kommt auf den 2014 gegründeten Verein Gesundheitswirtschaft Burgdorf zu sprechen und den seit 1. November 2014 eingesetzten Geschäftsführer Patrick Roth. Dieser erläutert kurz den Zweck des neuen Vereins, der die Position von Burgdorf als Gesundheitsstadt festigen, vertiefen und so den Weg für die spätere Zuweisung der medizinischen Fakultät der Berner Fachhochschule (entweder nach Bern oder Burgdorf) ebnen soll. Vorderhand geht es darum, in Burgdorf Industrie, Dienstleistungen und Bildungsangebote im Spektrum «Gesundheit und Medizinaltechnik» anzusiedeln.
Beim anschliessenden – wirklich köstlichen – Apéro riche langen alle kräftig zu und diskutieren ausgiebig die für alle gut verständlichen Ausführungen von Frau Dr. Altwegg.
Gerti Binz